Noch zaudert! Doch sie sperret sich umsonst.
Gemessene Befehle sind gegeben,
Dass sie durchaus im Divan muss erscheinen,
Und ist's mit Guete nicht, so ist's mit Zwang.
Sie selbst hat mich durch ihren Eigensinn
Berechtigt, diese Strenge zu gebrauchen.
Erfahre sie die Schande nun, die ich
Umsonst ihr sparen wollte-Freue dich,
Mein Sohn! Nun ist's an dir, zu triumphiren!
Kalaf. Ich dank' Euch, Sire. Mich freuen kann ich nicht.
Zu schmerzlich leid' ich selbst, dass der Geliebten
Um meinetwillen Zwang geschehen soll.
Viel lieber wollt' ich-Ach, ich koennte nicht!
Was waere Leben ohne sie?-Vielleicht
Gelingt es endlich meiner zaertlichen
Bewerbung, ihren Abscheu zu besiegen,
Ihn einst vielleicht in Liebe zu verwandeln.
Mein ganzes Wollen soll ihr Sklave sein,
Und all mein hoechstes Wuenschen ihre Liebe.
Wer eine Gunst bei mir erlangen will,
Wird keines andern Fuersprachs noethig haben,
Als eines Winks aus ihrem schoenen Aug.
Kein Nein aus meinem Munde soll sie kraenken,
Solang die Parze meinen Faden spinnt;
Soweit die Welle meines Lebens rinnt,
Soll sie mein einzig Traeumen sein und Denken!
Altoum. Auf denn! Man zoegre laenger nicht! Der Divan
Werde zum Tempel! Man erhebe den Altar!
Der Priester halte sich bereit! Sie soll
Bei ihrem Eintritt gleich ihr Schicksal lesen
Und soll erfahren, dass ich wollen kann,
Was ich ihr schwur.
(Der hintere Vorhang wird aufgezogen; man erblickt den chinesischen
Goetzen, den Altar und die Priester, Alles mit Kerzen beleuchtet.)
Man oeffne alle Pforten.
Das ganze Volk soll freien Eingang haben!
Zeit ist's, dass dieses undankbare Kind
Den tausendfachen Kummer uns bezahle,
Den sie auf unser greises Haupt gehaeuft.
(Man hoert einen lugubren Marsch mit gedaempften Trommeln. Bald
darauf zeigt sich Truffaldin mit Verschnittenen; hinter ihnen
die Sklavinnen, darauf Turandot, alle in schwarzen Floeren, die
Frauen in schwarzen Schleiern.)
Pantalon. Sie kommt! Sie kommt! Still! Welche Klagmusik!
Welch trauriges Gepraeng! Ein Hochzeitmarsch,
Der voellig einem Leichenzuge gleicht!
(Der Aufzug erfolgt ganz auf dieselbe Weise und mit denselben
Ceremonien wie im zweiten Akt.)
Zweiter Auftritt.
Vorige. Turandot. Adelma. Zelima. Ihre Sklavinnen und Verschnittenen.
Turandot (nachdem sie ihren Thron bestiegen, und eine allgemeine
Stille erfolgt, zu Kalaf.)
Dies Traurgepraenge, unbekannter Prinz,
Und dieser Schmerz, den mein Gefolge zeigt,
Ich weiss, ist Eurem Auge suesse Weide.
Ich sehe den Altar geschmueckt, den Priester
Zu meiner Trauung schon bereit, ich lese
Den Hohn in jedem Blick und moechte weinen.
Was Kunst und tiefe Wissenschaft nur immer
Vermochten, hab' ich angewandt, den Sieg
Euch zu entreissen, diesem Augenblick,
Der meinen Ruhm vernichtet, zu entziehen;
Doch endlich muss ich meinem Schicksal weichen.
Kalaf. O, laese Turandot in meinem Herzen,
Wie ihre Trauer meine Freude daempft,
Gewiss, es wuerde ihren Zorn entwaffnen.
War's ein Vergehn, nach solchem Gut zu streben,
Ein Frevel waer's, es zaghaft aufzugeben!
Altoum. Prinz, der Herablassung ist sie nicht werth.
An ihr ist's jetzo, sich herabzugeben!
