Antonio.
Und von der Gunst der Frauen sagst du nichts,
Die willst du mir doch nicht entbehrlich schildern?
Leonore.
Wie man es nimmt. Denn du entbehrst sie nicht,
Und leichter wäre sie dir zu entbehren,
Als sie es jenem guten Mann nicht ist.
Denn sag', geläng' es einer Frau, wenn sie
Nach ihrer Art für dich zu sorgen dächte,
Mit dir sich zu beschäft'gen unternähme?
Bey dir ist alles Ordnung, Sicherheit;
Du sorgst für dich, wie du für andre sorgst,
Du hast, was man dir geben möchte. Jener
Beschäftigt uns in unserm eignen Fache.
Ihm fehlt's an tausend Kleinigkeiten, die
Zu schaffen eine Frau sich gern bemüht.
Das schönste Leinenzeug, ein seiden Kleid
Mit etwas Stickerey, das trägt er gern.
Er sieht sich gern geputzt, vielmehr, er kann
Unedlen Stoff, der nur den Knecht bezeichnet,
An seinem Leib nicht dulden, alles soll
Ihm fein und gut und schön und edel stehn.
Und dennoch hat er kein Geschick, das alles
Sich anzuschaffen, wenn er es besitzt,
Sich zu erhalten; immer fehlt es ihm
An Geld, an Sorgsamkeit, bald läßt er da
Ein Stück, bald eines dort. Er kehret nie
Von einer Reise wieder, daß ihm nicht
Ein Drittheil seiner Sachen fehle. Bald
Bestiehlt ihn der Bediente. So, Antonio,
Hat man für ihn das ganze Jahr zu sorgen.
Antonio.
Und diese Sorge macht ihn lieb und lieber.
Glücksel'ger Jüngling, dem man seine Mängel
Zur Tugend rechnet, dem so schön vergönnt ist,
Den Knaben noch als Mann zu spielen, der
Sich seiner holden Schwäche rühmen darf!
Du müßtest mir verzeihen, schöne Freundinn,
Wenn ich auch hier ein wenig bitter würde.
Du sagst nicht alles, sagst nicht was er wagt,
Und daß er klüger ist, als wie man denkt.
Er rühmt sich zweyer Flammen! knüpft und lös't
Die Knoten hin und wieder, und gewinnt
Mit solchen Künsten solche Herzen! Ist's
Zu glauben?
Leonore. Gut! Selbst das beweis't ja schon,
Daß es nur Freundschaft ist, was uns belebt.
Und wenn wir denn auch Lieb' um Liebe tauschten,
Belohnten wir das schöne Herz nicht billig,
Das ganz sich selbst vergißt, und hingegeben
Im holden Traum für seine Freunde lebt?
Antonio.
Verwöhnt ihn nur und immer mehr und mehr,
Laßt seine Selbstigkeit für Liebe gelten,
Beleidigt alle Freunde, die sich euch
Mit treuer Seele widmen, gebt dem Stolzen
Freywilligen Tribut, zerstöret ganz
Den schönen Kreis geselligen Vertrauns!
Leonore.
Wir sind nicht so parteyisch wie du glaubst,
Ermahnen unsern Freund in manchen Fällen;
Wir wünschen ihn zu bilden, daß er mehr
Sich selbst genieße, mehr sich zu genießen
Den andern geben könne. Was an ihm
Zu tadeln ist, das bleibt uns nicht verborgen.
Antonio.
Doch lobt ihr vieles, was zu tadeln wäre.
Ich kenn' ihn lang, er ist so leicht zu kennen,
Und ist zu stolz sich zu verbergen. Bald
Versinkt er in sich selbst, als wäre ganz
Die Welt in seinem Busen, er sich ganz
In seiner Welt genug, und alles rings
Umher verschwindet ihm. Er läßt es gehn,
Läßt's fallen, stößt's hinweg und ruht in sich -
Auf einmal, wie ein unbemerkter Funke
Die Mine zündet, sey es Freude, Leid,
Zorn oder Grille, heftig bricht er aus:
Dann will er Alles fassen, Alles halten,
Dann soll geschehn, was er sich denken mag',
In einem Augenblicke soll entstehn,
Was Jahre lang bereitet werden sollte,
In einem Augenblick gehoben seyn,
Was Mühe kaum in Jahren lösen könnte.
