Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.
Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,
Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor,
Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung;
Unwillig sieht man den Genuß entfernt
In späte Zeit, den man so nah' geglaubt.
Prinzessinn.
Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge,
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.
Nur durch die Gunst der Musen schließen sich
So viele Reime fest in eins zusammen;
Und seine Seele hegt nur diesen Trieb
Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen.
Er will nicht Mährchen über Mährchen häufen,
Die reitzend unterhalten und zuletzt
Wie lose Worte nur verklingend täuschen.
Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit
Von einem guten Werke nicht das Maß;
Und wenn die Nachwelt mit genießen soll,
So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.
Alphons.
Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken,
Wie wir zu beyder Vortheil oft gethan!
Wenn ich zu eifrig bin, so lindre du:
Und bist du zu gelind, so will ich treiben.
Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht
Am Ziel, wo wir ihn lang' gewünscht zu sehn.
Dann soll das Vaterland, es soll die Welt
Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden.
Ich nehme meinen Theil des Ruhms davon,
Und er wird in das Leben eingeführt.
Ein edler Mensch kann einem engen Kreise
Nicht seine Bildung danken. Vaterland
Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel
Muß er ertragen lernen. Sich und andre
Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn
Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.
Es will der Feind — es darf der Freund nicht schonen:
Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,
Fühlt was er ist und fühlt sich bald ein Mann.
Leonore.
So wirst du, Herr, für ihn noch alles thun,
Wie du bisher für ihn schon viel gethan.
Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
O daß er sein Gemüth wie seine Kunst
An deinen Lehren bilde! Daß er nicht
Die Menschen länger meide, daß sein Argwohn
Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß verwandle!
Alphons.
Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt,
Und wer sie meidet wird sie bald verkennen.
Das ist sein Fall, und so wird nach und nach
Ein frey Gemüth verworren und gefesselt.
So ist er oft um meine Gunst besorgt
Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele
Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher,
Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja
Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter
Aus seinem Dienst in einen andern geht,
Daß ein Papier aus seinen Händen kommt,
Gleich sieht er Absicht, sieht Verrätherey
Und Tücke die sein Schicksal untergräbt.
Prinzessinn.
Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen
Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann.
Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte,
Sich einen Fuß beschädigte, wir würden
Doch lieber langsam gehn und unsre Hand
Ihm gern und willig leihen?
Alphons. Besser wär's,
Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich
Auf treuen Rath des Arztes eine Cur
Versuchten, dann mit dem Geheilten froh
Den neuen Weg des frischen Lebens gingen.
Doch hoff' ich, meine Lieben, daß ich nie
Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade.
Ich thue was ich kann um Sicherheit
Und Zutraun seinem Busen einzuprägen.
Ich geb' ihm oft in Gegenwart von Vielen
Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt
Er sich bey mir, so laß ich's untersuchen;
Wie ich es that, als er sein Zimmer neulich
Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken,
So zeig' ich ihm gelassen, wie ich's sehe;
Und da man alles üben muß, so üb' ich,
Weil er's verdient, an Tasso die Geduld:
Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bey.
Ich hab' euch nun auf's Land gebracht und gehe
Heut' Abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet
Auf einen Augenblick Antonio sehen,
Er kommt von Rom und hohlt mich ab. Wir haben
Viel auszureden, abzuthun. Entschlüsse
Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben,
Das alles nöthigt mich zur Stadt zurück.
Prinzessinn.
Erlaubst du uns daß wir dich hinbegleiten?
Alphons.
Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen
Hinüber nach Consandoli! Genießt
Der schönen Tage ganz nach freyer Lust.
Prinzessinn.
Du kannst nicht bey uns bleiben? die Geschäfte
Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?
Leonore.
Du führst uns gleich Antonio hinweg,
Der uns von Rom so viel erzählen sollte?
Alphons.
Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme
Mit ihm so bald als möglich ist, zurück:
Dann soll er euch erzählen und ihr sollt
Mir ihn belohnen helfen, der so viel
In meinem Dienst aufs neue sich bemüht.
Und haben wir uns wieder ausgesprochen,
So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig
In unsern Gärten werde, daß auch mir,
Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen
Wenn ich sie suche gern begegnen mag.
Leonore.
Wir wollen freundlich durch die Finger sehen.
Alphons.
Dagegen wißt ihr daß ich schonen kann.
Prinzessinn nach der Scene gekehrt.
Schon lange seh' ich Tasso kommen. Langsam
Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen
Auf einmal still, wie unentschlossen, geht
Dann wieder schneller auf uns los, und weilt
Schon wieder.
Alphons. Stört ihn, wenn er denkt und dichtet,
In seinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln.
Leonore.
Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher.
Dritter Auftritt
Die Vorigen. Tasso.
Tasso mit einem Buche in Pergament geheftet.
Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen,
Und zaudre noch es dir zu überreichen.
Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet,
Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte.
Allein, war ich besorgt es unvollkommen
Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun
Die neue Sorge: Mocht' ich doch nicht gern
Zu ängstlich, möcht' ich nicht undankbar scheinen.
Und wie der Mensch nur sagen kann: Hier bin ich!
Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen:
So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!
Er übergibt den Band.
Alphons.
Du überraschest mich mit deiner Gabe
Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest.
So halt' ich's endlich denn in meinen Händen,
Und nenn' es in gewissem Sinne mein!
Lang' wünscht' ich schon, du möchtest dich entschließen
Und endlich sagen: Hier! es ist genug.