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»Ja, und sie haben es tatsächlich gefunden.«

»Richtig, aber was hat es uns gebracht? Strapazen, Scherereien, Unzufriedenheit in der Truppe — und drei Männer, die mit einem Jeep voll Dynamit in die Luft geflogen sind!«

»Wir hatten Befehl von oben.«

»Ich weiß, aber es liegt bei Ihnen, mich mit irgendeiner Mission zu betrauen, zum Beispiel Überlebenstraining im Land der Leere. Stellen Sie sich vor, wir würden mit einem Riesenvermögen zurückkehren! Die Hälfte für das Heer, die andere Hälfte für uns beide und die Truppe. Glauben Sie nicht, daß man mit dem Geld ein paar Generäle milder stimmen könnte, wenn man es geschickt anstellt?«

Der Hauptmann antwortete nicht gleich. Er tauchte bis über den Kopf in den Wassertrog und verharrte so ein paar Sekunden lang, vielleicht um nachzudenken.

Nachdem er wieder aufgetaucht war, meinte er, ohne Malik anzublicken. »Für das, was du mir da eben vorgeschlagen hast, könnte ich dich einlochen lassen!«

»Und was hätten Sie davon? Macht es etwa einen Unterschied, ob man im Bau sitzt oder hier draußen? Noch ein bißchen mehr Hitze, weiter nichts! Immerhin wäre es im Bau längst nicht so heiß wie im Land der Leere

»Bist du wirklich so verzweifelt?«

»Genauso sehr wie Sie! Wenn wir nicht irgend etwas unternehmen, kommen wir hier nie raus, das wissen Sie! Irgendwann kriegt einer von den Scheißkerlen den Koller und knallt uns einfach ab.«

»Bis jetzt sind wir mit ihnen immer fertig geworden.«

»Ja, aber wir haben viel Glück gehabt«, gab Malik zu bedenken. »Wie lange soll das noch so weitergehen? Wir werden älter, unsere Kräfte lassen nach, und früher oder später machen uns die Kerle kalt.«

Hauptmann Kaleb-el-Fasi, Oberkommandierender des gottverlassenen Militärpostens von Adoras, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete lange die Wipfel der Palmen, deren Wedel nicht der leiseste Lufthauch bewegte. Durch sie schimmerte ein so hellblauer Himmel hindurch, daß er fast schon weiß wirkte. Die Augen schmerzten, wenn man zu lange hinaufschaute.

Der Hauptmann dachte an seine Familie: Nach seiner Verurteilung hatte seine Frau die Scheidung erwirkt, seine Söhne hatten ihm nie eine einzige Zeile geschrieben, seine Freunde und Bekannten hatten seinen Namen aus ihrem Gedächtnis getilgt, nachdem sie ihn jahrelang wegen seiner angeblich glänzenden Fähigkeiten umschmeichelt hatten. Und nun war er hier, mitten unter Dieben, Mördern und Rauschgiftsüchtigen, die einen mörderischen Haß auf ihn hatten. Ohne zu zögern würden sie ihm von hinten ein Bajonett in den Leib stoßen oder eine Bombe unter sein Feldbett legen.

»Was brauchtest du denn dafür?« erkundigte sich der Hauptmann schließlich, ohne sich umzudrehen. Er bemühte sich, seine Stimme möglichst uninteressiert klingen zu lassen.

»Einen Lastwagen, einen Jeep und fünf Männer. Ich nehme auch Mubarrak-ben-Sad, den Targi, mit. Er soll uns führen. Außerdem brauche ich Kamele.«

»Wie lange soll das Unternehmen dauern?«

»Vier Monate. Aber einmal wöchentlich könnten wir über Funk Kontakt aufnehmen.«

Jetzt blickte der Hauptmann Malik doch an. »Ich kann niemanden dazu zwingen, dich zu begleiten. Angenommen, du kommst nicht zurück und die Sache sickert durch — dann werde ich an die Wand gestellt.«

»Ich weiß, wer von den Männern gern mitmachen würde und wer schweigen kann. Die anderen dürfen nichts erfahren.«

Der Hauptmann stieg bedächtig aus dem Wassertrog, schlüpfte in eine kurze weiße Hose und fuhr mit den Füßen in die nails[20]. Er überließ es der warmen Luft, seine nasse Haut zu trocknen.

»Ich glaube, du bist so verrückt wie dieser Targi«, meinte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber vielleicht hast du recht, und dein Plan ist besser, als hier rumzusitzen und auf den Tod zu warten.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Wir müßten natürlich einen triftigen Grund für ein so zeitraubendes Unternehmen finden — auch für den Fall, daß du nicht zurückkehrst.«

Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

Auch Malik grinste. Er freute sich, daß er sich durchgesetzt hatte, aber im Grunde war er sich von Anfang an sicher gewesen. Seit der Targi sich in aller Frühe davongemacht hatte, hatte Malik pausenlos darüber nachgegrübelt, wie er dem Hauptmann sein Vorhaben am überzeugendsten darlegen könnte. Und je gründlicher er die Angelegenheit in allen Details durchdacht hatte, desto größer war seine Gewißheit geworden, daß sein Vorgesetzter ihm die Erlaubnis erteilen würde.

Die beiden Männer gingen nebeneinander auf die große Baracke zu, in der sich die Schreibstube befand.

»Ich habe mir schon einen Grund zurechtgelegt«, sagte Malik.

Der Hauptmann blieb stehen und blickte ihn fragend an.

»Sklaven«, fuhr Malik fort.

»Sklaven?«

»Ja. Es könnte doch sein, daß der Targi, der heute früh weitergeritten ist, mir von Sklavenhändlern erzählt hat, die mit einer Karawane durch unser Gebiet ziehen. Der Sklavenhandel hat ja tatsächlich wieder auf alarmierende Weise zugenommen.«

»Das weiß ich. Aber die Sklavenhändler ziehen in Richtung Rotes Meer und versorgen die Länder, in denen Sklaverei noch nicht verboten ist.«

»Richtig«, stimmte ihm Malik bei. »Aber was hindert uns daran, einer Meldung nachzugehen und später zu behaupten, es sei eine Falschmeldung gewesen?« Er lächelte spöttisch. »Wir könnten dann sogar erwarten, daß man uns für unseren Eifer und unsere Einsatzbereitschaft lobt.«

Sie betraten die Schreibstube, einen großen Raum, in dem es nur zwei Schreibtische gab. Schon zu dieser morgendlichen Stunde war es in der Baracke drückend heiß. Der Hauptmann ging geradewegs auf eine große Landkarte des Militärbezirks zu, die die ganze hintere Wand bedeckte.

»Manchmal frage ich mich, wie sie dich überhaupt schnappen und in diese gottverlassene Gegend versetzen konnten, wo du doch so schlau bist… Wo willst du mit der Suche anfangen?«

Malik wies ohne Zögern auf einen großen, gelblichen Fleck, in dessen Mitte sich eine schneeweiße Fläche befand. Dort gab es nicht die geringste Spur von einem Weg, einem Kamelpfad, einem Brunnen oder gar einer menschlichen Siedlung.

»Hier, genau in der Mitte von Tikdabra. Logischerweise hätte die Karawane südlich an Tikdabra vorbei gemußt, aber falls sie vom Weg abgekommen ist und sich weiter im Norden zwischen den Dünen verirrt hat, muß sie zwangsläufig irgendwann auf dieses Land der Leere gestoßen sein — und dann war es zum Umkehren zu spät. Die Anführer der Karawane konnten nur noch versuchen, die Brunnen von Moulay-el-Akbar zu erreichen. Aber sie haben es nicht geschafft.«

»Das ist nichts weiter als eine Theorie. Genausogut könnte sich die Karawane woanders befinden.«

»Mag sein, aber sie ist nicht woanders! Jahrelang ist die Gegend südlich von Tikdabra durchkämmt worden, und danach hat man sogar im Osten und schließlich im Westen gesucht. An Tikdabra selbst hat sich noch niemand herangetraut. Das heißt: Niemand von denen, die es versucht haben, ist zurückgekehrt.«

Der Hauptmann stellte eine überschlägige Rechnung auf: »Das Gebiet ist über fünfhundert Kilometer lang und dreihundert Kilometer breit. Es besteht aus Dünen und tischebenen Landstrichen. Es wäre wohl leichter, einen Floh in einer ganzen Herde von Reitkamelen zu finden!«

Maliks Antwort konnte nicht deutlicher sein: »Ich habe elf Jahre Zeit zum Suchen.«

Der Hauptmann ließ sich in einen wackeligen, mit Gazellenleder bezogenen Sessel fallen, kramte nach einer Zigarette, zündete sie in aller Ruhe an und starrte auf die Landkarte, die er längst auswendig kannte, denn sie hatte schon an jenem Tag dort gehangen, an dem er hier eintraf. Er kannte die Wüste und wußte deshalb, was es bedeutete, sich in einen erg wie Tikdabra hineinzuwagen. Ein solches Gebiet bestand aus einer ununterbrochenen Folge sehr hoher und langgestreckter Wanderdünen, die den gigantischen Wellen eines stürmischen Meeres ähnelten.

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20

nails — Sandalen der Tuareg