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So ganz an Liebe leer und Menschlichkeit?

Barak. Mein Weib hat eine Tochter, die im Harem

Als Sklavin dient und uns Unglaubliches

Von ihrer schoenen Koenigin berichtet.

Ein Tiger ist sie, diese Turandot,

Doch gegen Maenner nur, die um sie werben.

Sonst ist sie guetig gegen alle Welt;

Stolz ist das einz'ge Laster, das sie schaendet.

Kalaf. Zur Hoelle, in den tiefsten Schlund hinab

Mit diesen Ungeheuern der Natur,

Die kalt und herzlos nur sich selber lieben!

Waer' ich ihr Vater, Flammen sollten sie

Verzehren.

Barak. Hier kommt Ismael, der Freund

Des Prinzen, der sein Leben jetzt verloren.

Er kommt voll Thraenen-Ismael!

Zweiter Auftritt.

Ismael zu den Vorigen.

Ismael (reicht dem Barak die Hand, heftig weinend). Er hat

Gelebt-Der Streich des Todes ist gefallen.

Ach! Warum fiel er nicht auf dieses Haupt!

Barak. Barmherz'ger Himmel!-Doch warum liesst Ihr

Geschehn, dass er im Divan der Gefahr

Sich blossgestellt?

Ismael. Mein Unglueck braucht noch Vorwurf.

Gewarnt hab' ich, beschworen und gefleht,

Wie es mein Herz, wie's meine Pflicht mich lehrte.

Umsonst! Des Freundes Stimme wurde nicht

Gehoert; die Macht der Goetter riss ihn fort.

Barak. Beruhigt Euch!

Ismael. Beruhigen? Niemals, niemals!

Ich hab' ihn sterben sehen. Sein Gefaehrte

War ich in seinem letzten Augenblick,

Und seine Abschiedsworte gruben sich

Wie spitz'ge Dolche mir ins tiefste Herz.

"Weine nicht!" sprach er. "Gern und freudig sterb' ich,

"Da ich die Liebste nicht besitzen kann.

"Mag es mein theurer Vater mir vergeben,

"Dass ich ohn' Abschied von ihm ging. Ach, nie

"Haett' er die Todesreise mir gestattet!

"Zeig' ihm dies Bildniss!

(Er zieht ein kleines Portrait an einem Band aus dem Busen.)

"Wenn er diese Schoenheit

"Erblickt, wird er den Sohn entschuldigen."

Und an die Lippen drueckt' er jetzt, lautschluchzend,

Mit heft'gen Kuessen dies verhasste Bild,

Als koennt' er, sterbend selbst, nicht davon scheiden;

Drauf kniet' er nieder, und-mit einem Streich-

Noch zittert mir das Mark in den Gebeinen-

Sah ich Blut spritzen, sah den Rumpf hinfallen

Und hoch in Henkers Hand das theure Haupt;

Entsetzt und trostlos riss ich mich von dannen.

(Wirft das Bild in heftigem Unwillen auf den Boden.)

Verhasstes, ewig fluchenswerthes Bild!

Liege du hier, zertreten in dem Staub!

Koennt' ich sie selbst, die Tigerherzige,

Mit diesem Fusstritt so wie dich zermalmen!

Dass ich dich meinem Koenig ueberbraechte!

Nein, mich soll Samarcand nicht wieder sehn.

In eine Wueste will ich fliehn und dort,

Wo mich kein menschlich Ohr vernimmt, auf ewig

Um meinen vielgeliebten Prinzen weinen. (Geht ab.)

Dritter Auftritt.

Kalaf und Barak.

Barak (nach einer Pause).

Prinz Kalaf, habt Ihr's nun gehoert?

Kalaf. Ich stehe

Ganz voll Verwirrung, Schrecken und Erstaunen.

Wie aber mag dies unbeseelte Bild,

Das Werk des Malers, solchen Zauber wirken?

(Er will das Bildniss von der Erde nehmen.)

Barak (eilt auf ihn zu und haelt ihn zurueck).

