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Oh, ja. Hände …

Ich versuchte, meine Finger zu strecken, war aber nicht sicher, ob sie gehorchten. Konnte sein, daß sie überhaupt nicht mehr vorhanden waren und ich lediglich einen schwachen Nervenimpuls spürte. Einen Augenblick dachte ich an Wundbrand, falls sie noch da sein sollten.

Verdammt. Und noch mal verdammt. Frustrierende Sache.

Das Semester hatte begonnen, und ich war abgehauen. Nachdem ich Vorkehrungen getroffen hatte, all meine Post an meinen Partner Ralph zu schicken, hatte ich mich westwärts aufgemacht, nach San Francisco, Honolulu, Tokio. Einige friedliche Wochen waren verstrichen. Dann ein kurzer Aufenthalt in Sydney. Gerade lange genug, um Ärger zu bekommen beim Herumklettern auf diesem Fisch-verschluckt-Fisch-verschluckt-Fisch-verschluckt-Fisch-Opernhaus. Ich verließ die Stadt mit einer Verwarnung und einer Geldbuße. Flog nach Alice Springs. Nahm den Airscooter, den ich geordert hatte. Startete in den frühen Morgenstunden, bevor die Hitze des Tages und das unentrinnbare Licht sich ihren Weg in die Welt gebahnt hatten. Das Land schien mir ein guter Ort zu sein, Rekruten auf das vorzubereiten, was sie später erwartete. Ich richtete mich erst gar nicht für einen langen Aufenthalt ein.

In den Klippenwänden gibt es sehr alte Höhlen, die zusammen einhundertsiebzig Quadratmeter ausmachen. Die Eingeborenen dieser Gegend leugnen jedes Wissen über deren Herkunft und Verwendungszweck. Ich hatte schon Fotografien gesehen, aber ich wollte auch einmal die Wirklichkeit anschauen, einige eigene Fotos schießen, Proben entnehmen und ein bißchen herumgraben.

Ich zog mich in den Schatten meines Zeltes zurück, kippte Sodawasser in mich hinein und bemühte mich, beim Gedanken an Arbeit einen kühlen Kopf zu bewahren. Während ich mich höchst selten einmal an Graffiti versuchte, spürte ich doch ein Gefühl der Sympathie für diejenigen, die ihre Spuren an Wänden hinterlassen. Und je weiter man zurückgeht, desto interessanter wird das. Nun, es könnte sein, daß deren Anfänge, wie manche behauptet haben, im troglodytischen Äquivalent zum Klo zu finden sind und die ganzen Höhlenmalereien nichts weiter sind als bildliche Sublimation der noch wesentlich primitiveren evolutionären Bräuche, das eigene Territorium zu markieren. Nichtsdestotrotz, als man erst einmal damit angefangen hatte, deswegen auf Bergen oder an Wänden herumzuklettern, da war aus einem schlichten Zeitvertreib eine echte Kunstform geworden. Schon oft habe ich an jenen ersten Burschen gedacht, der ein Mastodon im Kopf hatte und gleichzeitig eine kahle Felswand vor sich sah. Ich habe mich ebensooft gefragt, was ihn veranlaßt haben mag, dann zu dieser Wand zu gehen und herumzukritzeln – wie er sich wohl dabei gefühlt hat. Und auch, wie die Reaktion der Öffentlichkeit ausgesehen haben mag. Vielleicht haben sie ihm Löcher in den Körper geschnitten, um die Anwesenheit von Geistern in ihm nachzuweisen. Oder vielleicht bestand die Reaktion auch nur in größerer Aufgeschlossenheit, im Warten auf den nötigen Stimulus, der nach und nach noch mehr Leute überkommen sollte. Schwer zu sagen, aus heutiger Sicht. Und schwer, solchen Fragen gegenüber gleichgültig zu bleiben.

Wie auch immer, an diesem Nachmittag machte ich meine Fotos und buddelte am Abend Löcher – bis in den frühen Morgen hinein. Den größten Teil des zweiten Tages verbrachte ich mit Probeentnahmen und weiterem Graben. Gegen Abend fand ich etwas, das an Bruchstücke eines steinernen Werkzeuges erinnerte. Am nächsten Morgen hatte ich keinen so interessanten Fund. Obwohl ich länger grub als ich mir eigentlich vorgenommen hatte.

Danach kehrte ich in den Schatten zurück, um meinen Sonnenbrand zu verarzten und meinen Flüssigkeitsspiegel wieder auszugleichen, während ich die Ereignisse des Tages notierte und mir Gedanken über das ganze Geschäft machte, die mir im Laufe des Tages gekommen waren. Gegen ein Uhr machte ich Mittagspause, dann wandte ich mich noch eine Weile meinen Aufzeichnungen zu.

