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Sie wußte, daß es ein Zeichen des Todes war. Sie wußte nur nicht, wen der Tod ereilt hatte.

»Zuschlagen, sage ich!« wiederholte die verwundete Frau ihre Forderung.

Und Irene schlug zu. Der Hammerkopf traf das abgebrochene Ende des Pfeils und trieb den Schaft durch das Fleisch der knienden Frau.

Aber nicht fest genug. Das Ende verschwand im Arm, doch der Pfeil blieb stecken.

Irene fluchte und entschuldigte sich.

»Nicht weinen, Kindchen!« sagte Carol, ein Stöhnen unterdrückend. »Es war nicht schlecht für das erste Mal, wirklich nicht. Der Pfeil ist ein ganzes Stück herausgekommen. Weit genug, daß du ihn ganz rausziehen kannst. Du mußt ein dickes Tuch nehmen, fest zupacken und mit einem Ruck ziehen.«

»Ist das nicht zu schmerzhaft für Sie?«

Carol Owen blickte auf den Pfeil, dessen Spitze aus ihrem Arm lugte.

»Das da ist schmerzhaft! So kann es nicht weitergehen.«

Irene faßte sich ein Herz und handelte nach den Anweisungen der Verwundeten.

Sie riß einen Teil des bereitgelegten Verbands ab und wickelte ihn um die von Blut überzogene Pfeilspitze. Sie war so vorsichtig wie möglich, trotzdem zuckte Mrs. Owen bei jeder Berührung vor Schmerz zusammen.

Die Verwundete blieb in der knienden Stellung, die Hand ums Wagenrad gekrallt.

Irene suchte sich einen festen Stand und umfaßte das um die Pfeilspitze gewickelte Tuch mit beiden Händen. Noch einmal tief Luft holen, dann zog sie.

Der Pfeil schoß aus der Wunde, gefolgt von einem Blutstrahl. Irene verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hinterteil. Carol Owens Blut besudelte das graubraune Baumwollkleid der jungen Deutschen.

»Ihr Kleid. es tut mir leid.«

»Vergessen Sie mein Kleid«, sagte Irene und erhob sich. »Sagen Sie mir lieber, wie es Ihrem Arm geht.«

»Tut noch immer weh.«

»Das kann ich mir denken.«

Irene half Mrs. Owen beim Ausziehen der Jacke und dabei, Kleid und Unterkleid soweit abzustreifen, daß der rechte Arm freilag. Die Wunde sah übel aus.

Als Irene einen ordentlichen Schuß Whiskey darauf goß, zuckte die Verwundete zusammen. Aber sie hielt tapfer aus, bis die Frau aus Deutschland einen strammen Verband angelegt hatte.

Irene half ihr beim Anziehen und streifte ihr gerade die Jacke über, als sie Hufschlag hörten, der schnell näherkam.

Nur kurz trafen sich die Blicke der Frauen. Dann schnappte Irene sich den Colt, der diesmal griffbereit lag. Außerdem hatte sie die Waffe nachgeladen, bevor sie sich um Mrs. Owen kümmerte. Sechs Kugeln saßen in der Trommel. Sechsmal hatte Irene die Möglichkeit, sich, Jamie und Carol Owen zu verteidigen.

Aber es war nicht nötig. Erleichtert ließ die blonde Frau den Hahn zurückgleiten und die Waffe sinken, als sie Jacob und Ebenezer Owen erkannte.

Auch auf dem gutaussehenden, offenen Gesicht der Zimmermanns lagen bei Irenes Anblick unbeschreibliche Freude und Erleichterung. Dann aber verdüsterte sich sein Blick, als er die Lanze und den Schild auf dem Boden entdeckte.

»Was ist geschehen?« fragte er, noch bevor er aus dem Sattel stieg.

Irene berichtete es ihm.

Daraufhin warf Jacob dem bärtigen Mann einen vorwurfsvollen Blick zu und sagte: »Ich wußte doch, daß es ein Fehler war, die Frauen allein zu lassen!«

»Warum ein Fehler?« entgegnete Owen. »Es ist doch alles gutgegangen.«

»Aber nur um Haaresbreite.« Jacob seufzte. »Machen wir, daß wir fortkommen.«

»Yeah«, stimmte Owen ihm zu. »Falls sich noch mehr Nez Perce hier herumtreiben, ist es besser, wenn unsere Feuerkraft vereint ist.«

Sie banden das ungesattelte Pferd hinten an den Planwagen. Carol Owen kletterte, unterstützt von den beiden Männern, ins Innere, wo sie sich ausruhen sollte. Jacob stieg zu Irene auf den Bock und Ebenezer Owen auf das gesattelte Pferd. Dann verließen sie den Ort, der den beiden Frauen und Jamie fast zur Todesfalle geworden wäre.

*

Als der Wagen längst außer Sichtweite war, löste sich ein Schatten aus einer Gruppe von Gelbkiefern. Langsam ritt der große kräftige Indianer dahin, wo vor kurzem der Planwagen der Bleichgesichter gestanden hatte.

Jeder Schritt des stolzen Appaloosas bereitete ihm Schmerzen, trotz der Kräuter, die er unter sein Hemd auf die Schußwunde gelegt hatte. Die Kugel der weißen Frau steckte tief in ihm und sandte bei jeder Bewegung des Pferds ihren bösen Zauber durch seinen Körper.

Als der Kaminu die Stelle erreicht hatte, hielt er an und verharrte eine ganze Weile starr auf dem Pferderücken, um neue Kräfte zu sammeln. Er schwitzte, und gleichzeitig war ihm so kalt wie in der Zeit, wenn das Land weiß war.

Er stieg vom Pferd und sackte vor Schmerz zusammen. Er griff nach seiner Lanze und dem Schild. Zweifelnd starrte er auf dessen Lederbespannung.

Hatte der schützende Zauber den Schild verlassen? Es schien fast so, da die Kugel den Krieger getroffen hatte.

Er wollte den Schild schon zurück auf den Boden werfen, da dachte er daran, daß er genauso gut hätte tot sein können. Das sprach für den Zauber des Schilds.

Riding Bear nickte. Ja, er vertraute weiterhin auf seinen Schild.

Wenn er nicht mehr auf seine Waffen vertrauen konnte, was hatte er dann noch?

Er brauchte die Waffen, um sich an den Weißen für alles zu rächen, was sie ihm und seinen Leuten angetan hatten.

Es kostete ihn eine gewaltige Kraftanstrengung, wieder auf den Rücken des Appaloosas zu kommen. Er schwitzte, die Kleidung klebte an seinem Körper.

Er setzte das Pferd in Bewegung, sehr langsam. In die Richtung, in die der Wagen verschwunden war.

Der Haß brannte in Riding Bear, und doch hielt er sich zurück. Er wußte, daß er auf seine Zeit warten mußte. Darauf, daß er wieder stark genug zum Kämpfen war. Und darauf, daß die Weißen ihm eine Gelegenheit zum Zuschlagen boten.

Daran dachte Riding Bear, während der Appaloosa dem Planwagen mit langsamem Schritt folgte.

Daran und an die hellhaarige Frau, die ihn hätte töten können und es doch nicht getan hatte.

*

Als Jacob den Planwagen in das Tal mit dem rauschenden Creek lenkte, war Ebenezer Owens Wagen aus dem Fluß verschwunden.

»Die Furt ist frei!« rief Owen ihm dann auch zu. »Sie können durch, Dutch. Aber treiben Sie die Pferde ordentlich an und passen Sie auf, daß der Wagen nicht allzu sehr ins Schwanken gerät.«

»Ja, danke«, erwiderte der Zimmermann fast gleichgültig.

Dieser Creek war nicht das erste Gewässer, das er mit einem schweren Wagen durchquerte. Auf dem Treck nach Oregon hatte er reißende Ströme durchquert, gegen die dieses Wasser bedeutungslos wirkte.

Als der Wagen mitten im Creek war, verwünschte er seine Überheblichkeit.

Während sich die vier Pferde wacker gegen die Strömung anstemmten, rutschte das Heck des Wagens weg, so kräftig drückte das Wasser des geschmolzenen Winterschnees gegen ihn.

»Jacob, was ist los?« fragte Irene erschrocken und klammerte sich an ihn.

»Unser Wagen ist ziemlich leicht, das habe ich unterschätzt. Er bietet dem Wasserdruck nicht genug Widerstand.«

Er schrie die Pferde an und ließ die Peitsche über ihren Köpfen knallen, aber der Wagen geriet immer weiter in die Schräglage.

Jacob hörte plötzlich auf, die Pferde anzutreiben. Ganz im Gegenteil, er ließ sie in Richtung der Strömung gehen.

»Was tust du da?« fragte Irene entsetzt. Sie sah Jacob an, als sei er verrückt geworden. »Der Wagen gerät jetzt in tieferes Wasser!«

»Aber dafür steht er wieder gerade«, sagte Jacob und ließ die Peitsche unablässig über den Köpfen der Zugpferde die Luft durchschneiden.

Die Tiere gerieten in Panik und setzten ihre letzten Kräfte frei. Immer weiter zogen sie den Wagen zum Ufer und schließlich auf sicheres Land.

Jacob hielt an, um sich mit einem Ärmel seiner Jacke den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen.