Brigella (geht, kommt aber gleich wieder zurueck).
Ein Wort zur Nachricht, Hoheit-Wenn Euch hier
Von ohngefaehr so was erscheinen sollte-
Macht Eure Sache gut-Ihr seid gewarnt!
Kalaf. Erscheinungen? Wie so? An diesem Ort?
(Mustert mit unruhigen Blicke das Zimmer.)
Brigella. Du lieber Himmel! Uns ist zwar verboten
Bei Lebensstrafe, Niemand einzulassen.
Doch-arme Diener! Herr, Ihr wisst ja wohl!
Der Kaiser ist der Kaiser, die Prinzess
Ist, so zu sagen, Kaiserin-und was
Die in den Kopf sich setzt, das muss geschehn!
's wird Einem sauer, Hoheit, zwischen zwei
Dachtraufen trocknen Kleides durchzukommen.
-Versteht mich wohl. Man moechte seine Pflicht
Gern ehrlich thun-Doch man eruebrigte
Auch gern etwas fuer seine alten Tage.
Herr, unsereins ist halter uebel dran!
Kalaf. Wie? Sollte man mir gar ans Leben wollen?
Brigella, rede!
Brigella. Gott soll mich bewahren!
Allein bedenkt die Neugier, die man hat,
Zu wissen, wer Ihr seid. Es koennte sich
Zum Beispiel fuegen, dass-durchs Schluesselloch-
Ein Geist-ein Unhold-eine Hexe kaeme,
Euch zu versuchen-Gnug! Ihr seid gewarnt!
Versteht mich-Arme Diener, arme Schelme!
Kalaf (laechelnd). Sei ausser Sorgen. Ich verstehe dich
Und werde mich in Acht zu nehmen wissen.
Brigella. Thut das, und somit Gott befohlen, Herr.
Ums Himmels willen, bringt mich nicht ins Unglueck!
(Gegen die Zuschauer.)
Es kann geschehen, dass man einen Beutel
Mit Golde ausschlaegt-moeglich ist's! Was mich betrifft,
Ich that mein Bestes, und ich konnt' es nicht. (Er geht ab.)
Kalaf. Er hat mir Argwohn in mein Herz gepflanzt.
Wer koennte mich hier ueberfallen wollen?
Und lass die Teufel aus der Hoelle selbst
Ankommen, dieses Herz wird standhaft bleiben. (Er tritt ans Fenster.)
Der Tag ist nicht mehr weit, ich werde nun
Nicht lange mehr auf dieser Folter liegen.
Indess versuch' ich es, ob ich vielleicht
Den Schlaf auf diese Augen locken kann.
(Indem er sich auf das Ruhebette niederlassen will, oeffnet sich
eine von den Thueren.)
Achter Auftritt.
Kalaf. Skirina in maennlicher Kleidung und mit einer Maske vor
dem Gesicht.
Skirina (furchtsam sich naehernd).
Mein lieber Herr-Herr-O, wie zittert mir
Das Herz!
Kalaf (auffahrend). Wer bist du, und was suchst du hier?
Skirina (nimmt die Maske vom Gesicht).
Kennt Ihr mich nicht? Ich bin ja Skirina,
Des armen Hassans Weib und Eure Wirthin.
Verkleidet hab' ich durch die Wachen mich
Herein gestohlen-Ach! was hab' ich Euch
Nicht alles zu erzaehlen-Doch die Angst
Erstickt mich, und die Kniee zittern mir;
Ich kann vor Thraenen nicht zu Worte kommen.
Kalaf. Sprecht, gute Frau. Was habt Ihr mir zu sagen?
Skirina (sich immer schuechtern umsehend).
Mein armer Mann haelt sich versteckt. Es ward
Der Turandot gesagt, dass er Euch kenne.
Nun wird ihm nachgespuert an allen Orten,
Ihn ins Serail zu schleppen und ihm dort
Gewaltsam Euren Namen abzupressen.
Wird er entdeckt, so ist's um ihn geschehn;
Denn eher will er unter Martern sterben,
Als Euch verrathen.
Kalaf. Treuer, wackrer Diener!
-Ach, die Unmenschliche!
Skirina. Ihr habt noch mehr
Von mir zu hoeren-Euer Vater ist
In meinem Haus.
Kalaf. Was sagst du? Grosse Goetter!
Skirina. Von Eurer Mutter zum trostlosen Wittwer
Gemacht-
Kalaf. O meine Mutter!
Skirina. Hoert mich weiter!
Er weiss, dass man Euch hier bewacht; er zittert
Fuer Euer Leben; er ist ausser sich;
Er will verzweifelnd vor den Kaiser dringen,
Sich ihm entdecken, kost' es, was es wolle;
Mit meinem Sohne, ruft er, will ich sterben!
Vergebens such' ich ihn zurueck zu halten,
Sein Ohr ist taub, er hoert nur seinen Schmerz;
Nur das Versprechen, das ich ihm gethan,
Ein troestend Schreiben ihm von Eurer Hand
Mit Eures Namens Unterschrift zu bringen,
Das ihm Versichrung gibt von Eurem Leben,
Hielt ihn vom Aeussersten zurueck! So hab' ich mich
Hieher gewagt und in Gefahr gesetzt,
Dem kummervollen Greise Trost zu bringen.
Kalaf. Mein Vater hier in Peckin! Meine Mutter
Im Grab!-Du hintergehst mich, Skirina!
Skirina. Mich strafe Fohi, wenn ich Euch das luege!
Kalaf. Bejammernswerther Vater! Arme Mutter!
Skirina (dringend). Kein Augenblick ist zu verlieren! Kommt!
Bedenkt Euch nicht; schreibt diese wen'gen Worte.
Fehlt Euch das Noethige, ich bracht' es mit.
(Sie zieht eine Schreibtafel hervor.)
Genug, wenn dieser kummervolle Greis
Zwei Zeilen nur von Eurer Hand erhaelt,
Dass Ihr noch lebt und dass Ihr Gutes hofft.
Sonst treibt ihn die Verzweiflung an den Hof,
Er nennt sich dort, und Alles ist verloren.
Kalaf. Ja, gib mir diese Tafel!
(Er ist im Begriff zu schreiben, haelt aber ploetzlich inne und
sieht sie forschend an.)
Skirina!
Hast du nicht eine Tochter im Serail?
-Ja, ja, ganz recht. Sie dient Sklavin dort
Der Turandot; dein Mann hat mir's gesagt.
Skirina. Nun ja! Wie kommt Ihr darauf?
Kalaf. Skirina!
Geh nur zurueck und sage meinem Vater
Von meinetwegen, dass er ohne Furcht
Geheimen Zutritt bei dem Kaiser fordre
Und ihm entdecke, was sein Herz ihn heisst.
Ich bin's zufrieden.
Skirina (betroffen). Ihr verweigert mir
Den Brief? Ein Wort von Eurer Hand genuegt.
Kalaf. Nein, Skirina, ich schreibe nicht. Erst morgen
Erfaehrt man, wer ich bin-Ich wundre mich,
Dass Hassans Weib mich zu verrathen sucht.
Skirina. Ich Euch verrathen! Guter Gott! (Fuer sich.)
Adelma mag denn selbst ihr Spiel vollenden. (Zu Kalaf.)
Wohl, Prinz! Wie's Euch beliebt! Ich geh' nach Hause,
Ich richte Eure Botschaft aus; doch glaubt' ich nicht,
Nach so viel uebernommener Gefahr
Und Muehe Euren Argwohn zu verdienen. (Im Abgehen.)
Adelma wacht, und Dieser schlummert nicht. (Entfernt sich.)
Kalaf. Erscheinungen!-Du sagtest recht, Brigella!
Doch, dass mein Vater hier in Peckin sei
Und meine Mutter todt, hat dieses Weib
Mit einem heil'gen Eide mir bekraeftigt!
Kommt doch das Unglueck nie allein! Ach, nur
Zu glaubhaft ist der Mund, der Boeses meldet!
(Die entgegengesetzte Thuere oeffnet sich.)
Noch ein Gespenst! Lass sehen, was es will!