Kalaf. Haettest du
Ihr Leiden, ihren wilden Schmerz gesehn!
Barak. Auf Eurer Eltern Schmerz, die Ihr zu Berlas
Trostlos verlassen, haettet Ihr, und nicht
Auf eines Weibes Thraenen achten sollen!
Kalaf. Schilt meine Liebe nicht! Ich wollt' ihr gerne
Gefaellig sein.-Vielleicht, dass meine Grossmuth
Sie ruehrt, dass Dankbarkeit in ihrem Herzen-
Barak. Im Herzen dieser Schlange Dankbarkeit?
Das hoffet nie.
Kalaf. Entgehn kann sie mir nicht.
Wie faende sie mein Raethsel aus? Du, Barak,
Nicht wahr? Du hast mich nicht verrathen? Nicht?
Vielleicht, dass du im Stillen deinem Weibe
Vertraut hast, wer ich sei?
Barak. Ich? Keine Silbe.
Barak weiss Euren Winken zu gehorchen;
Doch weiss ich nicht, welch schwarze Ahnung mir
Den Sinn umnachtet und das Herz beklemmt!
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Pantalon. Tartaglia und Brigella mit Soldaten.
Pantalon. Sieh, sieh! Da ist er ja! Potz Element,
Wo steckt Ihr, Prinz? Was habt Ihr hier zu schaffen?
(Den Barak mit den Augen musternd.)
Und wer ist dieser Mann, mit dem Ihr schwatzt?
Barak (fuer sich). Weh' uns! Was wird das?
Tartaglia. Sprecht! Wer ist der Mann?
Kalaf. Ich kenn' ihn nicht. Ich fand ihn hier nur so
Von ohngefaehr, und weil ich muessig war,
Fragt' ich ihn um die Stadt und ihre Braeuche.
Tartaglia. Haltet zu Gnaden, Prinz! Ihr seid zu grad
Fuer diese falsche Welt; das gute Herz
Rennt mit dem Kopf davon-Heut frueh im Divan!
Wie Teufel kamt Ihr zu dem Narrenstreich,
Den Vogel wieder aus der Hand zu lassen!
Pantalon. Lasst' s gut sein. Was geschehn ist, ist geschehn.
Ihr wisst nicht, lieber junger Prinz, wie tief Ihr
Im Wasser steht, wie Euch von allen Seiten
Betrug umlauert und Verraetherstricke
Umgeben-Lassen wir Euch aus den Augen,
So richtet man Euch ab, wie einen Staar. (Zu Barak)
Herr Nachbar Naseweis, steckt Eure Nase
Wo anders hin-Beliebt es Eurer Hoheit
Ins Haus herein zu gehn-He da, Soldaten!
Nehmt ihn in eure Mitte!-Ihr, Brigella,
Wisst Eure Pflicht-Bewachet seine Thuer
Bis morgen fruehe zu des Divans Stunde.
Kein Mensch darf zu ihm ein! So will's der Kaiser.
(Zu Kalaf.)
Merkt Ihr? Er ist verliebt in Euch und fuerchtet,
Es moechte noch ein Unheil zwischen kommen.
Seid Ihr bis morgen nicht sein Schwiegersohn,
So, fuercht' ich, tragen wir den alten Herrn
Zu Grabe-Nichts fuer ungut, Prinz! Doch das
Von heute Morgen war-mit Eurer Gunst-
Ein Narrenstreich!-Ums Himmelswillen! Gebt Euch
Nicht bloss, lasst Euch den Namen nicht entlocken!
(Ihm ins Ohr zutraulich.)
Doch wollt Ihr ihn dem alten Pantalon
Ganz sachtchen, sachtchen in die Ohren wispern,
So wird er sich gar schoen dafuer bedanken.
Bekommt er diese Recompens?
Kalaf. Wie, Alter?
Gehorcht Ihr so dem Kaiser, Euerm Herrn?
Pantalon. Bravo! Scharmant!-Nun marsch! Voran, Brigella!
Habt Ihr's gehoert? Was steht Ihr hier und gaffet?
Brigella. Beliebet nur das Plaudern einzustellen,
So werd' ich thun, was meines Amtes ist.
