Tags zuvor hatte offiziell der Sommer begonnen, und Dupek hatte geplant, noch an diesem Nachmittag Segel zu setzen. Doch als er seinen 29-PS-Dieselmotor hatte anwerfen wollen, hatte dieser lediglich ein paar Mal gehustet und gerasselt und war dann abgesoffen. Dupek hatte es erneut versucht, aber der Motor wollte einfach nicht anspringen. Andere Segler hätten vielleicht beschlossen, auch mit defektem Motor in See zu stechen – schließlich war es ein Segelboot –, aber das wäre purer Leichtsinn gewesen, und wenn Dupek eins nicht war, dann leichtsinnig.
Aber er hatte Glück im Unglück gehabt. Er hatte schon seinen Stamm-Mechaniker Warren Donnelly anrufen wollen, als ein fremder Mechaniker, der gerade mit dem Boot nebenan fertig geworden war, seinen Motor wie einen sterbenden Hund röcheln hörte und fragte, ob er Dupek helfen könne. Der Mann sah ein bisschen jung aus, aber Dupek sollte es recht sein. So würde er mindestens zwei Stunden sparen, wenn nicht sogar mehr.
Nun schraubte der Mechaniker schon seit fünf Minuten an seinem kleinen Innenborder herum.
»Und?«, sagte Dupek erneut. »Wie schlimm ist es? Lässt sich das heute noch reparieren?«
Ohne aufzusehen, hob der Mechaniker einen Finger, um Dupek zu verstehen zu geben, dass er noch etwas mehr Zeit brauche.
Dupek trat näher und versuchte, dem Mechaniker über die Schulter zu sehen.
»Sie haben einen Riss in der Schmierölpumpe«, verkündete dieser schließlich. »Ihnen läuft seit einem, vielleicht schon seit zwei Tagen das Öl aus. Ein Teil ist auf die Einspritzdüse getropft und hat zu einer Verstopfung geführt.«
Dupek sah den Mechaniker ratlos an. Er verstand nicht viel von Motoren. »Kriegen Sie das denn wieder hin?«
»Die Ölpumpe kann man nicht reparieren, der Riss ist zu groß. Die muss ausgetauscht werden.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
Der Mechaniker lächelte. »Glücklicherweise haben Sie eins der gängigsten Fabrikate am Markt. Die gehen nicht so leicht kaputt, aber es kommt vor. Ich glaube, ich habe noch ein Ersatzgerät irgendwo in meiner Tasche.«
»Ach, das wäre wirklich großartig.« Dupeks Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln. »Könnten Sie nachschauen?«
»Klar doch.« Der Mechaniker erhob sich, trat von der Luke zurück und begann seinen großen Werkzeugkoffer zu durchsuchen, der bei der Treppe stand. »Tja, wie’s aussieht, ist heute Ihr Glückstag. Ich habe tatsächlich noch eine da. Sie ist nicht mehr nagelneu, aber in gutem Zustand und reicht mit Sicherheit aus.«
Dupeks Lächeln wurde breiter.
»Aber bevor ich die Pumpe austausche, muss ich das Öl wegmachen und die Einspritzdüse säubern. Das dürfte nicht länger als zehn Minuten dauern, maximal fünfzehn.«
Dupek sah auf die Uhr. »Das wäre fantastisch. Dann komme ich noch vor Sonnenuntergang los.«
Der Mechaniker kehrte zum Innenborder zurück und begann mit einem bereits fleckigen Lappen das Öl wegzuwischen, das auf den Treibstoffschlauch getropft war.
»Und? Segeln Sie weit?«
Dupek ging zum Kühlschrank und nahm zwei Flaschen Bier heraus. »Das weiß ich noch nicht. Ich mache eigentlich nie Pläne. Ich versuche einfach mit dem Wind zu segeln. Bier?«
»Nein, danke. Habe am Wochenende schon zu viel getrunken.«
Dupek drehte von einer Flasche den Kronkorken ab, nahm einen Schluck und stellte die andere Flasche wieder in den Kühlschrank. »Das ist mein einziger Urlaub im Jahr. Zwei Wochen weit weg von allem.«
»Sie können es bestimmt gar nicht abwarten, endlich loszukommen, was? Ich weiß genau, wie das ist. Ich persönlich hatte keinen Urlaub mehr seit …« Der Mechaniker überlegte kurz, dann lachte er traurig. »Mann, ich kann mich nicht mal mehr dran erinnern, wann ich zuletzt Urlaub hatte.«
»Sehen Sie? Das könnte ich nicht. Ich würde wahnsinnig werden. Ich brauche diese zwei Wochen Erholung.«
»Ach du Scheiße!«, rief der Mechaniker plötzlich und wich zurück. Eine Flüssigkeit spritzte vom Motor auf den Boden.
