Bejammert, Prinz! Es sind fuenf Jahre nun,
Da ich, noch selber eine Guenstlingin
Des Gluecks, in niederm Sklavenstand Euch sah.
Schon damals sagte mir's mein Herz, dass Euch
Geburt zu einem bessern Loos berufen.
Ich weiss, dass ich gethan, was ich gekonnt,
Euch ein unwuerdig Schicksal zu erleichtern.
Weiss, dass mein Aug sich Euch verstaendlich machte,
Soweit es einer Koenigstochter ziemte. (Sie entschleiert sich.)
Seht her, mein Prinz, und sagt mir! Dies Gesicht,
Habt Ihr es nie gesehn in Eurem Leben?
Kalaf. Adelma! Ew'ge Goetter! Seh' ich recht?
Adelma. Ihr sehet in unwuerd'gen Sklavenbanden
Die Tochter Keicobads, des Koeniges
Der Karazanen, einst zum Thron bestimmt,
Jetzt zu der Knechtschaft Schmach herabgestossen.
Kalaf. Die Welt hat Euch fuer todt beweint. In welcher
Gestalt, weh mir, muss ich Euch wieder finden!
Euch hier als eine Sklavin des Serails,
Die Koenigin, die edle Fuerstentochter!
Adelma. Und als die Sklavin dieser Turandot,
Der grausamen Ursache meines Falles!
Vernehmt mein ganzes Unglueck, Prinz! Mir lebte
Ein Bruder, ein geliebter, theurer Juengling,
Den diese stolze Turandot, wie Euch,
Bezauberte-Er wagte sich im Divan.
(Sie haelt inne, von Schluchzen und Thraenen unterbrochen.)
Unter den Haeuptern, die man auf dem Thore
Zu Peckin sieht-entsetzensvoller Anblick!-
Erblicktet Ihr auch das geliebte Haupt
Des theuren Bruders, den ich noch beweine.
Kalaf. Unglueckliche! So log die Sage nicht!
So ist sie wahr, die klaegliche Geschichte,
Die ich fuer eine Fabel nur gehalten!
Adelma. Mein Vater Keicobad, ein kuehner Mann,
Nur seinem Schmerz gehorchend, ueberzog
Die Staaten Altoums mit Heeresmacht,
Des Sohnes Mord zu raechen-Ach, das Glueck
War ihm nicht guenstig! Maennlich fechtend fiel er
Mit allen seinen Soehnen in der Schlacht.
Ich selbst, mit meiner Mutter, meinen Schwestern,
Ward auf Befehl des wuethenden Veziers,
Der unsern Stamm verfolgte, in den Strom
Geworfen. Jene kamen um; nur mich
Errettete die Menschlichkeit des Kaisers,
Der in dem Augenblick ans Ufer kam.
Er schalt die Graeuelthat und liess im Strom
Nach meinem jammervollen Leben fischen.
Schon halb entseelt werd' ich zum Strand gezogen;
Man ruft ins Leben mich zurueck; ich werde
Der Turandot als Sklavin uebergeben,
Zu gluecklich noch, das Leben als Geschenk
Von eines Feindes Grossmuth zu empfangen.
O, lebt in Eurem Busen menschliches Gefuehl,
So lasst mein Schicksal Euch zu Herzen gehn!
Denkt, was ich leide! Denkt, wie es ins Herz
Mir schneidet, sie, die meinen ganzen Stamm
Vertilgt, als eine Sklavin zu bedienen.
Kalaf. Mich jammert Euer Unglueck. Ja, Prinzessin,
Aufricht'ge Thraenen zoll' ich Eurem Leiden-
Doch Euer grausam Loos, nicht Turandot
Klagt an-Eu'r Bruder fiel durch eigne Schuld,
Euer Vater stuerzte sich und sein Geschlecht
Durch uebereilten Rathschluss ins Verderben.
Sagt, was kann ich, selbst ein Ungluecklicher,
Ein Ball der Schicksalsmaechte, fuer Euch thun?
Ersteig' ich morgen meiner Wuensche Gipfel,
So sollt Ihr frei und gluecklich sein-Doch jetzt
Kann Euer Unglueck nichts als meins vermehren.
Adelma. Der Unbekannten konntet Ihr misstrauen;
Ihr kennt mich nun-Der Fuerstin werdet Ihr,
Der Koenigstochter, glauben, was sie Euch
Ans Mitleid sagen muss und lieber noch
Aus Zaertlichkeit, aus Liebe sagen moechte.
-O, moechte dies befangne Herz mir trauen,
Wenn ich jetzt wider die Geliebte zeuge!
Kalaf. Adelma, sprecht, was habt Ihr mir zu sagen?
Adelma. Wisst also, Prinz-Doch nein, Ihr werdet glauben
Ich sei gekommen, Euch zu taeuschen, werdet
Mit jenen feilen Seelen mich verwechseln,
Die fuer das Sklavenjoch geboren sind.
Kalaf. Quaelt mich nicht laenger! Ich beschwoer' Euch, sprecht!
Was ist's? Was habt Ihr mir von ihr zu sagen,
Die meines Lebens einz'ge Goettin ist?
Adelma (bei Seite). Gib Himmel, dass ich jetzt ihn ueberrede!
(Zu Kalaf sich wendend.)
Prinz, diese Turandot, die schaendliche,
Herzlose, falsche, hat Befehl gegeben,
Euch heut am fruehen Morgen zu ermorden.
-Dies ist die Liebe Eurer Lebensgoettin!
Kalaf. Mich zu ermorden?
Adelma. Ja, Euch zu ermorden!
Beim ersten Schritt aus diesem Zimmer tauchen
Sich zwanzig Degenspitzen Euch ins Herz,
So hat es die Unmenschliche befohlen.
Kalaf (steht schnell auf und geht gegen die Thuere).
Ich will die Wache unterrichten.
Adelma (haelt ihn zurueck). Bleibt!
Wo wollt Ihr hin? Ihr hofft noch, Euch zu retten?
Ungluecklicher, Ihr wisst nicht, wo Ihr seid,
Dass Euch des Mordes Netze rings umgeben!
Dieselben Wachen, die der Kaiser Euch
Zu Huetern Eures Lebens gab, sie sind-
Gedingt von seiner Tochter, Euch zu toedten.
Kalaf (ausser sich, laut und heftig mit dem Ausdruck des
innigsten Leides).
O Timur! Timur! Ungluecksel'ger Vater!
So muss dein Kalaf endigen! Du musst
Nach Peckin kommen, auf sein Grab zu weinen!
Das ist der Trost, den dir dein Sohn versprach!
-Furchtbares Schicksal!
(Er verhuellt sein Gesicht, ganz seinem Schmerz hingegeben.)
Adelma (fuer sich, mit frohem Erstaunen). Kalaf! Timurs Sohn!
Gluecksel'ger Fund!-Fall' es nun, wie es wolle!
Entgeh' er meinen Schlingen auch, ich trage
Mit diesen Namen sein Geschick in Haenden.
Kalaf. So bin ich mitten unter den Soldaten,
Die man zum Schutz mir an die Seite gab,
Verrathen! Ach, wohl sagte mir's vorhin
Der feilen Sklaven einer, dass Bestechung
Und Furcht des Maechtigen das schwache Band
Der Treue loesen-Leben, fahre hin!
Vergeblich ist's, dem grausamen Gestirn,
Das uns verfolgt, zu widerstehn-Du sollst
Den Willen haben, Grausame-dein Aug
An meinem Blute weiden! Suesses Leben,
Fahr hin! Nicht zu entfliehen ist dem Schicksal.
Adelma (mit Feuer). Prinz, zum Entfliehen zeig' ich Euch die Wege,
Nicht muess'ge Thraenen bloss hab' ich fuer Euch.
Gewacht hab' ich indess, gesorgt, gehandelt,
Kein Gold gespart, die Hueter zu bestechen.
Der Weg ist offen. Folgt mir! Euch vom Tode,
Mich aus den Banden zu befreien, komm' ich.
Die Pferde warten, die Gefaehrten sind
Bereit. Lasst uns aus diesen Mauern fliehen,
Worauf der Fluch der Goetter liegt. Der Khan
Von Berlas ist mein Freund, ist mir durch Bande
Des Bluts verknuepft und heilige Vertraege.
Er wird uns schuetzen, seine Staaten oeffnen,
Uns Waffen leihen, meiner Vaeter Reich
Zurueck zu nehmen, dass ich mit Euch theile,
Wenn Ihr der Liebe Opfer nicht verschmaeht.
Verschmaeht Ihr's aber und verachtet mich,
So ist die Tartarei noch reich genug
An Fuerstentoechtern, dieser Turandot
An Schoenheit gleich und zaertlicher als sie.
Aus ihnen waehlt Euch eine wuerdige