Ich kenne meine Pflicht und gebe nach.
Es sey verziehn, so fern es möglich ist!
Die Dichter sagen uns von einem Speer,
Der eine Wunde, die er selbst geschlagen,
Durch freundliche Berührung heilen konnte.
Es hat des Menschen Zunge diese Kraft;
Ich will ihr nicht gehässig widerstehn.
Antonio.
Ich danke dir, und wünsche, daß du mich
Und meinen Willen dir zu dienen gleich
Vertraulich prüfen mögest. Sage mir,
Kann ich dir nützlich seyn? Ich zeig' es gern:
Tasso.
Du biethest an was ich nur wünschen konnte.
Du brachtest mir die Freyheit wieder, nun
Verschaffe mir, ich bitte, den Gebrauch.
Antonio.
Was kannst du meinen? Sag' es deutlich an.
Tasso.
Du weißt, geendet hab' ich mein Gedicht;
Es fehlt noch viel, daß es vollendet wäre.
Heut überreicht' ich es dem Fürsten, hoffte
Zugleich ihm eine Bitte vorzutragen.
Gar viele meiner Freunde find' ich jetzt
In Rom versammelt; einzeln haben sie
Mir über manche Stellen ihre Meinung
In Briefen schon eröffnet; vieles hab' ich
Benutzen können, manches scheint mir noch
Zu überlegen; und verschiedne Stellen
Möcht' ich nicht gern verändern, wenn man mich
Nicht mehr, als es geschehn ist, überzeugt.
Das alles wird durch Briefe nicht gethan;
Die Gegenwart lös't diese Knoten bald.
So dacht' ich heut den Fürsten selbst zu bitten:
Ich fand nicht Raum; nun darf ich es nicht wagen,
Und hoffe diesen Urlaub nun durch dich.
Antonio.
Mir scheint nicht räthlich, daß du dich entfernst
In dem Moment, da dein vollendet Werk
Dem Fürsten und der Fürstinn dich empfiehlt.
Ein Tag der Gunst ist wie ein Tag der Ernde;
Man muß geschäftig seyn, sobald sie reift.
Entfernst du dich, so wirst du nichts gewinnen,
Vielleicht verlieren, was du schon gewannst.
Die Gegenwart ist eine mächt'ge Göttinn;
Lern' ihren Einfluß kennen, bleibe hier!
Tasso.
Zu fürchten hab' ich nichts; Alphons ist edel,
Stets hat er gegen mich sich groß gezeigt:
Und was ich hoffe, will ich seinem Herzen
Allein verdanken, keine Gnade mir
Erschleichen; nichts will ich von ihm empfangen,
Was ihn gereuen könnte daß er's gab.
Antonio.
So fordre nicht von ihm, daß er dich jetzt
Entlassen soll; er wird es ungern thun,
Und ich befürchte fast, er thut es nicht.
Tasso.
Er wird es gern, wenn recht gebethen wird,
Und du vermagst es wohl, sobald du willst.
Antonio.
Doch welche Gründe, sag' mir, leg' ich vor?
Tasso.
Laß mein Gedicht aus jeder Stanze sprechen:
Was ich gewollt ist löblich, wenn das Ziel
Auch meinen Kräften unerreichbar blieb.
An Fleiß und Mühe hat es nicht gefehlt.
Der heitre Wandel mancher schönen Tage,
Der stille Raum so mancher tiefen Nächte,
War einzig diesem frommen Lied geweiht.
Bescheiden hofft' ich jenen großen Meistern
Der Vorwelt mich zu nahen; kühn gesinnt
Zu edlen Thaten unsern Zeitgenossen
Aus einem langen Schlaf zu rufen, dann
Vielleicht mit einem edlen Christen-Heere,
Gefahr und Ruhm des heil'gen Kriegs zu theilen.
Und soll mein Lied die besten Männer wecken,
So muß es auch der besten würdig seyn.
Alphonsen bin ich schuldig was ich that,
Nun möcht' ich ihm auch die Vollendung danken.
Antonio.
Und eben dieser Fürst ist hier, mit andern,
Die dich so gut als Römer leiten können.
Vollende hier dein Werk, hier ist der Platz,
Und um zu wirken eile dann nach Rom.
Tasso.
Alphons hat mich zuerst begeistert, wird
Gewiß der letzte seyn, der mich belehrt.
Und deinen Rath, den Rath der klugen Männer,
Die unser Hof versammelt, schätz' ich hoch.
Ihr sollt entscheiden, wenn mich ja zu Rom
Die Freunde nicht vollkommen überzeugen.
Doch diese muß ich sehn. Gonzaga hat
Mir ein Gericht versammelt, dem ich erst
Mich stellen muß. Ich kann es kaum erwarten.
Flaminio de' Nobili, Angelio
Da Barga, Antoniano, und Speron Speroni!
Du wirst sie kennen. — Welche Namen sind's!
