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»Was soll das heißen, Irene? Weshalb zweifelst du daran?«

»Ich weiß nicht. Was heute geschehen ist, macht mir Angst. Dieser plötzlich Angriff durch den Indianer war schrecklich. Es hätte nicht viel gefehlt.«

Jacob legte sanft einen Arm um Irene und sagte: »Du warst sehr tapfer. In Zukunft werde ich besser auf dich und Jamie aufpassen. Aber zur Zeit mußt du dir wirklich keine Sorgen machen. Wir sind jetzt in Sicherheit.«

»Sind wir das?«

»Außer mir sind sieben weitere Männer hier, und alle können mit ihren Waffen umgehen. Falls uns tatsächlich Krieger der Nez Perce folgen, sollte das genügen, sie uns vom Leib zu halten, bis wir Molalla Spring erreichen.«

»Das ist es ja gerade«, seufzte die Frau.

»Was?«

»Die Männer aus Greenbush. Sie machen mir angst. Sie sind so eigenartig. Menschenleben scheinen ihnen nichts zu bedeuten, zumindest nicht die der Indianer.«

»Versuch doch, sie zu verstehen, Irene. Denk an das, was sie durchgemacht haben. Erst das Fieber und heute der Überfall. Irgendwann ist jeder mit seinen Nerven am Ende, früher oder später. Wenn man an dieses Fieber denkt, muß man sagen, daß die Leute aus Greenbush ihr schweres Schicksal sehr lang ertragen haben.«

Irene sah ihn erschrocken an. »Du billigst also, was sie mit den Nez Perce gemacht haben?«

»Kennst du mich so schlecht?« fragte Jacob traurig.

Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Nein, verzeih mir, Jacob. Ich glaube, ich bin auch ziemlich mit den Nerven runter. Wir sollten schlafen und uns ausruhen. Wir haben es nötig.«

»Ja«, sagte Jacob und begleitete sie zurück zum Lager.

Er spürte, daß er Irenes Bedenken nicht ausgeräumt hatte.

Kein Wunder, dachte er, als er unter dem Wagen lag, in dem die junge Frau und ihr kleines Kind schliefen. Auch er hatte starke Bedenken, was die Menschen vom Treck betraf. Etwas stimmte nicht mit ihnen. Da war mehr, als John Bradden heute abend erzählt hatte.

Jetzt war nicht die Zeit, das Geheimnis zu lösen. Die deutschen Auswanderer und die Leute aus Greenbush waren aufeinander angewiesen.

Jacob kroch tief in seinen Schlafsack. Die tagsüber strahlende Sonne täuschte. Die Nächte waren noch sehr kalt, fast winterlich. Obwohl er mit Decken für zusätzliche Wärme sorgte, schlief er sehr unruhig, geplagt von bösen Träumen.

Aber das lag weniger an der Kälte als an den sorgenvollen Gedanken, die er sich seit der Unterhaltung mit Irene noch stärker machte als zuvor.

*

Noch jemand schlief kaum in dieser Nacht.

Riding Bear kauerte, in eine Decke gehüllt, auf einem kahlen Hügel und starrte dorthin, wo vor einiger Zeit das Feuer erloschen war.

Seine Gedanken beschäftigten sich mit seiner Rache. Etwas in ihm drängte ihn, diese Rache noch in dieser Nacht zu üben.

Doch er hielt sich zurück. Seine Kräfte mußten noch wachsen. Und in dieser Zeit würde die Wachsamkeit der Bleichgesichter nachlassen.

Noch waren sie nicht aus den Langen Bergen heraus, wie die Kaminu die Cascade Mountains nannten.

Riding Bear durfte nicht ungeduldig werden.

Die Zeit seiner Rache würde kommen!

*

Etwas riß Irene aus der Halbwelt zwischen Traum und Wirklichkeit. Jener Welt, in der man weiß, daß man träumt, und doch noch nicht erwacht.

Es war nur ein leises Geräusch. Aber Irene hatte sich einen leichten Schlaf angewöhnt, seit sie Jamie hatte.

Doch diesmal war es nicht ihr kleiner Sohn. Er schlummerte friedlich, in seine Decken eingemummelt, in dem Kinderbett, daß Jacobs geschickte Zimmermannshände für ihn angefertigt hatten und das sich im Planwagen fest verankern ließ; es wurde fast schon zu klein für Jamie.

Ihr Sohn war in dem Alter, in dem man sich mit jedem Tag veränderte. Vielleicht war es Einbildung, doch Irene fand, er sah seinem Vater immer ähnlicher.

Carl!

Es war beinah zwangsläufig geworden: Wann immer sie an Carl dachte, stellte sie Vergleiche zu Jacob an. Obwohl sie wußte, daß es nichts brachte.

