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Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst

Auf einmal unter; seinen holden Blick

Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier

Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn.

Das häßliche zweydeutige Geflügel,

Das leidige Gefolg' der alten Nacht,

Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt.

Wohin, wohin beweg' ich meinen Schritt?

Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaußt,

Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt?

Zweiter Auftritt

Leonore. Tasso.

Leonore.

Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat

Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben?

Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt.

Und deine Sanftmuth, dein gefällig Wesen,

Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand,

Mit dem du jedem gibst was ihm gehört,

Dein Gleichmuth, der erträgt, was zu ertragen

Der Edle bald, der Eitle selten lernt,

Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe? -

Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.

Tasso.

Und wenn das alles nun verloren wäre?

Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt,

Auf einmal du als einen Bettler fändest?

Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst,

Und bin's doch noch so gut als wie ich's war.

Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins.

Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut,

Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein

Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage

Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin.

Ich bin vom Glanz des Tages überschienen,

Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.

Leonore.

Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht

Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir.

Hat die Beleidigung des schroffen Mann's

Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns

So ganz verkennen magst? Vertraue mir.

Tasso.

Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst

Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe.

Die Knoten vieler Worte lös't das Schwert

Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen.

Du weißt wohl kaum — erschrick nicht, zarte Freundinn -

Du triffst den Freund in einem Kerker an.

Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler.

Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.

Leonore.

Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.

Tasso.

Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind,

Daß solch ein Fall mich gleich zerrütten könne?

Das was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief,

Allein das kränkt mich, was es mir bedeutet.

Laß meine Neider meine Feinde nur

Gewähren! Frey und offen ist das Feld.

Leonore.

Du hast gar manchen fälschlich in Verdacht,

Ich habe selbst mich überzeugen können.

Und auch Antonio feindet dich nicht an,

Wie du es wähnst. Der heutige Verdruß —

Tasso.

Den laß ich ganz bey Seite, nehme nur

Antonio wie er war und wie er bleibt.

Verdrießlich fiel mir stets die steife Klugheit,

Und daß er immer nur den Meister spielt.

Anstatt zu forschen, ob des Hörers Geist

Nicht schon für sich auf guten Spuren wandle,

Belehrt er dich von manchem, das du besser

Und tiefer fühltest, und vernimmt kein Wort,

Das du ihm sagst, und wird dich stets verkennen.

Verkannt zu seyn, verkannt von einem Stolzen,

Der lächelnd dich zu übersehen glaubt!

Ich bin so alt noch nicht und nicht so klug,

Daß ich nur duldend gegenlächeln sollte.

Früh oder spat, es konnte sich nicht halten,

Wir mußten brechen; später wär' es nur,

Um desto schlimmer worden. Einen Herrn

Erkenn' ich nur, den Herrn der mich ernährt,

Dem folg' ich gern, sonst will ich keinen Meister.

Frey will ich seyn im Denken und im Dichten,

Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.

Leonore.

Er spricht mit Achtung oft genug von dir.

Tasso.

Mit Schonung willst du sagen, fein und klug.

Und das verdrießt mich eben; denn er weiß

So glatt und so bedingt zu sprechen, daß

Sein Lob erst recht zum Tadel wird, und daß

Nichts mehr, nichts tiefer dich verletzt, als Lob

Aus seinem Munde.

Leonore. Möchtest du, mein Freund

Vernommen haben, wie er sonst von dir

Und dem Talente sprach, das dir vor vielen

Die gütige Natur verlieh. Er fühlt gewiß,

Das was du bist und hast, und schätzt es auch.

Tasso.

O glaube mir, ein selbstisches Gemüth

Kann nicht der Qual des engen Neid's entfliehen.

Ein solcher Mann verzeiht dem andern wohl

Vermögen, Stand und Ehre; denn er denkt,

Das hast du selbst, das hast du wenn du willst,

Wenn du beharrst, wenn dich das Glück begünstigt.

Doch das, was die Natur allein verleiht,

Was jeglicher Bemühung, jedem Streben

Stets unerreichbar bleibt, was weder Gold,

Noch Schwert, noch Klugheit, noch Beharrlichkeit

Erzwingen kann, das wird er nie verzeihn.

Er gönnt es mir? Er, der mit steifem Sinn

Die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt?