Wenige Minuten nach drei Uhr tauchte ein Luftwagen am Himmel über mir auf, wendete und sank tiefer herab. Das besorgte mich ein wenig, da ich keine offizielle Erlaubnis für das hatte, was ich hier tat. Auf irgendeinem Stück Papier, einer Karte oder einem Band war ich als „Tourist“ vermerkt. Ich hatte auch keine Ahnung, ob für mein Vorhaben eine offizielle Genehmigung erforderlich war, vermutete es aber doch sehr. Zeit bedeutet mir sehr viel, und der ganze Papierkrieg ist reine Zeitverschwendung, zudem habe ich immer fest an mein Recht geglaubt, alles tun zu dürfen, von dem man mich nicht abhalten kann. Was manchmal auch beinhaltet, sich einfach nicht erwischen zu lassen. Das ist aber nicht so schlimm, wie es sich anhört, denn im Grunde genommen bin ich ein liebenswerter, umgänglicher, freundlicher junger Mann. Daher beschattete ich meine Augen vor dem gnadenlosen Licht des Nachmittags und suchte nach Argumenten, die Behörden von der Harmlosigkeit dessen zu überzeugen, was ich hier unternahm. Lügen, überlegte ich, war wahrscheinlich das beste.

Das Fahrzeug landete, und zwei Männer stiegen aus. Ihr Erscheinen entsprach nicht gerade dem, was ich normalerweise als offiziell bezeichnet hätte, aber ein wenig Freundlichkeit kann nie schaden, und deshalb erhob ich mich, um sie zu begrüßen. Der erste Mann hatte ungefähr meine Größe – war also etwa einen Meter achtzig groß, aber kräftig gebaut und hatte schon den Ansatz einer Wampe. Sein Haar und seine Augen waren hell, er hatte einen leichten Sonnenbrand und schwitzte außerordentlich. Sein Gefährte war kleiner, mehr von der Sonne gebräunt und hatte einen dichten, dunklen Haarschopf, den er sich aus dem Gesicht strich, als er auf mich zukam. Er war kräftig und machte einen durchtrainierten Eindruck. Beide trugen eher Stadtals Wanderschuhe, und auch der fehlende Kopfschutz fiel mir sofort als außergewöhnlich auf.

„Sind Sie Fred Cassidy?“ fragte der erste Mann, der mit wenigen raschen Schritten bei mir war, sich dann aber mehr für die Wand und meine Ausrüstung zu interessieren schien.

„Ja“, sagte ich. „Das bin ich.“

Er holte ein überraschend feines Taschentüchlein hervor, mit dem er sich das Gesicht abtupfte.

„Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?“ fragte er.

„Ich suche nach nichts Speziellem“, sagte ich.

Er kicherte. „Sie scheinen aber jede Menge Arbeit in diese Suche nach nichts Speziellem zu investieren.“

„Das ist lediglich eine Probegrabung“, sagte ich ihm.

„Wonach graben Sie denn?“

„Wie wäre es denn, wenn Sie mir erst einmal sagen würden, wer Sie sind und weshalb Sie das wissen wollen?“

Er ignorierte meine Frage und ging zu meiner Grabungsstätte. Er schritt daran entlang, blieb hin und wieder auch stehen, um hinunterzuspähen. Während er das tat, ging der andere Mann zu meinem Zelt hinüber. Ich stieß einen Schrei aus, als er sich meinen Rucksack schnappte, aber er kippte ihn trotzdem aus.

Als ich ihn erreichte, machte er sich gerade an meinem Beutel mit Waschutensilien zu schaffen. Ich hielt seinen Arm fest, aber er schüttelte mich ab. Als ich es noch einmal versuchte, stieß er mich weg, und ich stolperte. Noch bevor ich auf dem Boden aufschlug, wußte ich, das waren keine Bullen.

Anstatt zur nächsten Runde wieder aufzustehen, blieb ich liegen und trat zu; mein Absatz beförderte ihn nun seinerseits kopfüber hinunter. Es war nicht ganz so spektakulär wie damals, als ich Paul Byler in den Unterleib getreten hatte, aber ich fand es trotzdem noch recht zufriedenstellend. Dann schnellte ich sofort wieder auf die Beine und knallte ihm eine deftige Linke unter das Kinn. Er brach zusammen und rührte sich nicht mehr. Nicht schlecht für einen einzigen Hieb. Wenn ich das auch ohne einen Stein in meiner geschlossenen Faust schaffen würde, dann könnte ich blankes Entsetzen verbreiten.

Mein Triumph dauerte allerdings nur wenige Sekunden. Dann wurde mir ein Sack voll Kanonenkugeln auf den Rücken gehauen. Zumindest fühlte es sich so an. Ich wurde in sehr unsportlicher Weise von hinten angegriffen. Der Schwergewichtige war wesentlich behender als seine Erscheinung einem das glauben machen wollte. Als er nun meinen Arm umdrehte und sich mit seiner anderen Hand in meinem Haar festkrallte, da erkannte ich, daß nur ein sehr geringer Prozentsatz seiner Masse aus nonfunktionellem Fettgewebe bestand.