Deshalb war sie fast dankbar für die Ablenkung, die das leise Geräusch ihr brachte, das sie irrtümlich ihrem Sohn zugeschrieben hatte.

Ein schmerzhaftes Stöhnen!

Sie dachte an Jacob, der unter dem Wagen schlief. War etwas mit ihm nicht in Ordnung?

Sie schälte sich eilig aus dem Schlafsack und öffnete mit Fingern, die noch steif von der nächtlichen Kälte waren, die Schnüre, mit deren Hilfe die Segeltuchplane zum Schutz gegen den Nachtwind zusammengebunden war.

Die Sonne hatte sich noch nicht über die Berge erhoben. Nur ihre Vorhut, ein schwacher hellroter Schimmer, sorgte für ein diffuses Licht. Immerhin schon hell genug, daß die Sterne verblaßt waren.

Das Lager lag noch im nächtlichen Frieden. Mit Ausnahme des Stöhnens.

Mit nackten Füßen stieg sie vom Wagen auf den Boden, der noch kalt und hart war.

»Jacob?« fragte sie vorsichtig.

Aber der Platz unter dem Wagen war leer, der Schlafsack zusammengepackt.

Als der erste Schreck verflogen war, erinnerte sie sich, daß John Bradden Jacob und Ebenezer Owen die Morgenwache zugeteilt hatte. Jacob sollte auf die Herde aufpassen und Owen auf das Lager.

Ja, sie entdeckte die Silhouette des bärtigen Mannes, der auf dem natürlichen Schutzwall der Felsbarriere kauerte.

Das Stöhnen schien aus seinem Wagen zu kommen, der vor dem Wagen von Jacob und Irene stand.

Hastig kletterte die junge Deutsche wieder unter die Plane und sah nach ihrem Sohn. Er schlief noch genauso ruhig wie bei ihrem Erwachen. Sie konnte ihn unbesorgt eine Weile allein lassen.

Sie zog sich Schuhe an und streifte ihre dicke Wolljacke über das Nachthemd. Dann verließ sie den Wagen wieder und kletterte in den der Owens.

Ja, das Stöhnen kam von der kranken Frau.

Carol Owens Lager war vollkommen zerwühlt. Unablässig wälzte sich die knochige Frau im fiebrigen Traum von einer Seite auf die andere und stöhnte.

Ein dicker Schweißfilm bedeckte ihr Gesicht. Das durchnäßte Nachthemd klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper.

Während Irene vorsichtig das nasse Hemd über Mrs. Owens Kopf zog, dachte sie an die Missionsstation von Molalla Spring. Es sah so aus, als könnte wirklich nur noch dieser Arzt und Missionar, Simon Mercer, der Frau helfen. Sie mußten dorthin, und das möglichst schnell!

Auch der Armverband war naß, nicht nur von Schweiß. Eiter trat aus der angeschwollenen Wunde.

Irene machte sich Vorwürfe, daß sie die Wunde nicht richtig desinfiziert hatte. Aber anderseits hätte sie kaum mehr Whiskey darüber gießen können. Vielleicht war die Infektion zu diesem Zeitpunkt schon eingetreten. Vielleicht war der Alkohol auch nicht tief genug in die Wunde eingedrungen. Schließlich hatte der Nez-Perce-Pfeil den ganzen Arm durchschlagen.

Sie fand ein sauberes Tuch, tauchte es ins Wasserfaß, reinigte die Wunde durch sorgsames Betupfen und legte einen frischen Verband an. Es war eine schwierige Arbeit, weil Carol Owen sich immer wieder in Krämpfen wand.

Irene wusch die Frau, trocknete sie ab und wollte ihr ein frisches Nachthemd anziehen. Aber sie konnte keins finden.

Als sie die den Wagen nach einem geeigneten Kleidungsstück absuchte, hielt sie plötzlich etwas Seltsames in der Hand - wie seidige Strähnen. Sie zog es zwischen den Kleidern hervor und erschrak.

Schwarze Haare!

Ein Skalp!

Sie dachte an die Nez-Perce-Krieger, deren Skalps an Fred Myers' Wagen gehangen hatten. Sie steckte den Kopf nach draußen und stellte fest, daß die Skalps noch immer dort hingen.

Aber offenbar nicht alle. Anders war es kaum zu erklären, daß sie die Haare im Wagen der Owens gefunden hatte.

Doch Ebenezer Owen hatte sich nicht am Skalpieren beteiligt! Er war die ganze Zeit bei Jacob und Irene gewesen.

Ein Ungewisser, schrecklicher Verdacht suchte Irene heim. Sie kramte tiefer an der Stelle, wo sie den Skalp gefunden hatte.