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Zu seyn wie jene, die wir kühn und stolz

Verachten konnten. Deutlich seh' ich nun

Die ganze Kunst des höfischen Gewebes!

Mich will Antonio von hinnen treiben,

Und will nicht scheinen, daß er mich vertreibt.

Er spielt den Schonenden, den Klugen, daß

Man nur recht krank und ungeschickt mich finde,

Bestellet sich zum Vormund, daß er mich

Zum Kind erniedrige, den er zum Knecht

Nicht zwingen konnte. So umnebelt er

Die Stirn des Fürsten und der Fürstinn Blick.

Man soll mich halten, meint er; habe doch

Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt,

Doch leider habe sie mit manchen Schwächen

Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet,

Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner

Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn.

Es sey nicht anders, einmal habe nun

Den Einen Mann das Schicksal so gebildet,

Nun müsse man ihn nehmen wie er sey,

Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm

Was Freude bringen kann am guten Tage

Als unerwarteten Gewinst genießen,

Im übrigen, wie er geboren sey,

So müsse man ihn leben, sterben lassen.

Erkenn' ich noch Alphonsens festen Sinn?

Der Feinden trotzt und Freunde treulich schützt,

Erkenn' ich ihn, wie er nun mir begegnet?

Ja wohl erkenn' ich ganz mein Unglück nun!

Das ist mein Schicksal, daß nur gegen mich

Sich jeglicher verändert, der für andre fest

Und treu und sicher bleibt, sich leicht verändert

Durch einen Hauch, in einem Augenblick.

Hat nicht die Ankunft dieses Mann's allein

Mein ganz Geschick zerstört, in Einer Stunde?

Nicht dieser das Gebäude meines Glücks

Von seinem tiefsten Grund aus umgestürzt?

O muß ich das erfahren? Muß ich's heut?

Ja, wie sich alles zu mir drängte, läßt

Mich alles nun; wie jeder mich an sich

Zu reißen strebte, jeder mich zu fassen,

So stößt mich alles weg und meidet mich.

Und das warum? Und wiegt denn er allein

Die Schale meines Werths und aller Liebe,

Die ich so reichlich sonst besessen, auf?

Ja, alles flieht mich nun. Auch du! Auch du!

Geliebte Fürstinn, du entziehst dich mir.

In diesen trüben Stunden hat sie mir

Kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt.

Hab' ich's um sie verdient? — Du armes Herz,

Dem so natürlich war sie zu verehren! -

Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang

Ein unaussprechliches Gefühl die Brust!

Erblickt' ich sie, da ward das helle Licht

Des Tag's mir trüb'; unwiderstehlich zog

Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie

Erhielt sich kaum, und aller Kraft

Des Geist's bedurft' ich, aufrecht mich zu halten,

Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum

Vermocht' ich diesen Taumel zu zerstreun.

Hier halte fest, mein Herz! Du klarer Sinn,

Laß hier dich nicht umnebeln! Ja auch Sie!

Darf ich es sagen? und ich glaub' es kaum,

Ich glaub' es wohl, und möcht' es mir verschweigen.

Auch Sie! auch Sie! Entschuldige sie ganz,

Allein verbirg' dir's nicht: auch Sie! auch Sie!

O dieses Wort, an dem ich zweifeln sollte,

So lang' ein Hauch von Glauben in mir lebt,

Ja, dieses Wort, es gräbt sich, wie ein Schluß

Des Schicksals noch zuletzt am ehrnen Rande

Der vollgeschriebnen Qualentafel, ein.

Nun sind erst meine Feinde stark, nun bin ich

Auf ewig einer jeden Kraft beraubt.

Wie soll ich streiten, wenn Sie gegenüber

Im Heere steht? Wie soll ich duldend harren,

Wenn Sie die Hand mir nicht von ferne reicht?

Wenn nicht ihr Blick dem Flehenden begegnet?

Du hast's gewagt zu denken, hast's gesprochen,

Und es ist wahr, eh' du es fürchten konntest!

Und eh' nun die Verzweiflung deine Sinnen

Mit ehrnen Klauen aus einander reißt,

Ja, klage nur das bittre Schicksal an,

Und wiederhole nur, auch Sie! auch Sie!

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Garten.

Alphons. Antonio.

Antonio.

Auf deinen Wink ging ich das zweytemal

Zu Tasso hin, ich komme von ihm her.

Ich hab' ihm zugeredet, ja gedrungen;

Allein er geht von seinem Sinn nicht ab,

Und bittet sehnlich, daß du ihn nach Rom

Auf eine kurze Zeit entlassen mögest.

Alphons.

Ich bin verdrießlich, daß ich dir's gestehe,

Und lieber sag' ich dir, daß ich es bin,

Als daß ich den Verdruß verberg' und mehre.

Er will verreisen; gut, ich halt' ihn nicht:

Er will hinweg, er will nach Rom; es sey!

Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht,

Der kluge Medicis, ihn nicht entwende!

Das hat Italien so groß gemacht,

Daß jeder Nachbar mit dem andern streitet,

Die Bessern zu besitzen, zu benutzen.

Ein Feldherr ohne Heer scheint mir ein Fürst,

Der die Talente nicht um sich versammelt.

Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt,

Ist ein Barbar, er sey auch wer er sey.

Gefunden hab' ich diesen und gewählt,

Ich bin auf ihn als meinen Diener stolz,

Und da ich schon für ihn so viel gethan,

So möcht' ich ihn nicht ohne Noth verlieren.

Antonio.

Ich bin verlegen, denn ich trage doch

Vor dir die Schuld von dem, was heut geschah;

Auch will ich meinen Fehler gern gestehn,

Er bleibet deiner Gnade zu verzeihn:

Doch wenn du glauben könntest, daß ich nicht

Das Mögliche gethan ihn zu versöhnen,

So würd' ich ganz untröstlich seyn. O! sprich

Mit holdem Blick mich an, damit ich wieder

Mich fassen kann, mir selbst vertrauen mag.

Alphons.

Antonio, nein, da sey nur immer ruhig,

Ich schreib' es dir auf keine Weise zu;

Ich kenne nur zu gut den Sinn des Mannes,

Und weiß nur allzu wohl was ich gethan,

Wie sehr ich ihn geschont, wie sehr ich ganz

Vergessen, daß ich eigentlich an ihm

Zu fordern hätte. Über vieles kann

Der Mensch zum Herrn sich machen, seinen Sinn

Bezwinget kaum die Noth und lange Zeit.

Antonio.

Wenn andre vieles um den Einen thun;

So ist's auch billig, daß der Eine wieder

Sich fleißig frage, was den andern nützt.

Wer seinen Geist so viel gebildet hat,

Wer jede Wissenschaft zusammengeitzt,

Und jede Kenntniß, die uns zu ergreifen

Erlaubt ist, sollte der sich zu beherrschen

Nicht doppelt schuldig seyn? Und denkt er dran?

Alphons.

Wir sollen eben nicht in Ruhe bleiben!

Gleich wird uns, wenn wir zu genießen denken,

Zur Übung unsrer Tapferkeit ein Feind,

Zur Übung der Geduld ein Freund gegeben.

Antonio.

Die erste Pflicht des Menschen, Speis' und Trank

Zu wählen, da ihn die Natur so eng'

Nicht wie das Thier beschränkt, erfüllt er die?

Und läßt er nicht vielmehr sich wie ein Kind

Von allem reitzen, was dem Gaumen schmeichelt?

Wann mischt er Wasser unter seinen Wein?

Gewürze, süße Sachen, stark Getränke,

Eins um das andre schlingt er hastig ein,

Und dann beklagt er seinen trüben Sinn,

Sein feurig Blut, sein allzu heftig Wesen,

Er schilt auf die Natur und das Geschick.

Wie bitter und wie thöricht hab' ich ihn

Nicht oft mit seinem Arzte rechten sehn;

Zum Lachen fast, wär' irgend lächerlich

Was einen Menschen quält und andre plagt.

«Ich fühle dieses Übel, «sagt er bänglich

Und voll Verdruß:»Was rühmt ihr eure Kunst?

«Schafft mir Genesung!«Gut versetzt der Arzt,

So meidet das und das — »Das kann ich nicht»-

So nehmet diesen Trank — »O nein! der schmeckt

«Abscheulich, er empört mir die Natur»-

So trinkt denn Wasser — »Wasser? nimmermehr!

«Ich bin so wasserscheu als ein Gebißner — »

So ist euch nicht zu helfen — »Und warum?»-

«Das Übel wird sich stets mit Übeln häufen,

Und, wenn es euch nicht tödten kann, nur mehr

Und mehr mit jedem Tag euch quälen — «Schön!

«Wofür seyd ihr ein Arzt? Ihr kennt mein Übel,

«Ihr solltet auch die Mittel kennen, sie

«Auch schmackhaft machen, daß ich nicht noch erst,

«Der Leiden los zu seyn, recht leiden müsse.»

Du lächelst selbst und doch ist es gewiß,

Du hast es wohl aus seinem Mund gehört?

Alphons.

Ich hab' es oft gehört und oft entschuldigt.

Antonio.

Es ist gewiß, ein ungemäßigt Leben,

Wie es uns schwere, wilde Träume gibt,

Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen.

Was ist sein Argwohn anders als ein Traum?

Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich

Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn,

Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,

Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt.

So hat er oft mit Klagen dich belästigt:

Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe,

Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt!