Riding Bear dachte an das, was er kurz nach Sonnenaufgang aus seinem Versteck in den östlichen Felsen mitangesehen hatte.
Der Kampf dieses Mannes hier mit einem anderen Weißen. Der sandhaarige Mann mit dem goldenen Ring im Ohr hatte gut gekämpft. Der andere Mann stand nicht mehr auf. Aber ein weiterer Weißer schoß auf den Sandhaarigen, und dieser stürzte in die Tiefe.
Und Riding Bear dachte an die Frau mit dem Kind, die lange am Rand des Canyons gestanden und verzweifelt etwas gerufen hatte. Den Namen des sandhaarigen Mannes?
War die Frau, die Riding Bears Leben geschont hatte, seine Squaw?
Offenbar waren die Weißen untereinander zerstritten.
Sorgte der Mann vor ihm sich um das Schicksal seiner Squaw und seines Kindes?
Riding Bear dachte wieder an die Spuren des Planwagens, den er gestern angegriffen hatte. Der Wagen war aus einer anderen Richtung gekommen als die übrigen. Er war gestern erst zu dem Treck gestoßen.
Also hatten die Weißen, die mit diesem Wagen fuhren, nichts mit dem Gemetzel im Dorf der Kaminu zu tun.
Aber hatten die von der Jagd heimkehrenden Krieger nicht allen Weißen blutige Rache geschworen?
Riding Bear war hin und her gerissen zwischen seinem Schwur und dem Gedanken, daß dieser Schwur vielleicht falsch gewesen war. Zu sehr bestimmt von frischem Schmerz und unbändigem Haß.
Aber hatte der sandhaarige Mann nicht den anderen Weißen beim Kampf gegen die Krieger der Kaminu beigestanden?
Je länger Riding Bear über diese Fragen nachdachte, desto müder wurden sein Geist, aber auch seine Muskeln. Und die Kugel in seiner Brust schmerzte immer stärker.
Er konnte den Pfeil kaum noch gerade, die Bogensehne kaum noch gespannt halten.
*
Der große kräftige Indianer stöhnte gequält, ließ Jacob aber nicht aus den Augen. So wie Jacob auf den Krieger und auf den immer stärker zitternden Pfeil starrte.
Es war offensichtlich, daß der Nez Perce starke Schmerzen hatte. Das Spannen des Bogens strengte ihn an.
Aber weshalb schoß er nicht und machte seiner Anstrengung ebenso ein Ende wie Jacobs Leben?
Jacob verstand es nicht.
Er dachte an Irene und Jamie und an die Gefahr, in der er sie glaubte.
Ging diese Gefahr von anderen Indianern aus?
Oder von den Menschen aus Greenbush, den Verdammten dieser zerklüfteten Berge?
Jacob würde es wohl niemals erfahren. Der Nez Perce stieß einen spitzen Schrei aus.
Dann schnellte das Geschoß von der Sehne.
ENDE des 1. Teils
Und so geht das Abenteuer weiter
Es scheint unfaßbar, was in nur einem Winter aus den einst friedlichen Siedlern von Greenbush geworden ist. Leid und Tod haben ihren Verstand verwirrt und sie zu Bestien in Menschengestalt gemacht.
Wie anders wäre ihr gnadenloser Haß auf die Indianer zu erklären? Und die Tatsache, daß sie den Mann, der ihnen geholfen hat, ohne Hilfe und schwerverletzt in einem Abgrund zurücklassen - ein Todesurteil in dieser Wildnis.
Um Irene Sommers Schicksal ist es nicht besser gestellt. Sie wird gegen ihren Willen mitgenommen und ihres Kindes beraubt. Die Siedler wollen sich auch an dem Arzt rächen, von dem sie glauben, er hätte sie im Stich gelassen. Und Irene kann nichts dagegen unternehmen, will sie nicht, daß Jamie stirbt!
DER SPEER DER VERGELTUNG von J.G. Kastner