So konnt' ich, junger Freund, zu gleicher Zeit
Der Duldung stille Lehre dir bewähren.
Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen
Mir damals priesen und mir manches Jahr
Nachher gepriesen haben, sah' ich nicht.
Am stillen Ort wohin kaum unterbrochen
Der letzte Wiederhall der Freude sich
Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen
Und manchen traurigen Gedanken leiden.
Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild
Des Todes vor den Augen, deckte mir
Die Aussicht in die immer neue Welt.
Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ
Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben
Des Lebens, blaß doch angenehm, erblicken.
Ich sah' lebend'ge Formen wieder sanft sich regen.
Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt
Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer,
Da kam Lukretia voll frohen Lebens
Herbey und führte dich an ihrer Hand.
Du warst der erste, der im neuen Leben
Mir neu und unbekannt entgegen trat.
Da hofft' ich viel für dich und mich, auch hat
Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.
Tasso.
Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel
Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz
Geblendet, und von mancher Leidenschaft
Bewegt, durch stille Gänge des Pallasts
An deiner Schwester Seite schweigend ging,
Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald
Auf deine Frau'n gelehnt erschienest — Mir
Welch ein Moment war dieser! O! Vergib!
Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn
Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt;
So war auch ich von aller Phantasie,
Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe
Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt.
Wenn unerfahren die Begierde sich
Nach tausend Gegenständen sonst verlor,
Trat ich beschämt zuerst in mich zurück,
Und lernte nun das Wünschenswerthe kennen.
So sucht man in dem weiten Sand des Meers
Vergebens eine Perle, die verborgen
In stillen Schalen eingeschlossen ruht.
Prinzessinn.
Es fingen schöne Zeiten damals an,
Und hätt' uns nicht der Herzog von Urbino
Die Schwester weggeführt, uns wären Jahre
Im schönen ungetrübten Glück verschwunden.
Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr
Den frohen Geist, die Brust voll Muth und Leben,
Den reichen Witz der liebenswürd'gen Frau.
Tasso.
Ich weiß es nur zu wohl, seit jenem Tage
Da sie von hinnen schied, vermochte dir
Die reine Freude niemand zu ersetzen.
Wie oft zerriß es meine Brust! Wie oft
Klagt' ich dem stillen Hain mein Leid um dich!
Ach! rief ich aus, hat denn die Schwester nur
Das Glück, das Recht, der Theuern viel zu seyn?
Ist denn kein Herz mehr werth, daß sie sich ihm
Vertrauen dürfte, kein Gemüth dem ihren
Mehr gleich gestimmt? Ist Geist und Witz verloschen?
Und war die Eine Frau, so trefflich sie
Auch war, denn alles? Fürstinn! o verzeih'!
Da dacht' ich manchmal an mich selbst und wünschte
Dir etwas seyn zu können. Wenig nur,
Doch etwas, nicht mit Worten, mit der That
Wünscht' ich's zu seyn, im Leben dir zu zeigen,
Wie sich mein Herz im Stillen dir geweiht.
Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft
That ich im Irrthum was dich schmerzen mußte,
Beleidigte den Mann, den du beschütztest,
Verwirrte unklug was du lösen wolltest,
Und fühlte so mich stets im Augenblick,
Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.
Prinzessinn.
Ich habe, Tasso, deinen Willen nie
Verkannt, und weiß wie du dir selbst zu schaden
Geschäftig bist. Anstatt daß meine Schwester
Mit jeden, wie er sey, zu leben weiß,
So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum
In einen Freund dich finden.
Tasso. Tadle mich!
Doch sage mir hernach, wo ist der Mann?
Die Frau? mit der ich wie mit dir
Aus freyem Busen wagen darf zu reden.
Prinzessinn.
Du solltest meinem Bruder dich vertraun.
Tasso.
Er ist mein Fürst! — Doch glaube nicht, daß mir
Der Freyheit wilder Trieb den Busen blähe.
Der Mensch ist nicht geboren frey zu seyn,
Und für den Edeln ist kein schöner Glück,
Als einen Fürsten, den er ehrt, zu dienen.
Und so ist er mein Herr, und ich empfinde
Den ganzen Umfang dieses großen Worts.
