Durchzittert mein Gebein und schnuert das Herz
Mir in der Brust zusammen.-Weise Richter
Des Divans! Richter ueber meine Tage!
O, zeiht mich nicht strafbaren Uebermuths,
Dass ich das Schicksal zu versuchen wage!
Bedauert mich! Beweint den Ungluecksvollen!
Ich habe hier kein Waehlen und kein Wollen!
Unwiderstehlich zwingend reisst es mich
Von hinnen, es ist maechtiger, als ich.
Vierter Auftritt.
Man hoert einen Marsch.
Truffaldin tritt auf, den Saebel an der Schulter, die Schwarzen
hinter ihm, darauf mehrere Sklavinnen, die zu den Trommeln
accompagnieren. Nach diesen Adelma und Zelima, jene in tartarischem
Anzug, beide verschleiert. Zelina traegt einen Schuessel mit
versiegelten Papieren. Truffaldin und seine Schwarzen werfen
sich im Vorbeiziehen vor dem Kaiser mit der Stirn auf die Erde
und stehen sogleich wieder auf; die Sklavinnen knieen nieder mit
der Hand auf der Stirn. Zuletzt erscheint Turandot verschleiert,
in reicher chinesischer Kleidung. majestaetisch und stolz. Die
Raethe und Doctoren werfen sich vor ihr mit dem Angesicht auf die
Erde. Altoum steht auf; die Prinzessin macht ihm, die Hand auf der
Stirn, eine abgemessene Verbeugung, steigt dann auf ihren Thron und
setzt sich. Zelima und Adelma nehmen zu ihren beiden Seiten Platz,
und die letztere den Zuschauern am naechsten. Truffaldin nimmt der
Zelima die Schluessel ab und vertheilt unter laecherlichen Ceremonien
die Zettel unter die acht Doctoren. Darauf entfernt er sich mit
denselben Verbeugungen, wie am Anfang, und der Marsch hoert auf.
Turandot (nach einer langen Pause).
Wer ist's, der sich aufs Neu vermessen schmeichelt,
Nach so viel klaeglich warnender Erfahrung,
In meine tiefen Raethsel einzudringen!
Der, seines eignen Lebens Feind, die Zahl
Der Todesopfer zu vermehren kommt!
Altoum (zeigt auf Kalaf. der erstaunt in der Mitte des Divans steht).
Der ist es, Tochter-wuerdig wohl ist er's,
Dass du freiwillig zum Gemahl ihn waehlest,
Ohn' ihn der furchtbarn Probe auszusetzen
Und neue Trauer diesem Land, dem Herzen
Des Vaters neue Stacheln zu bereiten.
Turandot (nachdem sie ihn eine Zeit lang betrachtet, leise zur Zelima).
O Himmel! Wie geschieht mir, Zelima!
Zelima. Was ist dir, Koenigin?
Turandot. Noch Keiner trat
Im Divan auf, der dieses Herz zu ruehren
Verstanden haette. Dieser weiss die Kunst.
Zelima. Drei leichte Raethsel denn, und Stolz-fahr hin!
Turandot. Was sagst du? Wie, Verwegne? Meine Ehre?
Adelma (hat waehrend dieser Rede den Prinzen mit hoechstem
Erstaunen betrachtet, fuer sich).
Taeuscht mich ein Traum? Was seh' ich, grosse Goetter!
Er ist's, der schoene Juengling ist's, den ich
Am Hofe meines Vaters Keicobad
Als niedern Knecht gesehn!-Er war ein Prinz!
Ein Koenigssohn! Wohl sagte mir's mein Herz;
O, meine Ahnung hat mich nicht betrogen!
Turandot. Prinz, noch ist's Zeit. Gebt das verwegene
Beginnen auf! Gebt's auf! Weicht aus dem Divan!
Der Himmel weiss, dass jene Zungen luegen,
Die mich der Haerte zeihn und Grausamkeit.
-Ich bin nicht grausam. Frei nur will ich leben;
Bloss keines Andern will ich sein; dies Recht,
Das auch dem allerniedrigsten der Menschen
Im Leib der Mutter anerschaffen ist,
Will ich behaupten, eines Kaisers Tochter.
Ich sehe durch ganz Asien das Weib
Erniedrigt und zum Sklavenjoch verdammt,
Und raechen will ich mein beleidigtes Geschlecht
An diesem stolzen Maennervolke, dem
Kein andrer Vorzug vor dem zaertern Weibe
Als rohe Staerke ward. Zur Waffe gab
Natur mir den erfindenden Verstand
Und Scharfsinn, meine Freiheit zu beschuetzen.
-Ich will nun einmal von dem Mann nichts wissen,
Ich hass' ihn, ich verachte seinen Stolz
Und Uebermuth-Nach allem Koestlichen
Streckt er begehrlich seine Haende aus;
Was seinem Sinn gefaellt, will er besitzen.
Hat die Natur mit Reizen mich geschmueckt,
Mit Geist begabt-warum ist's denn das Loos
Des Edeln in der Welt, dass es allein
Des Jaegers wilde Jagd nur reizt, wenn das Gemeine
In seinem Unwerth ruhig sich verbirgt?
Muss denn die Schoenheit eine Beute sein
Fuer Einen? Sie ist frei, so wie die Sonne,
Die allbeglueckend herrliche, am Himmel,
Der Quell des Lichts, die Freude aller Augen,
Doch Keines Sklavin und Leibeigenthum.
Kalaf. So hoher Sinn, so seltner Geistesadel
In dieser goettlichen Gestalt! Wer darf
Den Juengling schelten, der sein Leben
Fuer solchen Kampfpreis freudig setzt!-Wagt doch
Der Kaufmann um geringe Gueter Schiff
Und Mannschaft an ein wildes Element;
Es jagt der Held dem Schattenbild des Ruhms
Durchs blut'ge Feld des Todes nach-Und nur
Die Schoenheit waer' gefahrlos zu erwerben,
Die aller Gueter erstes, hoechstes ist?
Ich also zeih' Euch keiner Grausamkeit;
Doch nennt auch Ihr den Juengling nicht verwegen
Und hasst ihn nicht, weil er mit gluehnder Seele
Nach dem Unschaetzbaren zu streben wagt!
Ihr selber habt ihm seinen Preis gesetzt,
Womit es zu erkaufen ist-die Schranken
Sind offen fuer den Wuerdigen-Ich bin
Ein Prinz, ich hab' ein Leben dran zu wagen.
Kein Leben zwar des Gluecks; doch ist's mein Alles,
Und haett' ich's tausendmal, ich gaeb' es hin.
Zelima (leise zu Turandot).
Hoert Ihr, Prinzessin? Um der Goetter willen!
Drei leichte Raethsel! Er verdient's.
Adelma. Wie edel! Welche Liebenswuerdigkeit!
O, dass er mein sein koennte! Haett' ich damals
Gewusst, dass er ein Prinz geboren sei,
Als ich der suessen Freiheit mich noch freute!
-O, welche Liebe flammt in meiner Brust,
Seitdem ich ihn mir ebenbuertig weiss!
-Muth, Muth, mein Herz! Ich muss ihn noch besitzen.
(Zu Turandot.)
Prinzessin! Ihr verwirret Euch! Ihr schweigt!
Bedenket Euren Ruhm! Es gilt die Ehre!
Turandot. Und er allein riss' mich zum Mitleid hin?
Nein. Turandot, du musst dich selbst besiegen.
-Verwegener, wohlan! Macht Euch bereit!
Altoum. Prinz, Ihr beharrt noch?
Kalaf. Sire! ich wiederhol' es:
Tod oder Turandot! (Pantalon und Tartaglia geberden sich ungeduldig.)
Altoum. So lese man
Das blutige Mandat. Er hoer's und zittre!
(Tartaglia nimmt das Gesetzbuch aus dem Busen, kuesst es, legt es
sich auf die Brust, hernach auf die Stirn, dann ueberreicht er's
dem Pantalon.)
Pantalon (empfaengt das Gesetzbuch, nachdem er sich mit der Stirn
auf die Erde geworfen, steht auf und liest dann mit lauter Stimme.)
"Es kann sich jeder Prinz um Turandot bewerben,
"Doch erst drei Raethsel legt die Koenigin ihm vor.
"Loest er sie nicht, muss er vom Beile sterben,
"Und schaugetragen wird sein Haupt auf Peckins Thor.
"Loest er die Raethsel auf hat er die Braut gewonnen.
"So lautet das Gesetz. Wir schwoeren's bei der Sonnen."
(Nach geendigter Vorlesung kuesst er das Buch, legt es sich auf