»Was ist passiert?« Mit besorgter Miene machte Dupek einen Schritt nach vorn.
»Einer der Hochdruck-Einspritzschläuche ist abgegangen.«
»Das klingt aber nicht gut.«
Der Mechaniker sah sich suchend um. »Ich brauche eine Klemme, um ihn wieder anzubringen. Könnten Sie mir einen Gefallen tun und den Schlauch genau so halten, während ich nach einem Quetschhahn suche?«
»Klar.« Dupek stellte sein Bier ab und hielt den Schlauch so fest, wie der Mechaniker es ihm zeigte.
»Nicht loslassen. Bin gleich wieder da.«
Dupeks Finger und Aufmerksamkeit waren ganz bei dem dünnen Gummischlauch. Er hörte, wie hinter ihm der Mechaniker in seinem Werkzeugkasten wühlte. »Deswegen brauchen Sie aber jetzt nicht länger für die Reparatur, oder?«
Keine Antwort.
»Ich würde wirklich gerne ablegen, bevor es dunkel wird.«
Schweigen. Die Geräusche hatten aufgehört.
»Hallo …?« Dupek drehte unbeholfen den Oberkörper, um hinter sich zu blicken.
Genau in dem Moment schwang der Mechaniker einen eisernen Schraubenschlüssel wie einen Baseballschläger. Für Dupek war es, als geschähe alles in Zeitlupe. Der Schlüssel traf ihn mit einem furchterregenden Knirschen seitlich im Gesicht. Sein Kieferknochen brach an ein, zwei, drei Stellen. Vom Kiefergelenk bis zum Kinn platzte die Haut auf, darunter kamen Fleisch und Knochen zum Vorschein. Blut spritzte aus der Wunde. Drei Zähne wurden herausgeschlagen, flogen in hohem Bogen durch den Raum und prallten gegen eine Wand. Ein großer Splitter löste sich aus dem gebrochenen Kieferknochen und durchbohrte sein Zahnfleisch genau unterhalb des nun fehlenden ersten Backenzahns. Die Spitze des Knochens berührte den freiliegenden Nerv. Dupek schwanden vor Schmerz die Sinne. Der Schlag war so heftig und wohlplatziert, dass sein Körper nach hinten geschleudert wurde; er prallte mit dem Rücken gegen den Motor und dann mit dem Kopf gegen die hölzerne Abdeckung der Luke.
Vor seinen Augen verschwamm alles. Sein Mund war voller Blut, das ihm die Luftröhre hinablief und seine Atemwege blockierte, so dass er verzweifelt nach Luft schnappte. Er versuchte zu sprechen, aber das einzige Geräusch, das er hervorbrachte, war ein klägliches Gurgeln. Unmittelbar bevor er das Bewusstsein verlor, sah er den Mechaniker über sich stehen, den Schraubenschlüssel noch in der Hand.
»Mit dir …«, sagte der Mechaniker und lächelte boshaft, »lasse ich mir Zeit.«
17
Hunter erreichte das PAB um acht Uhr dreiunddreißig, wenige Minuten nach Garcia.
»Verdammt, haben sie dir auch aufgelauert?«, fragte Garcia.
»Du meinst die Reporter draußen?«
Garcia nickte. »Haben die sich da ein Zeltlager eingerichtet, oder was soll das? Ich bin aus dem Auto gestiegen, und sofort sind drei von ihnen auf mich los und haben angefangen, mich mit Fragen zu bombardieren.«
»Das Mordopfer war ein Staatsanwalt, der vor zwei Tagen in seinem eigenen Haus auf dem Sterbebett bei lebendigem Leib zerstückelt wurde. Das ist der Stoff, aus dem Fernseh-Mehrteiler gemacht werden, Carlos. Um der Erste zu sein, der von einem Insider Informationen über den Fall bekommt, würden sie sich gegenseitig umbringen. Es wird noch schlimmer werden.«