Nun muß ich schweigen lernen wenn er spricht,
Und thun wenn er gebiethet, mögen auch
Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.
Prinzessinn.
Das ist der Fall bey meinem Bruder nie.
Und nun, da wir Antonio wieder haben,
Ist dir ein neuer kluger Freund gewiß.
Tasso.
Ich hofft' es ehmals, jetzt verzweifl' ich fast.
Wie lehrreich wäre mir sein Umgang, nützlich
Sein Rath in tausend Fällen! Er besitzt,
Ich mag wohl sagen, alles was mir fehlt.
Doch — haben alle Götter sich versammelt
Geschenke seiner Wiege darzubringen?
Die Grazien sind leider ausgeblieben,
Und wem die Gaben dieser Holden fehlen,
Der kann zwar viel besitzen, vieles geben,
Doch läßt sich nie an seinem Busen ruhn.
Prinzessinn.
Doch läßt sich ihm vertraun, und das ist viel.
Du mußt von Einem Mann nicht alles fordern,
Und dieser leistet was er dir verspricht.
Hat er sich erst für deinen Freund erklärt,
So sorgt er selbst für dich wo du dir fehlst.
Ihr müßt verbunden seyn! Ich schmeichle mir
Dieß schöne Werk in kurzem zu vollbringen.
Nur widerstehe nicht wie du es pflegst!
So haben wir Lenoren lang' besessen,
Die fein und zierlich ist, mit der es leicht
Sich leben läßt; auch dieser hast du nie,
Wie sie es wünschte, näher treten wollen.
Tasso.
Ich habe dir gehorcht, sonst hätt' ich mich
Von ihr entfernt anstatt mich ihr zu nahen.
So liebenswürdig sie erscheinen kann,
Ich weiß nicht wie es ist, konnt' ich nur selten
Mit ihr ganz offen seyn, und wenn sie auch
Die Absicht hat, den Freunden wohlzuthun,
So fühlt man Absicht und man ist verstimmt.
Prinzessinn.
Auf diesem Wege werden wir wohl nie
Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad
Verleitet uns durch einsames Gebüsch,
Durch stille Thäler fortzuwandern; mehr
Und mehr verwöhnt sich das Gemüth, und strebt
Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt,
In seinem Innern wieder herzustellen,
So wenig der Versuch gelingen will.
Tasso.
O welches Wort spricht meine Fürstinn aus!
Die goldne Zeit wohin ist sie geflohn?
Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt!
Da auf der freyen Erde Menschen sich
Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten;
Da ein uralter Baum auf bunter Wiese
Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab,
Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige
Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang;
Wo klar und still auf immer reinem Sande
Der weiche Fluß die Nymphe sanft umfing;
Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange
Unschädlich sich verlor, der kühne Faun
Vom tapfern Jüngling bald bestraft entfloh;
Wo jeder Vogel in der freyen Luft
Und jedes Thier durch Berg und Thäler schweifend
Zum Menschen sprach: erlaubt ist was gefällt.
Prinzessinn.
Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbey:
Allein die Guten bringen sie zurück;
Und soll ich dir gestehen wie ich denke,
Die goldne Zeit, womit der Dichter uns
Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war,
So scheint es mir, so wenig als sie ist,
Und war sie je, so war sie nur gewiß,
Wie sie uns immer wieder werden kann.
Noch treffen sich verwandte Herzen an
Und theilen den Genuß der schönen Welt;
Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund,
Ein einzig Wort: erlaubt ist was sich ziemt.
Tasso.
O wenn aus guten, edlen Menschen nur
Ein allgemein Gericht bestellt entschiede,
Was sich denn ziemt! Anstatt daß jeder glaubt,
Es sey auch schicklich was ihm nützlich ist.
Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen
Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.
Prinzessinn.
Willst du genau erfahren was sich ziemt;
So frage nur bey edlen Frauen an.
Denn ihnen ist am meisten dran gelegen,
Daß alles wohl sich zieme was geschieht.
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer
Das zarte leicht verletzliche Geschlecht.
Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie,
Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts.
Und wirst du die Geschlechter beyde fragen:
Nach Freyheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.
Tasso.
Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos?
Prinzessinn.
Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gütern,
Und euer Streben muß gewaltsam seyn.