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»Ja, das hat sie«, sagte Hunter. »Wir wissen nur noch nicht, welche.«

»Wieso sind Sie sich dann so sicher?«

»Weil man, wenn man jemanden einfach nur tot sehen möchte, zu ihm hingeht und ihn erschießt. Man setzt sich nicht dem Risiko aus, entdeckt zu werden, indem man stundenlang am Tatort bleibt, um so ein Ding zusammenzubauen – es sei denn, es ist in irgendeiner Weise wichtig. Und wenn ein Täter etwas so Wichtiges am Tatort zurücklässt, dann tut er das normalerweise, weil er kommunizieren will.«

»Mit uns?«

Hunter zuckte die Achseln. »Mit wem auch immer. Bevor wir die Frage beantworten können, müssen wir erst mal rausfinden, was das Gebilde zu bedeuten hat.«

Captain Blake richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Foto. »Das würde also heißen, dass es keine willkürliche Tat war. Der Täter hat dieses Ding nicht aus seinem plötzlich übersprudelnden sadistischen Schaffenstrieb heraus gebastelt.«

Hunter schüttelte den Kopf. »Höchstwahrscheinlich nicht. Ich würde sagen, er hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, was er mit Derek Nicholsons Gliedmaßen machen wollte, und zwar schon bevor er ihn getötet hat. Er wusste genau, welche Gliedmaßen er brauchte. Und er wusste, wie sein schauerliches Werk im fertigen Zustand aussehen würde.«

»Wie reizend.« Blake stutzte. »Und was hat das hier zu bedeuten?« Sie hielt ein Foto der in Blut geschriebenen Botschaft hoch.

Garcia erläuterte ihr die Zusammenhänge. Als er geendet hatte, war Captain Blake – ganz untypisch für sie – erst einmal sprachlos.

»Womit zum Henker haben wir es hier zu tun, Robert?«, fragte sie schließlich und gab Garcia den Stoß Fotos zurück.

»Ich weiß es nicht genau, Captain.« Hunter lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. »Derek Nicholson war sechsundzwanzig Jahre lang für die kalifornische Staatsanwaltschaft tätig. Er hat viele Leute hinter Gitter gebracht.«

»Sie glauben, es könnte ein Racheakt gewesen sein? Wen hat er denn eingebuchtet, Luzifer und die Texas-Kettensägen-Massaker-Bande?«

»Ich weiß es nicht, aber das ist der Punkt, an dem wir ansetzen werden.« Hunter warf Garcia einen Blick zu. »Wir brauchen eine Liste von allen, die Nicholson ins Gefängnis gebracht hat – Mörder, Totschläger, Vergewaltiger, jeden Einzelnen. Priorität haben alle, die innerhalb der letzten …«, er überlegte kurz, »… fünfzehn Jahre entlassen wurden oder auf Bewährung beziehungsweise Kaution freigekommen sind … Und wir ordnen nach der Schwere des Verbrechens. Diejenigen, die wegen wie auch immer gearteter sadistischer Gewaltdelikte verurteilt wurden, sind am wichtigsten.«

»Ich gebe dem Recherche-Team Bescheid«, sagte Garcia. »Aber es ist Sonntag. Vor morgen Abend haben wir sicherlich keine Ergebnisse.«

»Das macht nichts. Außerdem brauchen wir eine zweite Liste mit unmittelbaren Angehörigen, Verwandten, Gangmitgliedern und so weiter – alle, die sich stellvertretend für jemand anderen an Derek Nicholson gerächt haben könnten. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es sich um einen indirekten Racheakt handelt. Vielleicht sitzt die Person, der Nicholson den Prozess gemacht hat, noch im Gefängnis, und jemand draußen wollte es ihm heimzahlen.«

Garcia nickte.

Hunter griff nach dem Stapel Fotos und breitete sie auf seinem Schreibtisch aus. Sein Blick blieb an der Aufnahme der Skulptur hängen.

»Wie hat der Täter das Ding gebaut?«, wollte Captain Blake wissen, die sich zu Hunter an dessen Schreibtisch gesellt hatte.

»Er hat Draht benutzt, um die einzelnen Teile zusammenzuhalten.«

»Draht?«

»Genau.«

Sie beugte sich vor und studierte das Foto gründlicher. Ein plötzlicher kalter Schauer durchlief ihren Körper. »Und wie sollen wir rausfinden, was dieses Ding bedeutet? Je länger ich es mir ansehe, desto abartiger und sinnloser kommt es mir vor.«

»Das kriminaltechnische Labor wird eine maßstabsgetreue Nachbildung für uns anfertigen. Vielleicht ziehen wir den einen oder anderen Kunstexperten hinzu. Mal sehen, was denen dazu einfällt.«

In ihren langen Jahren bei der Polizei hatte Captain Blake im Zusammenhang mit Mordfällen schon die unvorstellbarsten Dinge erlebt – aber noch nie so etwas wie das. »Haben Sie jemals einen ähnlichen Tatort gesehen oder davon gehört?«, wollte sie wissen.

