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»Haben Sie vergangenen Samstag auch gekocht?«, wollte Hunter von Olivia wissen.

»Ja. Und dann haben wir alle gemeinsam zu Abend gegessen.«

»Was war mit Melinda Wallis, der Pflegerin?«, fragte Garcia.

»Mel hat immer mit uns zusammen gegessen. Sie ist so nett. Sehr fürsorglich.«

»Um wie viel Uhr sind Sie aufgebrochen?«

»Levy ist ein paar Minuten vor mir gefahren«, sagte Allison. »Ich habe mich so gegen neun auf den Weg gemacht.«

Olivia nickte.

»Hat eine von Ihnen dabei zufällig jemanden draußen in der Nähe des Hauses gesehen? Ist Ihnen irgendjemand oder irgendetwas aufgefallen?«

»Mir nicht«, gab Allison zur Antwort.

»Mir auch nicht«, fügte Olivia hinzu.

»Wir haben heute Nachmittag mit Amy Dawson gesprochen. Sie erwähnte zwei Besucher, die vor ungefähr dreieinhalb Monaten bei Ihrem Vater gewesen sein sollen. Hat Ihr Vater Ihnen davon erzählt? Wissen Sie, wer diese Besucher waren?«

Olivia und Allison schauten sich einen Moment lang an.

»Ich weiß, dass Staatsanwalt Bradley bei Dad zu Besuch war, das war kurz nach der Diagnose«, sagte Allison.

»Genau, das haben wir auch schon ermittelt«, sagte Garcia. »Aber anscheinend gab es noch eine weitere Person.« Er warf rasch einen Blick in seine Notizen. »Schlank, etwas über eins achtzig groß, jünger als Ihr Vater, braune Augen. Sagt Ihnen das was?«

Olivia schüttelte den Kopf.

»Die Hälfte aller männlichen Kollegen bei der Bezirksstaatsanwaltschaft würde auf die Beschreibung passen«, stellte Allison fest.

»Ihr Vater hat nichts von einem Besucher erwähnt, der vor einigen Wochen bei ihm war?«

»Mir gegenüber nicht«, sagte Allison.

»Nein«, setzte Olivia hinzu. »Was schon irgendwie merkwürdig ist. Dass Bradley zu Besuch war, hat Dad uns nämlich erzählt.«

Hunter steckte sein Notizbuch wieder ein. »Mrs Dawson hat außerdem noch zu Protokoll gegeben, dass Ihr Vater gesagt habe, er wolle sich mit jemandem aussprechen und über irgendetwas die Wahrheit sagen.«

Beide Frauen runzelten die Stirn.

»Wissen Sie etwas dazu?«

»Die Wahrheit worüber?«, fragte Allison.

Garcia zuckte die Achseln. »Das wüssten wir auch gern.«

»Über einen Prozess, den er geführt hat?«

»Wir wissen von nichts. Das ist alles, was wir an Informationen haben.«

Mehrere Sekunden verstrichen.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Vater irgendwas über eine Aussprache gesagt hätte«, meinte Olivia schließlich. »Ist Amy sich ganz sicher, dass das seine Formulierung war?«

Hunter und Garcia nickten.

Olivia warf Allison einen Blick zu.

»Mir hat Dad auch nie was darüber gesagt.«

Es gab noch eine Frage, die Hunter den beiden Frauen stellen wollte, aber dafür musste er seine Worte sorgfältig wählen. Er bemühte sich, möglichst beiläufig zu klingen. »Hat Ihr Vater sich für moderne Kunst interessiert?«

Dem Gesichtsausdruck der zwei Frauen nach zu urteilen, hätte Hunter ihnen keine seltsamere Frage stellen können.

»Bildhauerei zum Beispiel?«, schob er hinterher.

Das vergrößerte ihre Verwirrung nur.

»Nein«, antwortete Olivia. Dann warf sie Allison einen Blick zu, und beide sagten wie aus einem Mund:

»Aber Mom.«

14

Es stimmte, dass Hunters Frage Allison und Olivia überrascht hatte. Aber ihre Antwort hatte auf ihn genau dieselbe Wirkung.

»Wieso fragen Sie?«, erkundigte sich Olivia und kniff dabei leicht die Augen zusammen.

Hunter stellte sich ihrem Blick. Er musste sich etwas Gutes einfallen lassen. Keine der beiden wusste von der Skulptur, die der Mörder am Tatort zurückgelassen hatte, und sollten sie davon erfahren, wäre ein seelisches Trauma die Folge, und das würden sie vermutlich für den Rest ihres Lebens mit sich herumtragen.