Kann sie's mit edelm Anstand nicht, mag sie
Sich darein finden. wie sie kann-Man schreite
Zum Werk! Der Instrumente froher Schar
Verkuende laut-
Turandot. Gemach! Damit ist's noch zu frueh!
(Aufstehend und zu Kalaf sich wendend.)
Vollkommner konnte mein Triumph nicht sein,
Als dein getaeuschtes Herz in suesse Hoffnung
Erst einzuwiegen und mit einemmal
Nun in den Abgrund nieder dich zu schlendern.
(Langsam und mit erhobner Stimme.)
Hoer', Kalaf, Timurs Sohn, verlass den Divan!
Die beiden Namen hat mein Geist gefunden,
Such' eine andre Braut-Weh dir und Allen,
Die sich im Kampf mit Turandot versuchen!
Kalaf. O, ich Ungluecklicher!
Altoum. Ist's moeglich? Goetter!
Pantalon. Heil'ge Katharina! (Zu Tartaglia.)
Geht heim! Lasst Euch den Bart auszwicken, Doctor!
Tartaglia. Allerhoechster Tien! Mein Verstand steht still!
Kalaf. Alles verloren! Alle Hoffnung todt!
-Wer steht mir bei? Ach, mir kann Niemand helfen!
Ich bin mein eigner Moerder; meine Liebe
Verlier' ich, weil ich allzusehr geliebt!
-Warum hab' ich die Raethsel gestern nicht
Mit Fleiss verfehlt, so laege dieses Haupt
Jetzt ruhig in dem ew'gen Schlaf des Todes,
Und meine bange Seele haette Luft.
Warum, zu guet'ger Kaiser, musstet Ihr
Das Blutgesetz zu meinem Vortheil mildern,
Dass ich mit meinem Haupt dafuer bezahlte,
Wenn sie mein Raethsel aufgeloest-So waere
Ihr Sieg vollkommen und ihr Herz befriedigt!
(Ein unwilliges Gemurmel entsteht im Hintergrund.)
Altoum. Kalaf! Mein Alter unterliegt dem Schmerz;
Der unversehne Blitzstrahl schlaegt mich nieder.
Turandot (bei Seite zu Zelima).
Sein tiefer Jammer ruehrt mich, Zelima!
Ich weiss mein Herz nicht mehr vor ihm zu schuetzen.
Zelima (leise zu Turandot).
O, so ergebt Euch einmal! Macht ein Ende!
Ihr seht, Ihr hoert, das Volk wird ungeduldig!
Adelma (fuer sich). An diesem Augenblick haengt Tod und Leben!
Kalaf. Und braucht's denn des Gesetzes Schwert, ein Leben
Zu endigen, das laenger mir zu tragen
Unmoeglich ist? (Er tritt an den Thron der Turandot.)
Ja, Unversoehnliche!
Sieh hier den Kalaf, den du kennst-den du
Als einen namenlosen Fremdling hasstest,
Den du jetzt kennst und fortfaehrst zu verschmaehn!
Verlohnte sich's, ein Dasein zu verlaengern,
Das so ganz werthlos ist vor deinen Augen?
Du sollst befriedigt werden, Grausame.
Nicht laenger soll mein Anblick diese Sonne
Beleidigen-Zu deinen Fuessen-
(Er zieht einen Dolch und will sich durchstechen. In demselben
Augenblick macht Adelma eine Bewegung, ihn zurueck zu halten,
und Turandot stuerzt von ihrem Thron.)
Turandot (ihm in den Arm fallend, mit dem Ausdruck des Schreckens
und der Liebe).
Kalaf!
(Beide sehen einander mit unverwandten Blicken an und bleiben
eine Zeit lang unbeweglich in dieser Stellung.)
Altoum. Was seh' ich!
Kalaf (nach einer Pause). Du? Du hinderst meinen Tod?
Ist das dein Mitleid, dass ich leben soll,
Ein Leben ohne Hoffnung, ohne Liebe?
Meiner Verzweiflung denkst du zu gebieten?
-Hier endet deine Macht. Du kannst mich toedten;
Doch mich zum Leben zwingen kannst du nicht.
Lass mich, und wenn noch Mitleid in dir glimmt,