»Ich weiß von einem Fall, wo der Täter mit dem Blut des Opfers ein Bild auf Leinwand gemalt hat«, sagte Garcia. »Aber das hier ist in einer ganz anderen Liga.«

»Ich habe noch nie von etwas Vergleichbarem gehört oder gelesen«, musste Hunter gestehen.

»Könnte er das Opfer zufällig gewählt haben?«, fragte Captain Blake, während sie die Notizen überflog, die Garcia gemacht hatte. »Ich meine, für mich sieht es so aus, als hätten bei der Tat der Sadismus und die Anfertigung dieses monströsen … Werks im Mittelpunkt gestanden. Er könnte doch Nicholson ausgewählt haben, weil der ein leichtes Opfer war.« Sie blätterte eine Seite in Garcias Notizbuch um. »Derek Nicholson hatte Krebs im Endstadium. Er war geschwächt und praktisch bettlägerig. Vollkommen wehrlos. Er hätte nicht um Hilfe rufen können, selbst wenn der Killer ihm ein Megafon in die Hand gedrückt hätte. Und er war allein im Haus.«

»Captain Blake hat nicht ganz unrecht«, meinte Garcia und wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

»Für mich klingt das nicht plausibel«, widersprach Hunter. Er stieß sich von seinem Schreibtisch ab und trat ans geöffnete Fenster. »Derek Nicholson war ein leichtes Opfer, das stimmt, aber in einer Stadt wie Los Angeles gibt es viele noch leichtere Opfer – Obdachlose, Streuner, Drogenabhängige, Prostituierte … Wenn dem Täter egal war, wen er umbringt, warum hat er dann das Risiko auf sich genommen, in das Haus eines Staatsanwalts einzubrechen und sich dort stundenlang aufzuhalten? Und so allein war Nicholson ja gar nicht. Die Krankenschwester befand sich in der Gästewohnung über der Garage, vergessen wir das nicht. Und wie wir wissen …«, er tippte auf die Aufnahme der blutigen Botschaft an der Wand, »… hat sie den Täter gestört. Gott sei Dank hat sie kein Licht gemacht.« Hunter wandte sich vom Fenster ab und in den Raum hinein. »Glauben Sie mir, Captain, der Täter wollte genau dieses Opfer. Er wollte Derek Nicholson töten. Und er wollte ihn vor seinem Tod leiden lassen.«

8

Statt in Venice Beach Volleyball zu spielen oder sich die Dodgers anzusehen, verbrachte Hunter den restlichen Tag mit der Sichtung der Tatortfotos. Es war eine zeitraubende Angelegenheit, und die ganze Zeit hindurch quälte ihn dabei eine Frage:

Was um alles in der Welt ist der Sinn hinter dieser Skulptur?

Er beschloss, noch einmal zu Derek Nicholsons Haus zu fahren.

Die Leiche, ebenso wie das makabre Kunstwerk, war ins Rechtsmedizinische Institut gebracht worden. Alles, was blieb, war ein leeres Haus voller Trauer, Schmerz und Angst. Derek Nicholsons letzte Stunden waren in Blut an die Wände seines Schlafzimmers geschrieben, und Hunter las darin nur eins: unvorstellbare Qualen.

Er starrte auf die Botschaft, die der Täter hinterlassen hatte, und in seinem Innern tat sich ein gähnendes Loch auf. Der Täter hatte Derek Nicholson getötet und dabei noch drei weitere Leben zerstört: die von Nicholsons Töchtern und das der jungen Pflegeschülerin.

Die Spurensicherung hatte Fingerabdrücke von mindestens vier verschiedenen Personen im Haus gefunden, deren Analyse noch ein bis zwei Tage dauern würde. Darüber hinaus waren im Schlafzimmer im ersten Stock diverse Haare und Faserproben sichergestellt worden. Die mehrstündige Untersuchung des Gartens sowie des Rankgerüsts an der Wand unterhalb von Derek Nicholsons Schlafzimmer hatte keine Ergebnisse geliefert. Es gab keine Spuren gewaltsamen Eindringens. Kein Fenster war eingeschlagen, keine Tür, kein Fensterrahmen oder Schloss beschädigt worden. Allerdings waren zwei der Fenster im Erdgeschoss über Nacht nicht verriegelt gewesen, und die Balkontür zu Mr Nicholsons Schlafzimmer hatte einen Spaltbreit offen gestanden.