Der, wenn er die Gedanken mancher Dichter

Zusammenreiht, sich selbst ein Dichter scheint?

Weit eher gönnt er mir des Fürsten Gunst,

Die er doch gern auf sich beschränken möchte,

Als das Talent, das jene Himmlischen

Dem armen, dem verwais'ten Jüngling gaben.

Leonore.

O sähest du so klar, wie ich es sehe!

Du irrst dich über ihn, so ist er nicht.

Tasso.

Und irr' ich mich an ihm, so irr' ich gern!

Ich denk' ihn mir als meinen ärgsten Feind,

Und wär' untröstlich, wenn ich mir ihn nun

Gelinder denken müßte. Thöricht ist's

In allen Stücken billig seyn; es heißt

Sein eigen Selbst zerstören. Sind die Menschen

Denn gegen uns so billig? Nein, o nein!

Der Mensch bedarf in seinem engen Wesen

Der doppelten Empfindung, Lieb' und Haß.

Bedarf er nicht der Nacht als wie des Tag's?

Des Schlafens wie des Wachens? Nein, ich muß

Von nun an diesen Mann als Gegenstand,

Von meinem tiefsten Haß behalten; nichts

Kann mir die Lust entreißen schlimm und schlimmer

Von ihm zu denken.

Leonore. Willst du, theurer Freund

Von deinem Sinn nicht lassen, seh' ich kaum,

Wie du am Hofe länger bleiben willst.

Du weißt, wie viel er gilt und gelten muß.

Tasso.

Wie sehr ich lang', o schöne Freundinn, hier

Schon überflüssig bin, das weiß ich wohl.

Leonore.

Das bist du nicht, das kannst du nimmer werden!

Du weißt vielmehr, wie gern der Fürst mit dir,

Wie gern die Fürstinn mit dir lebt; und kommt

Die Schwester von Urbino, kommt sie fast

So sehr um dein't- als der Geschwister willen.

Sie denken alle gut und gleich von dir,

Und jegliches vertraut dir unbedingt.

Tasso.

O Leonore, welch Vertraun ist das?

Hat er von seinem Staate je ein Wort,

Ein ernstes Wort mit mir gesprochen? Kam

Ein eigner Fall, worüber er sogar

In meiner Gegenwart mit seiner Schwester,

Mit andern sich berieth, mich fragt' er nie.

Da hieß es immer nur: Antonio kommt!

Man muß Antonio schreiben! fragt Antonio!

Leonore.

Du klagst anstatt zu danken. Wenn er dich

In unbedingter Freyheit lassen mag,

So ehrt er dich, wie er dich ehren kann.

Tasso.

Er läßt mich ruhn, weil er mich unnütz glaubt.

Leonore.

Du bist nicht unnütz, eben weil du ruhst.

So lange hegst du schon Verdruß und Sorge,

Wie ein geliebtes Kind, an deiner Brust.

Ich hab' es oft bedacht, und mag's bedenken

Wie ich es will, auf diesem schönen Boden,

Wohin das Glück dich zu verpflanzen schien,

Gedeihst du nicht. O Tasso! — rath' ich dir's?

Sprech' ich es aus? — Du solltest dich entfernen!

Tasso.

Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt!

Reich' ihm das Mittel, denke nicht daran,

Ob's bitter sey. — Ob er geneßen könne,

Das überlege wohl, o kluge, gute Freundinn!

Ich seh' es alles selbst, es ist vorbey!

Ich kann ihm wohl verzeihen, er nicht mir;

Und sein bedarf man, leider! meiner nicht.

Und er ist klug, und leider! bin ich's nicht.

Er wirkt zu meinem Schaden, und ich kann,

Ich mag nicht gegenwirken. Meine Freunde

Sie lassen's gehn, sie sehen's anders an,

Sie widerstreben kaum, und sollten kämpfen.

Du glaubst, ich soll hinweg, ich glaub' es selbst -

So lebt denn wohl! ich werd' auch das ertragen.

Ihr seyd von mir geschieden — werd' auch mir

Von euch zu scheiden, Kraft und Muth verliehn!

Leonore.

Ach in der Ferne zeigt sich alles reiner,

Was in der Gegenwart uns nur verwirrt.