Tartaglia. Passt ja wohl auf! Der Kopf steht drauf, Brigella.
Brigella. Ich habe meinen Kopf so lieb, als Ihr
Den Euren, Herr! 's braucht der Ermahnung nicht.
Tartaglia. Es juckt und brennt mich nach dem Namen-Uh!
Geruhtet Ihr, ihn mir zu sagen, Hoheit,
Recht wie ein Kleinod wollt' ich ihn bei mir
Vergraben und bewahren-Ja, das wollt' ich!
Kalaf. Umsonst versucht Ihr mich. Am naechsten Morgen
Erfahrt Ihr ihn. erfaehrt ihn alle Welt.
Tartaglia. Bravo! Bravissimo! Hol' mich der Teufel!
Pantalon. Nun, Gott befohlen, Prinz! (Zu Barak)
Und Ihr, Herr Schlingel!
Ihr thaetet besser, Eurer Arbeit nach
Zu gehn, als im Palast hier aufzupassen,
Versteht Ihr mich? (Geht ab.)
Tartaglia (sieht ihn scheel an). Ja wohl! Ja wohl! Ihr habt mir
So ein gewisses Ansehn-eine Miene,
Die mir nicht ausserordentlich gefaellt.
Ich rath' Euch Gutes, geht! (Folgt dem Pantalon.)
Brigella (zu Kalaf). Erlaubt mir, Prinz,
Dass ich Dem, der befehlen kann, gehorche.
Lasst's Euch gefallen, in dies Haus zu gehn.
Kalaf. Das will ich gerne. (Zu Barak leise.)
Freund, auf Wiedersehn!
Zu besserer Gelegenheit! Leb wohl!
Barak. Herr, ich bin Euer Sklav!
Brigella. Nur fort! Nur fort!
Und macht den Ceremonien ein Ende!
(Kalaf folgt den Soldaten, die ihn in ihre Mitte nehmen, Timur
tritt von der entgegengesetzten Seite auf, bemerkt ihn und macht
Geberden des Schreckens und Erstaunens.)
Barak (ihm nachsehend).
Der Himmel steh' dir bei, treuherz'ge Unschuld!
Was mich betrifft, ich huete meine Zunge.
Fuenfter Auftritt.
Timur, ein Greis in duerftiger Kleidung. Barak.
Timur (entsetzt, fuer sich).
Weh mir! Mein Sohn! Soldaten fuehren ihn
Gefangen fort! Sie fuehren ihn zum Tode!
Gewiss, gewiss, dass der Tyrann von Tefflis,
Der Raeuber meines Reichs, ihn bis nach Peckin
Verfolgen liess und seine Rache saettigt!
Doch mit ihm will ich sterben! (Eilt ihm nach und ruft laut.)
Kalaf! Kalaf!
Barak (tritt ihm in den Weg und haelt ihm das Schwert auf die Brust).
Halt ein, Ungluecklicher! Du bist des Todes!
(Pause. Beide sehen einander erstaunt an. Unterdessen hat sich
Kalaf mit den Soldaten entfernt.)
Wer bist du, Alter? Woher kommst du? Sprich!
Dass du den Namen dieses Juenglings weisst?
Timur. Was seh' ich? Gott! Du, Barak? Du in Peckin?
Du sein Verraether? Ein Rebell? Und zueckst
Das Schwert auf deinen Koenig?
Barak (laesst erstaunt das Schwert sinken). Grosse Goetter!
Ist's moeglich?-Timur?
Timur. Ja, Verraether!
Ich bin es, dein ungluecklicher Monarch,
Von aller Welt, nun auch von dir verrathen!
Was zoegerst du? Nimm dieses Leben hin!
Verhasst ist mir's, da ich die treusten Diener
Um schnoeden Vortheils willen undankbar
Und meinen Sohn dem Tod geopfert sehe!
Barak. Herr!-Herr! O Gott! Das ist mein Fuerst, mein Koenig!
Er ist's! Nur allzuwohl erkenn' ich ihn. (Faellt ihm zu Fuessen.)
In diesem Staub! In dieser Niedrigkeit!
Ihr Goetter, muss mein Auge dies erleben!