Was macht Ihr!-Grosse Goetter!

Kalaf (laechelnd). Nun! Ein Bildniss

Nehm' ich vom Boden auf. Ich will sie doch

Betrachten, diese moerderische Schoenheit.

(Greift nach dem Bildniss und hebt es von der Erde auf.)

Barak (ihn haltend). Euch waere besser, der Medusa Haupt

Als diese toedtliche Gestalt zu sehn.

Weg! Weg damit! Ich kann es nicht gestatten.

Kalaf. Du bist nicht klug. Wenn du so schwach dich fuehlst,

Ich bin es nicht. Des Weibes Reiz hat nie

Mein Aug geruehrt, auch nur auf Augenblicke,

Viel weniger mein Herz besiegt. Und was

Lebend'ge Schoenheit nie bei mir vermocht,

Das sollten todte Pinselstriche wirken?

Unnuetze Sorgfalt, Barak-Mir liegt Andres

Am Herzen, als der Liebe Narrenspiel. (Will das Bildniss anschauen.)

Barak. Dennoch, mein Prinz-Ich warn' Euch-Thut es nicht!

Kalaf (ungeduldig). Zum Henker, Einfalt! Du beleidigst mich.

(Stoesst ihn zurueck, sieht das Bild an und geraeth in Erstaunen.

Nach einer Pause.)

Was seh' ich!

Barak (ringt verzweifelnd die Haende).

Weh' mir! Welches Unglueck!

Kalaf (fasst ihn lebhaft bei der Hand). Barak!

(Will reden, sieht aber wieder auf das Bild und betrachtet

es mit Entzuecken.)

Barak (fuer sich). Seid Zeugen, Goetter-Ich, ich bin nicht schuld,

Ich hab' es nicht verhindern koennen.

Kalaf. Barak!

-In diesen holden Augen, dieser suessen

Gestalt, in diesen sanften Zuegen kann

Das harte Herz, wovon du sprichst, nicht wohnen!

Barak. Ungluecklicher, was hoer' ich? Schoener noch

Unendlichmal, als dieses Bildniss zeigt,

Ist Turandot, sie selbst! Nie hat die Kunst

Des Pinsels ihren ganzen Reiz erreicht;

Doch ihres Herzens Stolz und Grausamkeit

Kann keine Sprache, keine Zunge nennen.

O, werft es von Euch, dies unselige,

Verwuenschte Bildniss! Euer Auge sauge

Kein toedtlich Gift aus dieser Mordgestalt!

Kalaf. Hinweg! Vergebens suchst du mich zu schrecken!

-Himmlische Anmuth! Warme, gluehende Lippen!

Augen der Liebesgoettin! Welcher Himmel,

Die Fuelle dieser Reize zu besitzen!

(Er steht in den Anblick des Bildes verloren, ploetzlich wendet er

sich zu Barak und ergreift seine Hand.)

Barak! Verrath mich nicht-Jetzt oder nie!

Dies ist der Augenblick, mein Glueck zu wagen.

Wozu dies Leben sparen, das ich hasse?

-Ich muss auf einen Zug die schoenste Frau

Der Erde und ein Kaiserthum mit ihr

Gewinnen oder dies verhasste Leben

Auf einen Zug verlieren-Schoenstes Werk!

Pfand meines Gluecks und meine suesse Hoffnung!

Ein neues Opfer ist fuer dich bereit

Und draengt sich wagend zu der furchtbarn Probe.

Sei guetig gegen mich-Doch, Barak, sprich!

Ich werde doch im Divan, eh' ich sterbe,

Das Urbild selbst von diesen Reizen sehn?

(Indem sieht man die fuerchterliche Larve eines Nachrichters

sich ueber dem Stadtthor erheben und einen neuen Kopf ueber

demselben aufpflanzen.-Der vorige Schall verstimmter Trommeln

begleitet diese Handlung.)

Barak. Ach, sehet, sehet, theurer Prinz, und schaudert!

Dies ist das Haupt des ungluecksel'gen Juenglings-