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Aus dem Augenwinkel nahm Dupek eine Bewegung wahr. Der Atem stockte ihm.

Jemand kam aus der Dunkelheit auf ihn zu, ging um seinen Stuhl herum und blieb dann unmittelbar vor ihm stehen.

Dupeks Blick fand das Gesicht der Gestalt. Er kniff die Augen zusammen und überlegte angestrengt. Es dauerte einen Moment, dann wusste er wieder, wer es war: der Mechaniker, der sich seinen defekten Motor angesehen hatte.

»Es muss sehr merkwürdig sein, wenn man den eigenen Körper nicht spüren kann«, meinte der Mechaniker und sah Dupek in die Augen.

Dupek atmete aus, und dabei entschlüpfte ihm unwillentlich ein leises, verängstigtes Stöhnen, das die ganze Zeit in seiner Kehle festgesessen hatte.

Der Mechaniker lächelte.

»Hhhh, ahhhg.« Dupek versuchte zu sprechen, aber da er seinen Kiefer nicht bewegen konnte, kam dabei nicht viel mehr heraus als unverständliches Gemurmel.

»Das mit deinem Kiefer tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, ihn dir zu brechen. Eigentlich wollte ich dich am Hinterkopf treffen, aber du hast dich genau im falschen Moment umgedreht. Na ja, es ist mein eigenes Pech, weil du jetzt nicht mehr sprechen kannst, und das hätte ich mir wirklich gewünscht.«

Dupeks Furcht steigerte sich ins Unermessliche.

»Ich möchte dir was zeigen. Ich bin gespannt, was du dazu sagst. Einverstanden?«

Erneut versuchte Dupek zu schlucken. Vor Angst spürte er diesmal nicht einmal die Schmerzen.

Der Mechaniker deutete auf ein fleckiges Tuch, mit dem auf dem kleinen Bartresen links von Dupek etwas zugedeckt war.

Dupeks Blick folgte dem ausgestreckten Finger.

»Bist du bereit?«, fragte der Mechaniker und ließ noch einige Sekunden verstreichen, um die Spannung zu steigern. »Was rede ich? Für so was ist man nie bereit.«

Ein kurzes Ziehen, und das Tuch fiel zu Boden.

Dupek schnappte nach Luft, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Auf dem Tresen standen, von oben bis unten blutverschmiert, zwei menschliche Füße.

Der Mechaniker hielt inne und genoss den Moment. »Erkennst du sie wieder?«

Angst und Tränen füllten Dupeks Augen.

»Ich helfe dir auf die Sprünge.« Der Mechaniker zog einen fünfzig mal fünfundsiebzig Zentimeter großen Spiegel hinter dem Tresen hervor, hielt ihn hoch und winkelte ihn so ab, dass Dupek darin seine Beine sehen konnte.

Jetzt endlich begriff er, wo das viele Blut unter seinem Stuhl herkam.

24

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Alice die Skulptur. In ihrem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Verwirrung und Erstaunen. Sie konnte sich nicht erklären, was Hunter gesehen hatte.

Garcia stand noch immer wie angewurzelt an derselben Stelle. Sein fragender Blick wanderte von der Nachbildung zu Hunter und schließlich zum Display seiner Digitalkamera. Er rief die letzten drei Fotos auf, die er gemacht hatte, und sah sich jedes einzelne ganz genau an. Er konnte keinerlei Unterschiede entdecken.

»Also gut, ich geb’s zu: Ich bin aufgeschmissen«, verkündete er. »Was war da, Robert?« Er schielte zu Alice und sah dieselbe Ratlosigkeit in ihrem Gesicht. »Was haben wir übersehen?«

»Ihr müsst es selber sehen. Wartet, ich zeige es euch.« Hunter ging zu seinem Schreibtisch und schnappte sich seine Maglite-Taschenlampe, die beim LAPD zur Standardausrüstung jedes Polizisten gehörte. Dann stellte er sich genau dorthin, wo Garcia stand, und schaltete die Taschenlampe ein. Er hielt sie auf Hüfthöhe und richtete den Lichtstrahl auf die Skulptur.

Garcia und Alice sahen genau hin. Ihre Verwirrung wuchs.

»Okay, und …?«, sagte Alice.

»Nicht auf die Skulptur schauen«, sagte Hunter. »Sondern auf die Wand dahinter. Auf den Schatten.«

Zeitgleich hoben Garcia und Alice den Blick.

Jetzt waren sie nicht mehr verwirrt, sondern nur noch fassungslos.

Alice stand der Mund offen.

»Das ist doch wohl ein Scherz«, sagte Garcia.

Der Schatten, den die Skulptur warf, wenn sie aus einem ganz bestimmten Winkel angestrahlt wurde, zeigte zwei deutlich erkennbare Gestalten. Es waren Tiere, wie bei einem Schattentheater.

»Ein Hund und ein Vogel?«, meinte Alice unsicher und trat näher. Dann drehte sie sich um und betrachtete abermals die Nachbildung. »Na, so was.« Von dort, wo sie stand, sahen die zusammengebündelten Gliedmaßen kein bisschen nach einem Hund oder einem Vogel aus. Kein Wunder, dass es bislang niemandem aufgefallen war.

Hunter legte die Taschenlampe hinter sich auf ein Bücherregal, so dass ihr Strahl die Plastik weiterhin aus demselben Winkel beleuchtete. Die Schatten verschoben sich ein wenig, blieben aber klar erkennbar. Er ging näher zur Wand, um besser sehen zu können.

»Der Killer hat sein Opfer zerstückelt, um Schattenfiguren aus ihm zu machen?«, fragte Garcia. »Das wird ja immer bizarrer.«

»Er kommuniziert, Carlos«, gab Hunter zurück. »Die Bilder müssen irgendeine versteckte Bedeutung haben.«

»Du meinst … wie ein Rätsel im Rätsel? Erst die Skulptur, jetzt die Schattenfiguren … Wer weiß, was als Nächstes kommt. Er hat uns ein Puzzle hinterlassen.«

Hunter nickte. »Und er will, dass wir die einzelnen Teile zusammenfügen.« Er studierte die Schatten noch einen Moment lang, dann drehte er sich um und warf einen Blick auf die Gipsnachbildung, bevor er zur Pinnwand ging und zwei der Tatortfotos von der Originalskulptur herunternahm. Nachdem er sie lange und gründlich betrachtet hatte, ging er abermals zur Wand. »Was für ein Vogel könnte das wohl sein?«, fragte er.

»Was …? Keine Ahnung. Wahrscheinlich eine Taube«, meinte Alice.

Hunter schüttelte den Kopf. »Eine Taube hat nicht so einen Schnabel. Der hier ist zu lang und zu dick. Das muss ein größerer Vogel sein.«

»Und Sie glauben, das war Absicht?«

Erneut warf Hunter einen Blick auf die Skulptur. »Der Täter hat sich viel Mühe gegeben, um das Ding anzufertigen. Sehen Sie, wie er den Finger genau am Gelenk abgetrennt hat?« Er zeigte Alice die betreffende Stelle erst an der Gipsnachbildung und dann auf dem Foto. »Danach hat er ihn auf eine ganz bestimmte Art und Weise zurechtgebogen, um den Schnabel zu formen. Das war garantiert kein Zufall.«

»Eine Taube ist so ziemlich das simpelste Schattentier«, fügte Garcia hinzu. »Die lernt man mit als Erstes. Sogar ich weiß, wie man eine Taube macht.« Er verschränkte die Daumen ineinander, streckte die Finger aus, jedoch ohne sie zu spreizen, und schlug mit ihnen wie mit Flügeln. »Sehen Sie? Robert hat recht. Das ist keine Taube.«

»Okay, wenn das mit dem Schnabel stimmt, dann kann es auch kein Adler oder Habicht sein. Die haben nämlich beide Schnäbel, die vorne stärker nach unten gebogen sind, wie Haken.«

»Richtig«, sagte Hunter.

»Vielleicht eine Krähe«, schlug Garcia vor.

»Das war auch meine erste Eingebung«, sagte Hunter. »Eine Krähe, ein Rabe oder sogar eine Dohle.«

»Und Sie denken, es macht einen Unterschied, was für ein Vogel das ist?«, fragte Alice.

»Auf jeden Fall.«

»Dann ist der Hund vielleicht auch kein Hund«, gab Alice zu bedenken. »Er sieht aus, als würde er etwas anheulen. Den Mond?«

Die hundeartige Schattenfigur hatte den Kopf in den Nacken gelegt und das Maul halb geöffnet.

»Stimmt. Es könnte ein Hund sein, ein Wolf, ein Schakal, ein Kojote … das wissen wir noch nicht. Aber diese zwei Figuren sind definitiv nicht ohne Grund da, und wenn wir dahinterkommen wollen, was sie bedeuten – was der Täter uns damit sagen will –, dann müssen wir zuerst mal rausfinden, um was für Tiere es sich genau handelt.«