Johann Christoph Friedrich von Schiller Schiller. Turandot, Prinzessin von China
This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de.
Turandot, Prinzessin von China.
Friedrich Schiller.
Ein tragikomisches Maerchen nach Gozzi.
Personen:
Altoum, fabelhafter Kaiser von China.
Turandot, seine Tochter.
Adelma, eine tartarische Prinzessin, ihre Sklavin.
Zelima, eine andere Sklavin der Turandot.
Skirina, Mutter der Zelima.
Barak, ihr Gatte, ehmals Hofmeister des
Kalaf, Prinzen von Astrachan.
Timur, vertriebener Koenig von Astrachan.
Ismael, Begleiter des Prinzen von Samarcand.
Tartaglia, Minister.
Pantalon, Kanzler.
Truffaldin, Aufseher der Verschnittenen.
Brigella, Hauptmann der Wache.
Doctoren des Divans.
Sklaven und Sklavinnen des Serails.
Erster Aufzug.
Vorstadt von Peckin.
Prospekt eines Stadtthors. Eiserne Staebe ragen ueber demselben
hervor, worauf mehrere geschorne, mit tuerkischen Schoepfen
versehene Koepfe als Masken und so, dass sie als eine Zierrath
erscheinen koennen, symmetrisch aufgepflanzt sind.
Erster Auftritt.
Prinz Kalaf, in tartarischem Geschmack, etwas phantastisch
gekleidet, tritt aus einem Hause. Gleich darauf Barak, aus
der Stadt kommend.
Kalaf.
Habt Dank, ihr Goetter! Auch zu Peckin sollt' ich
Eine gute Seele finden!
Barak (in persischer Tracht, tritt auf, erblickt ihn und faehrt
erstaunt zurueck).
Seh' ich recht?
Prinz Kalaf! Wie? Er lebt noch!
Kalaf (ernennt ihn). Barak!
Barak (auf ihn zueilend). Herr!
Kalaf. Dich find' ich hier?
Barak. Euch seh' ich lebend wieder!
Und hier zu Peckin!
Kalaf. Schweig! Verrath mich nicht!
Beim grossen Lama, sprich! Wie bist du hier?
Barak. Durch ein Geschick der Goetter, muss ich glauben,
Da es mich hier mit Euch zusammenfuehrt.
An jenem Tag des Ungluecks, als ich sah,
Dass unsre Voelker flohen, der Tyrann
Von Tefflis unaufhaltsam in das Reich
Eindrang, floh ich nach Astrachan zurueck,
Bedeckt mit schweren Wunden. Hier vernahm ich,
Dass Ihr und Koenig Timur, Euer Vater,
Im Treffen umgekommen. Meinen Schmerz
Erzaehl' ich nicht; verloren gab ich Alles,
Und sinnlos eilt' ich zum Palaste nun,
Elmazen, Eure koenigliche Mutter,
Zu retten; doch ich suchte sie vergebens!
Schon zog der Sieger ein zu Astrachan,
Und in Verzweiflung eilt' ich aus den Thoren.
Von Land zu Lande irrt' ich fluechtig nun
Drei Jahre lang umher, ein Obdach suchend,
Bis ich zuletzt nach Peckin mich gefunden.
Hier unterm Namen Hassan glueckte mir's,
Durch treue Dienste einer Wittwe Gunst
Mir zu erwerben, und sie ward mein Weib.
Sie kennt mich nicht; ein Perser bin ich ihr.
Hier leb' ich nun, obwohl gering und arm
Nach meinem vor'gen Loos, doch ueberreich
In diesem Augenblicke, da ich Euch,
Den Prinzen Kalaf, meines Koenigs Sohn,
Den ich erzogen, den ich Jahre lang
Fuer todt beweint, im Leben wieder sehe!
-Wie aber lebend? Wie in Peckin hier?
Kalaf. Nenne mich nicht. Nach jener ungluecksel'gen Schlacht
Bei Astrachan, die uns das Reich gekostet,
Eilt' ich mit meinem Vater zum Palast;
Schnell rafften wir das Kostbarste zusammen,
Was sich an Edelsteinen fand, und flohn.
In Bauerntracht verhuellt, durchkreuzten wir,
Der Koenig und Elmaze, meine Mutter,
Die Wuesten und das felsigte Gebirg.
Gott, was erlitten wir nicht da! Am Fuss
Des Kaukasus raubt' eine wilde Horde
Von Malandrinen uns die Schaetze; nur
Das nackte Leben blieb uns zum Gewinn.
Wir mussten kaempfen mit des Hungers Qualen
Und jedes Elends mannigfacher Noth.
Den Vater trug ich bald und bald die Mutter
Auf meinen Schultern, eine theure Last.
Kaum wehrt' ich seiner wuethenden Verzweiflung,
Dass er den Dolch nicht auf sein Leben zuckte;
Die Mutter hielt ich kaum, dass sie, von Gram
Erschoepft, nicht niedersank! So kamen wir
Nach Jaik endlich, der Tartarenstadt,
Und hier, an der Moscheen Thor, musst' ich
Ein Bettler flehen um die magre Kost,
Der theuren Eltern Leben zu erhalten.
-Ein neues Unglueck! Unser grimm'ger Feind,
Der Khan von Tefflis, voll Tyrannenfurcht,
Misstrauend dem Geruecht von unserm Tode,
Er liess durch alle Laender uns verfolgen.
Vorausgeeilt schon war uns sein Befehl,
Der alle kleinen Koenige seiner Herrschaft
Aufbot, uns nachzuspaehn. Nur schnelle Flucht
Entzog uns seiner Spuerer Wachsamkeit-
Ach, wo verbaerg' sich ein gefallner Koenig!
Barak. O, nichts mehr! Eure Worte spalten mir
Das Herz! Ein grosser Fuerst in solchem Elend!
Doch sagt! Lebt mein Gebieter noch, und lebt
Elmaze, meine Koenigin?
Kalaf. Sie leben.
Und wisse, Barak, in der Noth allein
Bewaehret sich der Adel grosser Seelen.
-Wir kamen in der Karazanen Land;
Dort, in den Gaerten Koenig Keicobads,
Musst' ich zu Knechtes Diensten mich bequemen,
Dem bittern Hungertode zu entfliehn.
Mich sah Adelma dort, des Koenigs Tochter,
Mein Anblick ruehrte sie, es schien ihr Herz
Von zaertlichern Gefuehlen, als des Mitleids,
Sich fuer den fremden Gaertner zu bewegen.
Scharf sieht die Liebe, nimmer glaubte sie
Mich zu dem Loos, wo sie mich fand, geboren.
-Doch weiss ich nicht, welch boesen Sternes Macht
Der Karazanen Koenig Keicobad
Verblendete, den maecht'gen Altoum,
Den Grosskhan der Chinesen, zu bekriegen.
Das Volk erzaehlte Seltsames davon.
Was ich berichten kann, ist dies: Besiegt
Ward Keicobad, sein ganzer Stamm vertilgt;
Adelma selbst mit sieben andern Toechtern
Des Koenigs ward ertraenkt in einem Strome.
-Wir aber flohen in ein andres Land;
So kamen wir nach langem Irren endlich
Zu Berlas an-Was bleibt mir noch zu sagen?
Vier Jahre lang schafft' ich den Eltern Brod,
Dass ich um duerft'ges Taglohn Lasten trug.
Barak. Nicht weiter, Prinz. Vergessen wir das Elend,
Da ich Euch jetzt in kriegerischem Schmuck
Und Heldenstaat erblicke. Sagt. wie endlich
Das Glueck Euch guenstig ward?
Kalaf. Mir guenstig! Hoere!
Dem Khan von Berlas war ein edler Sperber
Entwischt, den er in hohem Werthe hielt.
Ich fand den Sperber, ueberbracht' ihn selbst
Dem Koenig-Dieser fragt nach meinem Namen;
Ich gebe mich fuer einen Elenden,
Der seine Eltern naehrt mit Lastentragen.
Drauf liess der Khan den Vater und die Mutter
Im Hospital versorgen. (Er haelt inne.) Barak! Dort,
Im Aufenthalt des allerhoechsten Elends,
Dort ist dein Koenig-deine Koenigin.
Auch dort nicht sicher, dort noch in Gefahr,
Erkannt zu werden und getoedtet!