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So hofft' ich selbst, nun seh' ich wohl umsonst.

Der Zwist von heute, sey er wie er sey,

Ist beyzulegen; doch das sichert uns

Nicht für die Zukunft, für den Morgen nicht.

Es wär' am besten, dächt' ich, Tasso reis'te

Auf eine Zeit von hier; er könnte ja

Nach Rom, auch nach Florenz sich wenden; dort

Träf' ich in wenig Wochen ihn, und könnte

Auf sein Gemüth als eine Freundinn wirken.

Du würdest hier indessen den Antonio,

Der uns so fremd geworden, dir auf's neue

Und deinen Freunden näher bringen; so

Gewährte das, was itzt unmöglich scheint,

Die gute Zeit vielleicht, die vieles gibt.

Prinzessinn.

Du willst dich in Genuß, o Freundinn, setzen,

Ich soll entbehren; heißt das billig seyn?

Leonore.

Entbehren wirst du nichts, als was du doch

In diesem Falle nicht genießen könntest.

Prinzessinn.

So ruhig soll ich einen Freund verbannen?

Leonore.

Erhalten, den du nur zum Schein verbannst.

Prinzessinn.

Mein Bruder wird ihn nicht mit Willen lassen.

Leonore.

Wenn er es sieht wie wir, so gibt er nach.

Prinzessinn.

Es ist so schwer, im Freunde sich verdammen.

Leonore.

Und dennoch rettest du den Freund in dir.

Prinzessinn.

Ich gebe nicht mein Ja, daß es geschehe.

Leonore.

So warte noch ein größres Übel ab.

Prinzessinn.

Du peinigst mich, und weißt nicht ob du nützest.

Leonore.

Wir werden bald entdecken, wer sich irrt.

Prinzessinn.

Und soll es seyn, so frage mich nicht länger.

Leonore.

Wer sich entschließen kann, besiegt den Schmerz.

Prinzessinn.

Entschlossen bin ich nicht, allein es sey,

Wenn er sich nicht auf lange Zeit entfernt -

Und laß uns für ihn sorgen, Leonore,

Daß er nicht etwa künftig Mangel leide,

Daß ihm der Herzog seinen Unterhalt

Auch in der Ferne willig reichen lasse.

Sprich mit Antonio, denn er vermag

Bey meinem Bruder viel, und wird den Streit

Nicht unserm Freund und uns gedenken wollen.

Leonore.

Ein Wort von dir, Prinzessinn, gälte mehr.

Prinzessinn.

Ich kann, du weißt es, meine Freundinn, nicht

Wie's meine Schwester von Urbino kann,

Für mich und für die Meinen was erbitten.

Ich lebe gern so stille vor mich hin,

Und nehme von dem Bruder dankbar an,

Was er mir immer geben kann und will.

Ich habe sonst darüber manchen Vorwurf

Mir selbst gemacht, nun hab' ich überwunden.

Es schalt mich eine Freundinn oft darum:

Du bist uneigennützig, sagte sie,

Das ist recht schön; allein du bist's so sehr,

Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde

Nicht recht empfinden kannst. Ich laß es gehn,

Und muß denn eben diesen Vorwurf tragen.

Um desto mehr erfreut es mich, daß ich

Nun in der That dem Freunde nützen kann;

Es fällt mir meiner Mutter Erbschaft zu,

Und gerne will ich für ihn sorgen helfen.

Leonore.

Und ich, o Fürstinn, finde mich im Falle,

Daß ich als Freundinn auch mich zeigen kann.

Er ist kein guter Wirth; wo es ihm fehlt,

Werd' ich ihm schon geschickt zu helfen wissen.

Prinzessinn.

So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren,

Vor allen andern sey er dir gegönnt!

Ich seh' es wohl, so wird es besser seyn.

Muß ich denn wieder diesen Schmerz als gut

Und heilsam preisen? Das war mein Geschick

Von Jugend auf, ich bin nun dran gewöhnt.

Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks,

Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten.

Leonore.

Ich hoffe, dich so schön du es verdienst

Glücklich zu sehn!

Prinzessinn. Eleonore! Glücklich?

Wer ist denn glücklich? — Meinen Bruder zwar

Möcht' ich so nennen, denn sein großes Herz

Trägt sein Geschick mit immer gleichem Muth;

Allein was er verdient, das ward ihm nie.

Ist meine Schwester von Urbino glücklich?

Das schöne Weib, das edle große Herz!

Sie bringt dem jüngern Manne keine Kinder;

Er achtet sie, und läßt sie's nicht entgelten,

Doch keine Freude wohnt in ihrem Haus.

Was half denn unsrer Mutter ihre Klugheit?

Die Kenntniß jeder Art, ihr großer Sinn?

Konnt' er sie vor dem fremden Irrthum schützen?

Man nahm uns von ihr weg; nun ist sie todt,

Sie ließ uns Kindern nicht den Trost, daß sie

Mit ihrem Gott versöhnt gestorben sey.

Leonore.

O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt,

Betrachte, was noch einem jeden bleibt!

Was bleibt nicht Dir, Prinzessinn?

Prinzessinn. Was mir bleibt?

Geduld, Eleonore! Üben konnt' ich die

Von Jugend auf. Wenn Freunde, wenn Geschwister

Bey Fest und Spiel gesellig sich erfreuten,

Hielt Krankheit mich auf meinem Zimmer fest,

Und in Gesellschaft mancher Leiden mußt'

Ich früh entbehren lernen. Eines war,

Was in der Einsamkeit mich schön ergetzte,

Die Freude des Gesangs; ich unterhielt

Mich mit mir selbst, ich wiegte Schmerz und Sehnsucht

Und jeden Wunsch mit leisen Tönen ein.

Da wurde Leiden oft Genuß, und selbst

Das traurige Gefühl zur Harmonie.

Nicht lang' war mir dieß Glück gegönnt, auch dieses

Nahm mir der Arzt hinweg; sein streng Geboth

Hieß mich verstummen; leben sollt' ich, leiden,

Den einz'gen kleinen Trost sollt' ich entbehren.

Leonore.

So viele Freunde fanden sich zu dir,

Und nun bist du gesund, bist lebensfroh.

Prinzessinn.

Ich bin gesund, das heißt, ich bin nicht krank;

Und manche Freunde hab' ich, deren Treue

Mich glücklich macht. Auch hatt' ich einen Freund —

Leonore.

Du hast ihn noch.

Prinzessinn. Und werd' ihn bald verlieren.

Der Augenblick, da ich zuerst ihn sah,

War viel bedeutend. Kaum erholt' ich mich

Von manchen Leiden; Schmerz und Krankheit waren

Kaum erst gewichen: still bescheiden blickt' ich

In's Leben wieder, freute mich des Tags

Und der Geschwister wieder, sog beherzt

Der süßen Hoffnung reinsten Balsam ein.

Ich wagt' es vorwärts in das Leben weiter

Hinein zu sehn, und freundliche Gestalten

Begegneten mir aus der Ferne. Da,

Eleonore, stellte mir den Jüngling

Die Schwester vor; er kam an ihrer Hand,

Und, daß ich dir's gestehe, da ergriff

Ihn mein Gemüth und wird ihn ewig halten.

Leonore.

O meine Fürstinn, laß dich's nicht gereuen!

Das Edle zu erkennen, ist Gewinst,

Der nimmer uns entrissen werden kann.

Prinzessinn.

Zu fürchten ist das Schöne das Fürtreffliche,

Wie eine Flamme, die so herrlich nützt,

So lange sie auf deinem Herde brennt,

So lang' sie dir von einer Fackel leuchtet,

Wie hold! wer mag, wer kann sie da entbehren?

Und frißt sie ungehütet um sich her,

Wie elend kann sie machen! Laß mich nun.

Ich bin geschwätzig, und verbärge besser

Auch selbst vor dir, wie schwach ich bin und krank.

Leonore.

Die Krankheit des Gemüthes löset sich

In Klagen und Vertraun am leicht'sten auf

Prinzessinn.

Wenn das Vertrauen heilt, so heil' ich bald;

Ich hab' es rein und hab' es ganz zu dir.

Ach, meine Freundinn! Zwar ich bin entschlossen,

Er scheide nur! allein ich fühle schon

Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn

Ich nun entbehren soll, was mich erfreute.

Die Sonne hebt von meinen Augenliedern

Nicht mehr sein schön verklärtes Traumbild auf,

Die Hoffnung ihn zu sehen füllt nicht mehr

Den kaum erwachten Geist mit froher Sehnsucht;

Mein erster Blick hinab in unsre Gärten

Sucht ihn vergebens in dem Thau der Schatten.

Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch

Mit ihm zu seyn an jedem heitern Abend!

Wie mehrte sich im Umgang das Verlangen

Sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn,

Und täglich stimmte das Gemüth sich schöner

Zu immer reinern Harmonien auf.

Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein!

Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl

Des hohen Tags, der tausendfachen Welt

Glanzreiche Gegenwart, ist öd' und tief

Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt.

Sonst war mir jeder Tag ein ganzes Leben;

Die Sorge schwieg, die Ahndung selbst verstummte,

Und glücklich eingeschifft trug uns der Strom

Auf leichten Wellen ohne Ruder hin:

Nun überfällt in trüber Gegenwart

Der Zukunft Schrecken heimlich meine Brust.

Leonore.