Er fordert das Unmögliche von sich,
Damit er es von andern fordern dürfe.
Die letzten Enden aller Dinge will
Sein Geist zusammen fassen; das gelingt
Kaum Einem unter Millionen Menschen,
Und er ist nicht der Mann: er fällt zuletzt,
Um nichts gebessert, in sich selbst zurück.
Leonore.
Er schadet andern nicht, er schadet sich.
Antonio.
Und doch verletzt er andre nur zu sehr.
Kannst du es läugnen, daß im Augenblick
Der Leidenschaft, die ihn behend ergreift,
Er auf den Fürsten, auf die Fürstinn selbst,
Auf wen es sey, zu schmähn, zu lästern wagt?
Zwar augenblicklich nur, allein genug
Der Augenblick kommt wieder: er beherrscht
So wenig seinen Mund als seine Brust.
Leonore.
Ich sollte denken, wenn er sich von hier
Auf eine kurze Zeit entfernte, sollt,
Es wohl für ihn und andre nützlich seyn.
Antonio.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch eben jetzt
Ist nicht daran zu denken. Denn ich will
Den Fehler nicht auf meine Schultern laden;
Es könnte scheinen, daß ich ihn vertreibe,
Und ich vertreib' ihn nicht. Um meinetwillen
Kann er an unserm Hofe ruhig bleiben;
Und wenn er sich mit mir versöhnen will,
Und wenn er meinen Rath befolgen kann,
So werden wir ganz leidlich leben können.
Leonore.
Nun hoffst du selbst auf ein Gemüth zu wirken,
Das dir vor kurzem noch verloren schien.
Antonio.
Wir hoffen immer, und in allen Dingen
Ist besser hoffen als verzweifeln. Denn
Wer kann das Mögliche berechnen? Er
Ist unserm Fürsten werth. Er muß uns bleiben.
Und bilden wir dann auch umsonst an ihm,
So ist er nicht der einz'ge, den wir dulden.
Leonore.
So ohne Leidenschaft, so unparteyisch
Glaubt' ich dich nicht. Du hast dich schnell bekehrt.
Antonio.
Das Alter muß doch Einen Vorzug haben,
Daß, wenn es auch dem Irrthum nicht entgeht,
Es doch sich auf der Stelle fassen kann.
Du warst, mich deinem Freunde zu versöhnen,
Zuerst bemüht. Nun bitt' ich es von dir.
Thu' was du kannst, daß dieser Mann sich finde,
Und alles wieder bald im Gleichen sey.
Ich gehe selbst zu ihm, so bald ich nur
Von dir erfahre, daß er ruhig ist,
So bald du glaubst, daß meine Gegenwart
Das Übel nicht vermehrt. Doch was du thust,
Das thu' in dieser Stunde; denn es geht
Alphons heut' Abend noch zurück, und ich
Werd' ihn begleiten. Leb' indessen wohl.
Fünfter Auftritt
Leonore allein.
Für dießmal, lieber Freund, sind wir nicht eins,
Mein Vortheil und der deine gehen heut
Nicht Hand in Hand. Ich nütze diese Zeit
Und suche Tasso zu gewinnen. Schnell!
Vierter Aufzug
Erster Auftritt
Zimmer.
Tasso allein.
Bist du aus einem Traum erwacht, und hat
Der schöne Trug auf einmal dich verlassen?
Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust
Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun
Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja,
Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin,
Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten?
Die Tage, wo dein Geist mit freyer Sehnsucht
Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang?
Und dennoch lebst du noch, und fühlst dich an,
Du fühlst dich an, und weißt nicht ob du lebst.
Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld,
Daß ich mich nun als schuldig hier befinde?
Hab, ich verbrochen, daß ich leiden soll?
Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst?
Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen,
Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt:
Der sey ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt.
Ich ging mit off'nen Armen auf ihn los,
Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust.
O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht,
Wie ich den Mann empfangen wollte, der
Von alten Zeiten mir verdächtig war!
Allein was immer dir begegnet sey,
So halte dich an der Gewißheit fest:
Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir!
Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen!
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht
Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück,
Und hob mein Geist sich da zu schnell empor,
Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen
Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt,
So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst
Auf ewig das Geschick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und folgte froh
Dem Winke, der mich in's Verderben rief.
Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt
Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt,
In dieser Stunde selbst erquickt, die mir
Die schwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltsam öffnet. — Ja, nun ist's gethan!