»Wir haben etwas im Zimmer Ihres Vaters gefunden«, gab er betont gelassen zurück. »Wir glauben, es könnte sich um ein Bruchstück von einer Skulptur oder Ähnlichem handeln.«

»In Dads Schlafzimmer?«

Hunter nickte. »Möglicherweise wurde es mit Absicht dort hingelegt.«

Seine Worte schienen den Sauerstoff aus dem Raum zu saugen. Beide Frauen versteiften sich.

»Sie meinen, vom Mörder?«, fragte Allison.

»Ja.«

Prompt stiegen Olivia wieder Tränen in die Augen.

»Wie sieht es denn aus?«, wollte Allison wissen. »Können wir es uns mal ansehen?«

»Momentan befindet es sich im kriminaltechnischen Labor. Es müssen noch einige Tests gemacht werden«, gab Hunter ruhig, aber bestimmt zurück. »Sie sagten eben, Ihre Mutter habe sich für Bildhauerei interessiert. Auch für moderne Plastik?« Rasch lenkte er das Gespräch dorthin zurück, wo er es haben wollte.

»Ja«, sagte Olivia und wischte sich eine Träne von der Wange. »Das kann man wohl so sagen. Mom hat leidenschaftlich gern getöpfert. Ein Hobby, das sie erst ziemlich spät für sich entdeckt hat.« Sie deutete auf eine mittelgroße Vase auf dem Couchtisch, in der ein Strauß gelber und weißer Blumen stand. »Die da ist von ihr, genau wie die Vase in der Halle.«

Beide Detectives nickten.

»Aber Mom hat auch Plastiken gemacht.« Die Antwort kam von Allison. Sie wandte sich um und zeigte auf eine Skulptur, die in einem der Bücherregale stand. Sie war etwa fünfundzwanzig Zentimeter hoch und bestand aus zwei geschlechtslosen Figuren. Die erste stand breitbeinig da, die Arme vor dem Körper ausgestreckt. Die zweite Figur, von ähnlicher Gestalt, stand der ersten zugewandt, sah aber so aus, als ließe sie sich gerade rückwärts fallen. Ihr Körper neigte sich im 45-Grad-Winkel nach hinten. Auch sie hatte die Arme ausgestreckt, so dass sich beide Figuren an den Händen hielten.

»Haben Sie was dagegen, wenn wir einen Blick darauf werfen?«, fragte Hunter.

»Natürlich nicht.«

Hunter nahm die Plastik in die Hand und betrachtete sie eine Zeitlang. Sie war aus Ton und hatte einen Sockel aus Holz.

»Vertrauen«, murmelte er.

»Was?« Garcias Blick glitt von der Skulptur zu Hunter.

»Vertrauen«, wiederholte dieser. »Wenn du fällst, fange ich dich auf.«

Olivia und Allison sahen ihn verblüfft an. »Stimmt genau«, sagte Allison. »Mir hat Mom die gleiche geschenkt, und Dad hat auch eine. Sie bedeuten, dass wir uns immer auf den anderen verlassen können. Dass wir immer füreinander da sind, was auch geschieht.«

»Das ist eine sehr schöne Skulptur.« Hunter stellte sie an ihren Platz zurück.

»Dieses Bruchstück, das Sie in Dads Schlafzimmer gefunden haben«, sagte Olivia. »Aus was für einem Material war es?«

»Irgendeine Metalllegierung«, log Hunter. »Der Hauptbestandteil ist vermutlich Bronze.«

Garcia biss sich auf die Lippe.

»Dann stammt es nicht von einer von Moms Skulpturen. Sie hat nur mit Ton gearbeitet.«

»Hat sie viele Plastiken gemacht?«

»In erster Linie Vasen. Plastiken … nur sechs, wenn ich mich recht erinnere.« Olivia sah Allison um Bestätigung heischend an. Diese nickte. »Wie Ally vorhin sagte, sie hat dieselbe Skulptur bei sich zu Hause. Die restlichen vier stehen in Dads Arbeitszimmer.«

15

Hunter sah keinen Sinn darin, Olivia und Allison noch länger in ihrer Trauer zu stören. Allerdings hatten sie mit ihrer Aussage seine Neugier geweckt, weshalb er vor Feierabend unbedingt noch einmal zu Derek Nicholsons Haus zurückkehren und im Arbeitszimmer einen Blick auf die vier anderen Skulpturen werfen wollte, die Lindsay Nicholson, Dereks verstorbene Frau, angefertigt hatte.

»Kompliment für dein Pokerface eben«, meinte Garcia, als sie wieder ins Auto stiegen. »Ein kleines Stück Metall, das der Täter zurückgelassen hat und das möglicherweise von einer Skulptur stammt? Wie einfallsreich. Ich hätte dir selber fast geglaubt. Aber eins möchte ich doch zu gerne wissen: Was, wenn ihre Mutter auch Skulpturen aus Metall gemacht hätte?«