Vertraun und Sorge flößen sie zugleich
In meinen Geist, der gern sich unterwirft.
Antonio.
Du denkst nur dich und denkst den Fürsten nicht.
Ich sage dir, er wird dich nicht entlassen;
Und wenn er's thut, entläßt er dich nicht gern.
Du willst ja nicht verlangen, was er dir
Nicht gern gewähren mag. Und soll ich hier
Vermitteln, was ich selbst nicht loben kann?
Tasso.
Versagst du mir den ersten Dienst, wenn ich
Die angebothne Freundschaft prüfen will?
Antonio.
Die wahre Freundschaft zeigt sich im Versagen
Zur rechten Zeit, und es gewährt die Liebe
Gar oft ein schädlich Gut, wenn sie den Willen
Des Fordernden mehr als sein Glück bedenkt.
Du scheinest mir in diesem Augenblick
Für gut zu halten, was du eifrig wünschest,
Und willst im Augenblick, was du begehrst.
Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende,
Was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.
Es fordert meine Pflicht, so viel ich kann
Die Hast zu mäß'gen, die dich übel treibt.
Tasso.
Schon lange kenn' ich diese Tyranney
Der Freundschaft, die von allen Tyranneyen
Die unerträglichste mir scheint. Du denkst
Nur anders, und du glaubst deswegen
Schon recht zu denken. Gern erkenn' ich an,
Du willst mein Wohl; allein verlange nicht,
Daß ich auf deinem Weg es finden soll.
Antonio.
Und soll ich dir sogleich mit kaltem Blut,
Mit voller, klarer Überzeugung schaden?
Tasso.
Von dieser Sorge will ich dich befreyn!
Du hältst mich nicht mit diesen Worten ab.
Du hast mich frey erklärt, und diese Thüre
Steht mir nun offen, die zum Fürsten führt.
Ich lasse dir die Wahl. Du oder ich!
Der Fürst geht fort. Hier ist kein Augenblick
Zu harren. Wähle schnell! Wenn du nicht gehst,
So geh' ich selbst, und werd' es wie es will.
Antonio.
Laß mich nur wenig Zeit von dir erlangen,
Und warte nur des Fürsten Rückkehr ab!
Nur heute nicht!
Tasso. Nein, diese Stunde noch,
Wenn's möglich ist! Es brennen mir die Sohlen
Auf diesem Marmorboden; eher kann
Mein Geist nicht Ruhe finden, bis der Staub
Des freyen Wegs mich Eilenden umgibt.
Ich bitte dich! Du siehst, wie ungeschickt
In diesem Augenblick ich sey mit meinem Herrn
Zu reden; siehst — wie kann ich das verbergen -
Daß ich mir selbst in diesem Augenblick,
Mir keine Macht der Welt gebiethen kann.
Nur Fesseln sind es, die mich halten können!
Alphons ist kein Tyrann, er sprach mich frey.
Wie gern gehorcht' ich seinen Worten sonst!
Heut kann ich nicht gehorchen. Heute nur
Laßt mich in Freyheit, daß mein Geist sich finde!
Ich kehre bald zu meiner Pflicht zurück.
Antonio.
Du machst mich zweifelhaft. Was soll ich thun?
Ich merke wohl, es steckt der Irrthum an.
Tasso.
Soll ich dir glauben, denkst du gut für mich,
So wirke was ich wünsche, was du kannst.
Der Fürst entläßt mich dann, und ich verliere
Nicht seine Gnade, seine Hülfe nicht.
Das dank' ich dir, und will dir's gern verdanken;
Doch hegst du einen alten Groll im Busen,
Willst du von diesem Hofe mich verbannen,
Willst du auf ewig mein Geschick verkehren,
Mich hülflos in die weite Welt vertreiben,
So bleib' auf deinem Sinn und widersteh!
Antonio.
Weil ich dir doch, o Tasso, schaden soll,
So wähl' ich denn den Weg, den du erwählst.
Der Ausgang mag entscheiden wer sich irrt!
Du willst hinweg! Ich sag' es dir zuvor,
Du wendest diesem Hause kaum den Rücken,
So wird dein Herz zurück verlangen, wird
Dein Eigensinn dich vorwärts treiben: Schmerz,
Verwirrung, Trübsinn harr't in Rom auf dich,
Und du verfehlest hier und dort den Zweck.
Doch sag' ich dieß nicht mehr, um dir zu rathen;
Ich sage nur voraus, was bald geschieht,
Und lade dich auch schon im voraus ein,
Mir in dem schlimmsten Falle zu vertraun.
Ich spreche nun den Fürsten, wie du's forderst.
Fünfter Auftritt
Tasso allein.
Ja gehe nur, und gehe sicher weg,
Daß du mich überredest was du willst.
Ich lerne mich verstellen, denn du bist
Ein großer Meister und ich fasse leicht.
So zwingt das Leben uns zu scheinen, ja