So zeig' es meinem jammervollen Vater.
Er ist zu Peckin, er bedarf des Trostes;
Denn auch des Alters letzte Stuetze noch,
Den theuren einz'gen Sohn raubt ihm das Schicksal.
(Er will sich toedten.)
Turandot (wirft sich ihm in die Arme).
Lebt, Kalaf! Leben sollt Ihr-und fuer mich!
Ich bin besiegt. Ich will mein Herz nicht mehr
Verbergen-Eile, Zelima, den beiden
Verlassenen, du kennst sie, Trost zu bringen,
Freiheit und Freude zu verkuenden-Eile!
Zelima. Ach, und wie gerne!
Adelma (fuer sich). Es ist Zeit, zu sterben.
Die Hoffnung ist verloren.
Kalaf. Traeum' ich, Goetter?
Turandot. Ich will mich keines Ruhms anmassen, Prinz,
Der mir nicht zukommt. Wisset denn, es wisse
Es alle Welt. Nicht meiner Wissenschaft,
Dem Zufall, Eurer eignen Uebereilung
Verdank' ich das Geheimniss Eures Namens.
Ihr selbst, Ihr liesset gegen meine Sklavin
Adelma beide Namen Euch entschluepfen.
Durch sie bin ich dazu gelangt-Ihr also habt
Gesiegt, nicht ich, und Euer ist der Preis.
-Doch nicht bloss, um Gerechtigkeit zu ueben
Und dem Gesetz genug zu thun-Nein, Prinz!
Um meinem eignen Herzen zu gehorchen,
Schenk' ich mich Euch-Ach, es war Euer, gleich
Im ersten Augenblick, da ich Euch sah!
Adelma. O nie gefuehlte Marter!
Kalaf (der diese ganze Zeit ueber wie ein Traeumender gestanden,
scheint jetzt erst zu sich selbst zu kommen und schliesst die
Prinzessin mit Entzueckung in seine Arme).
Ihr die Meine?
O, toedte mich nicht, Uebermass der Wonne!
Altoum. Die Goetter segnen dich, geliebte Tochter,
Dass du mein Alter endlich willst erfreun.
Verziehen sei dir jedes vor'ge Leid,
Der Augenblick heilt jede Herzenswunde.
Pantalon. Hochzeit! Hochzeit! Macht Platz, ihr Herrn Doctoren!
Tartaglia. Platz! Platz! Der Bund sei alsogleich beschworen!
Adelma. Ja, lebe, Grausamer, und lebe gluecklich
Mit ihr, die meine Seele hasst! (Zu Turandot.)
Ja, wisse,
Dass ich dich nie geliebt, dass ich dich hasse
Und nur aus Hass gehandelt, wie ich that.
Die Namen sagt' ich dir, um den Geliebten
Aus deinem Arm zu reissen und mit ihm,
Der meine Liebe war, eh du ihn sahst,
In gluecklichere Laender mich zu fluechten.
Noch diese Nacht, da ich zu deinem Dienst
Geschaeftig schien, versucht' ich alle Listen-
Selbst die Verleumdung spart' ich nicht-zur Flucht
Mit mir ihn zu bereden; doch umsonst!
In seinem Schmerz entschluepften ihm die Namen,
Und ich verrieth sie dir; du solltest siegen,
Verbannt von deinem Angesicht sollt' er
In meinen Arm sich werfen-Eitle Hoffnung!
Zu innig liebt' er dich und waehlte lieber,
Durch dich zu sterben, als fuer mich zu leben!
Verloren hab' ich alle meine Muehen;
Nur eins steht noch in meiner Macht. Ich stamme
Wie du von koeniglichem Blut und muss erroethen,
Dass ich so langte Sklavenfesseln trug.
In dir muss ich die blut'ge Feindin hassen.
Du hast mir Vater, Mutter, Brueder, Schwestern,
Mir Alles, was mir theuer war, geraubt,
Und nun auch den Geliebten raubst du mir.
So nimm auch noch die Letzte meines Stammes,
Mich selbst zum Raube hin-Ich will nicht leben!
(Sie hebt den Dolch, welchen Turandot dem Kalaf entrissen,
von der Erde auf.)
Verzweiflung zueckte diesen Dolch; er hat
Das Herz gefunden, das er spalten soll. (Sie will sich erstechen).
Kalaf (faellt ihr in den Arm).
Fasst Euch, Adelma!
Adelma. Lass mich, Undankbarer!
In ihrem Arm dich sehen? Nimmermehr!
Kalaf. Ihr sollt nicht sterben. Eurem gluecklichen
Verrathe dank' ich's, dass dies schoene Herz,
Dem Zwange feind, mich edelmuethig frei
Begluecken konnte-Guetiger Monarch,
Wenn meine heissen Bitten was vermoegen,
So habe sie die Freiheit zum Geschenk,
Und unsere Glueckes erstes Unterpfand
Sei eine Glueckliche!
Turandot. Auch ich, mein Vater,
Vereinige mein Bitten mit dem seinen.
Zu hassenswerth, ich fuehl' es, muss ich ihr
Erscheinen; mir verzeihen kann sie nie
Und koennte nie an mein Verzeihen glauben.
Sie werde frei, und ist ein groesser Glueck
Fuer sie noch uebrig, so gewaehrt es ihr.
Wir haben viele Thraenen fliessen machen
Und muessen eilen, Freude zu verbreiten.
Pantalon. Ums Himmelwillen, Sire, schreibt ihr den Laufpass,
So schnell Ihr koennt, und gebt ihr, wenn sie's fordert,
Ein ganzes Koenigreich noch auf den Weg.
Mir ist ganz weh und bang, dass unsre Freude
In Rauch aufgeht solang ein wuethend Weib
Sich unter einem Dach mit Euch befindet.
Altoum (zu Turandot).
An solchem Freudentag, den du mir schenkst,
Soll meine Milde keine Grenzen kennen.
Nicht bloss die Freiheit schenk' ich ihr. Sie nehme
Die vaeterlichen Staaten auch zurueck
Und theile sie mit einem wuerd'gen Gatten,
Der klug sei und den Maechtigen nicht reize.
Adelma. Sire-Koenigin-ich bin beschaemt, verwirrt,
So grosse Huld und Milde drueckt mich nieder.
Die Zeit vielleicht, die alle Wunden heilt,
Wird meinen Kummer lindern-Jetzt vergoennt mir
Zu schweigen und von eurem Angesicht
Zu gehn-Denn nur der Thraenen bin ich faehig,
Die unaufhaltsam diesem Aug entstroemen.
(Sie geht ab mit verhuelltem Gesicht, noch einen gluehenden
Blick auf Kalaf werfend, ehe sie scheidet.)
Letzter Auftritt.
Die Vorigen, ohne Adelma. Gegen das Ende Timur, Barak,
Skirina und Zelima.
Kalaf. Mein Vater, o, wo find' ich dich, wo bist du,
Dass ich die Fuelle meines Gluecks in deinen Busen
Ausgiesse?
Turandot (verlegen und beschaemt).
Kalaf, Euer edler Vater ist
Bei mir, ist hier-In diesem Augenblicke
Fuehlt er sein Glueck-Verlangt nicht mehr zu wissen,
Nicht ein Gestaendniss, das mich schamroth macht,
Vor allen diesen Zeugen zu vernehmen.
Altoum. Timur bei dir? Wo ist er?-Freue dich,
Mein Sohn. Dies Kaiserreich hast du gewonnen;
Auch dein verlornes Reich ist wieder dein.
Ermordet ist der grausame Tyrann,
Der dich beraubte! Deines Volkes Stimme
Ruft dich zurueck auf deiner Vaeter Thron,
Den dir ein treuer Diener aufbewahrt.
Durch alle Laender hat dich seine Botschaft
Gesucht, und selbst zu mir ist sie gedrungen.
-Dies Blatt enthaelt das Ende deines Ungluecks.
(Ueberreicht ihm einen Brief.)
Kalaf (wirft einen Blick hinein und steht eine Zeit lang in
sprachloser Ruehrung).
Goetter des Himmels! Mein Entzuecken ist
Droben bei euch, die Lippe ist versiegelt.
(In diesem Augenblick oeffnet sich der Saal. Timur und Barak
treten herein, von Zelima und ihrer Mutter begleitet. Wie Kalaf
seinen Vater erblickt, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen