Gemahlin aus! Ich-will mein Herz besiegen,
Nur rettet, rettet dieses theure Leben!
(Sie spricht das Folgende mit immer steigender Lebhaftigkeit, indem
sie ihn bei der Hand ergreift und mit sich fortzureissen sucht.)
O, kommt! Die Zeit entflieht, indem wir sprechen.
Die Haehne kraehn, schon regt sich's im Palast,
Todbringend steigt der Morgen schon herauf.
Fort, eh der Rettung Pforten sich verschliessen!
Kalaf. Grossmuethige Adelma! Einz'ge Freundin!
Wie schmerzt es mich, dass ich nach Berlas Euch
Nicht folgen, nicht der Freiheit suess Geschenk,
Nicht Euer vaeterliches Reich zurueck
Euch geben kann-Was wuerde Altoum
Zu dieser heimlichen Entweichung sagen?
Macht' ich nicht schaendlichen Verraths mich schuldig,
Wenn ich, des Gastrechts heilige Gebraeuche
Verletzend, aus dem innersten Serail
Die werthgehaltne Sklavin ihm entfuehrte?
-Mein Herz ist nicht mehr mein, Adelma. Selbst
Der Tod, den jene Stolze mir bereitet,
Wird mir willkommen sein von ihrer Hand.
-Flieht ohne mich, flieht, und geleiten Euch
Die Goetter! Ich erwarte hier mein Schicksal.
Noch troestlich ist's, fuer Turandot zu sterben,
Wenn ich nicht leben kann fuer sie-Lebt wohl!
Adelma. Sinnloser! Ihr beharrt? Ihr seid entschlossen?
Kalaf. Zu bleiben und den Mordstreich zu erwarten.
Adelma. Ha, Undankbarer! Nicht die Liebe ist's,
Die Euch zurueckhaelt-Ihr verachtet mich!
Ihr waehlt den Tod, um nur nicht mir zu folgen!
Verschmaehet meine Hand, verachtet mich;
Nur flieht, nur rettet, rettet Euer Leben!
Kalaf. Verschwendet Eure Worte nicht vergebens;
Ich bleibe und erwarte mein Geschick.
Adelma. So bleibet denn! Auch ich will Sklavin bleiben,
Ohn' Euch verschmaeh' ich auch der Freiheit Glueck.
Lass sehn, wer von uns beiden, wenn es gilt,
Dem Tode kuehner trotzt! (Von ihm wegtretend.)
Waer' ich die Erste,
Die durch Bestaendigkeit ans Ziel gelangte? (Fuer sich. Mit Accent.)
Kalaf! Sohn Timurs! (Verneigt sich spottend.)
Unbekannter Prinz!
Lebt wohl! (Geht ab.)
Kalaf (allein). Wird diese Schreckensnacht nicht enden?
Wer hat auf solcher Folter je gezittert?
Und endet sie, welch neues groessres Schreckniss
Bereitet mir der Tag! Aus welchen Haenden!
Hat meine edelmuethig treue Liebe
Solches um dich verdient, tyrannisch Herz!
-Wohlan! Den Himmel faerbt das Morgenroth,
Die Sonne steigt herauf, und allen Wesen
Bringt sie das Leben, mir bringt sie den Tod!
Geduld, mein Herz, dein Schicksal wird sich loesen!
Eilfter Auftritt.
Brigella. Kalaf.
Brigella. Der Divan wird versammelt, Herr. Die Stunde
Ist da. Macht Euch bereit!
Kalaf (misst ihn mit wilden, scheuen Blicken). Bist du das Werkzeug?
Wo hast du deinen Dolch versteckt? Mach's kurz!
Vollziehe die Befehle, die du hast!
Du raubst mir nichts, worauf ich Werth noch legte.
Brigella. Was fuer Befehle, Herr? Ich habe keinen
Befehl, als Euch zum Divan zu begleiten,
Wo Alles schon versammelt ist.
Kalaf (nach einigem Nachsinnen, resigniert). Lass uns denn gehn!
Ich weiss, dass ich den Divan lebend nicht
Erreichen werde-Sieh, ob ich dem Tod
Beherzt entgegen treten kann.
Brigella (sieht ihn erstaunt an).
Was Teufel schwatzt er da von Tod und Sterben?
Verwuenschtes Weibervolk! Sie haben ihn
In dieser ganzen Nacht nicht schlafen lassen;
Nun ist er gar im Kopf verrueckt!
Kalaf (wirft das Schwert auf den Boden). Da liegt
Mein Schwert. Ich will mich nicht zur Wehre setzen.
Die Grausame erfahre wenigstens,
Dass ich die unbeschuetzte Brust von selbst
Dem Streich des Todes dargeboten habe!
(Er geht ab und wird, sowie er hinaustritt, von kriegerischem
Spiel empfangen.)
Fuenfter Aufzug.
Die Scene ist die vom zweiten Aufzug.
Im Hintergrunde des Divans steht ein Altar mit einer chinesischen
Gottheit und zwei Priestern, welche nach Aufziehung eines Vorhangs
sichtbar werden.-Bei Eroeffnung des Akts sitzt Altoum auf seinem
Throne. Pantalon und Tartaglia stehen zu seinen beiden Seiten; die
acht Doktoren an ihrem Platze, die Wache unter dem Gewehre.
Erster Auftritt.
Altoum. Pantalon. Tartaglia. Doctoren. Wache. Gleich darauf Kalaf.
Kalaf (tritt mit einer stuermischen Bewegung in den Saal, voll
Argwohn hinter sich schauend. In der Mitte der Scene verbeugt
er sich gegen den Kaiser, dann fuer sich).
Wie? Ich bin lebend hier-Mit jedem Schritt
Erwartet' ich die zwanzig Schwerter in der Brust
Zu fuehlen, und, von Niemand angefallen,
Hab' ich den ganzen Weg znrueckgelegt?
So haette mir Adelma falsche Botschaft
Verkuendet-oder Turandot entdeckte
Die Namen, und mein Unglueck ist gewiss!
Altoum. Mein Sohn! ich sehe deinen Blick umwoelkt,
Dich quaelen Furcht und Zweifel-Fuerchte nichts mehr!
Bald werd' ich deine Stirn erheitert sehn,
In wenig Stunden endet deine Pruefung.
-Geheimnisse von freudenreichem Inhalt
Hab' ich fuer dich-Noch will ich sie im Busen
Verschliessen, theurer Juengling, bis dein Herz,
Der Freude offen, sie vernehmen kann.
-Doch merke dir: Nie kommt das Glueck allein;
Es folgt ihm stets, mit reicher Gaben Fuelle
Beladen, die Begleitung nach-Du bist
Mein Sohn, mein Eidam! Turandot ist dein!
Dreimal hat sie in dieser Nacht zu mir
Gesendet, mich beschworen und gefleht,
Sie von der furchtbarn Probe loszusprechen.
Daraus erkenne, ob du Ursach hast,
Sie mit getrostem Herzen zu erwarten.
Pantalon (zuversichtlich).
Das koennt Ihr, Hoheit! Auf mein Wort! Was das
Betrifft, damit hat's seine Richtigkeit.
Nehmt meinen Glueckwunsch an! Heut ist die Hochzeit.
Zweimal ward ich in dieser Nacht zu ihr
Geholt; sie hatt' es gar zu eilig; kaum
Liess sie mir Zeit, den Fuss in die Pantoffel
Zu stecken; ungefruehstueckt ging ich hin;
Es war so grimmig kalt, dass mir der Bart
Noch zittert-Aufschub sollt' ich ihr verschaffen,
Rath schaffen sollt' ich-bei der Majestaet
Fuersprach einlegen-Ja, was sollt' ich nicht!
's war mir ein rechtes Gaudium und Labsal,
Ich leugn' es nicht, sie desperat zu sehn.
Tartaglia. Ich ward um sechs Uhr zu ihr hin beschieden;
Der Tag brach eben an; sie hatte nicht
Geschlafen und sah aus wie eine Eule.
Wohl eine halbe Stunde bat sie mich,
Gab mir die schoensten Worte, doch umsonst!
Ich glaube gar, ich hab' ihr bittre Dinge
Gesagt vor Ungeduld und grimm'ger Kaelte.
Altoum. Seht, wie sie bis zum letzten Augenblick