Adelma (gegen die Zuschauer). Mein bist du, theurer Fremdling!
Ich rette dich, die Liebe wird mich's lehren.
Pantalon (zu Kalaf).
Um Gotteswillen, nicht den Kopf verloren!
Nehmt Euch zusammen! Herz gefasst, mein Prinz!
O weh, o weh! Ich fuercht', er ist geliefert.
Tartaglia (gravitaetisch fuer sich).
Liess' es die Wuerde zu, wir gingen selbst zur Kueche
Nach einem Essigglas.
Turandot (hat den Prinzen, der noch immer ausser Fassung
da steht, unverwandt betrachtet).
Ungluecklicher!
Du wolltest dein Verderben. Hab' es nun!
Kalaf (hat sich gefasst und verbeugt sich mit einem ruhigen
Laecheln gegen Turandot).
Nur Eure Schoenheit, himmlische Prinzessin,
Die mich auf einmal ueberraschend, blendend
Umleuchtete, hat mir auf Augenblicke
Den Sinn geraubt. Ich bin nicht ueberwunden.
Dies Ding von Eisen, das nur Wen'ge schaetzen,
Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand
Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs,
Dies Werkzeug, das, unschuld'ger als das Schwert,
Dem frommen Fleiss den Erdkreis unterworfen-
Wer traete aus den oeden, wuesten Steppen
Der Tartarei, wo nur der Jaeger schwaermt,
Der Hirte weidet, in dies bluehende Land
Und saehe rings die Saatgefilde gruenen
Und hundert volkbelebte Staedte steigen,
Von friedlichen Gesetzen still beglueckt,
Und ehrte nicht das koestliche Geraethe,
Das allen diesen Segen schuf-den Pflug?
Pantalon. O, sei gebenedeit! Lass dich umhalsen!
Ich halte mich nicht mehr vor Freud' und Jubel.
Tartaglia. Gott segne Eure Majestaet! Es ist
Vorbei, und aller Jammer hat ein Ende.
Doctoren (haben die Zettel geoeffnet).
Der Pflug, der Pflug! Es ist der Pflug!
(Alle Instrumente fallen ein mit grossem Geraeusch. Turandot
ist auf ihrem Thron in Ohnmacht gesunken.)
Zelima (Um Turandot beschaeftigt).
Blickt auf, Prinzessin! Fasset Euch! Der Sieg
Ist sein; der schoene Prinz hat ueberwunden.
Adelma (an die Zuschauer).
Der Sieg ist sein! Er ist fuer mich verloren.
-Nein, nicht verloren! Hoffe noch, mein Herz!
(Altoum ist voll Freude, bedient von Pantalon und Tartaglia,
vom Throne gestiegen. Die Doctoren erheben sich alle von ihren
Sitzen und ziehen sich nach dem Hintergrund. Alle Thueren werden
geoeffnet. Man erblickt Volk. Alles dies geschieht, waehrend die
Musik fortdauert.)
Altoum (zu Turandot).
Nun hoerst du auf, mein Alter zu betrueben,
Grausames Kind! Genug ist dem Gesetz
Geschehen, alles Unglueck hat ein Ende.
-Kommt an mein Herz. geliebter Prinz, mit Freuden
Begruess' ich Euch als Eidam!
Turandot (ist wieder zu sich gekommen und stuerzt in sinnloser
Wuth von ihrem Throne, zwischen beide sich werfend).
Haltet ein!
Er hoffe nicht, mein Ehgemahl zu werden!
Die Probe war zu leicht. Er muss aufs neu'
Im Divan mir drei andre Raethsel loesen.
Man ueberraschte mich. Mir ward nicht Zeit
Vergoennt, mich zu bereiten, wie ich sollte.
Altoum. Grausame Tochter, deine Frist ist um!
Nicht hoffe mehr, uns listig zu beschwatzen.
Erfuellt ist die Bedingung des Gesetzes,
Mein ganzer Divan soll den Ausspruch thun.
Pantalon. Mit Eurer Gunst, Prinzessin Kieselherz!
Es braucht nicht neue Raethsel zuzuspitzen
Und neue Koepfe abzuhacken-Da!
Hier steht der Mann! Der hat's errathen! Kurz:
Das Gesetz hat seine Endschaft, und das Essen
Steht auf dem Tisch-Was sagt der Herr Collega?
Tartaglia. Das Gesetz ist aus, ganz aus, und damit Punctum.
Was sagen Ihre Wuerden, die Doctoren?
Doctoren. Das Gesetz ist aus. Das Koepfen hat ein Ende.
Auf Leid folgt Freud. Man gebe sich die Haende.
Altoum. So trete man den Zug zum Tempel an.
Der Fremde nenne sich, und auf der Stelle
Vollziehe man die Trauung-
Turandot (wirft sich ihm in den Weg). Aufschub, Vater!
Um aller Goetter willen!
Altoum. Keinen Aufschub!
Ich bin entschlossen. Undankbares Kind!
Schon allzulang zu meiner Schmach und Pein
Willfahr' ich deinem grausamen Begehren.
Dein Urtheil ist gesprochen; mit dem Blut
Von zehen Todesopfern ist's geschrieben,
Die ich um deinetwillen morden liess.
Mein Wort hab' ich geloest, nun loese du
Das Deine, oder, bei dem furchtbarn Haupt
Des Fohi sei's geschworen-
Turandot (wirft sich zu seinen Fuessen). O mein Vater!
Nur einen neuen Tag vergoennt mir-
Altoum. Nichts!
Ich will nichts weiter hoeren. Fort zum Tempel!
Turandot (ausser sich).
So werde mir der Tempel denn zum Grab!
Ich kann und will nicht seine Gattin sein,
Ich kann es nicht. Eh tausend Tode sterben,
Als diesem stolzen Mann mich unterwerfen,
Der blosse Name schon, schon der Gedanke,
Ihm unterthan zu sein, vernichtet mich.
Kalaf. Grausame, Unerbittliche, steht auf!
Wer koennte Euren Thraenen widerstehn? (Zu Altoum.)
Lasst Euch erbitten, Sire! Ich flehe selbst
Darum. Goennt Ihr den Aufschub, den sie fordert.
Wie koennt' ich gluecklich sein, wenn sie mich hasst!
Zu zaertlich lieb' ich sie-Ich kann's nicht tragen,
Ihr Leiden, ihren Schmerz zu sehn-Fuehllose!
Wenn dich des treusten Herzens treue Liebe
Nicht ruehren kann, wohlan, so triumphiere!
Ich werde nie dein Gatte sein mit Zwang.
O, saehest du in dies zerrissne Herz,
Gewiss, du fuehltest Mitleid-Dich geluestet
Nach meinem Blut? Es sei darum. Verstattet,
Die Probe zu erneuern, Sire-Willkommen
Ist mir der Tod. Ich wuensche nicht zu leben.
Altoum.
Nichts, nichts! Es ist beschlossen. Fort zum Tempel!
Kein anderer Versuch-Unkluger Juengling!
Turandot (faehrt rasend auf).
Zum Tempel denn! Doch am Altar wird Eure Tochter
Zu sterben wissen.
(Sie zieht einen Dolch und will gehen.)
Kalaf. Sterben! Grosse Goetter!
Nein, eh' es dahin kommt-Hoert mich, mein Kaiser!
Goenn' Eure Gnade mir die einz'ge Gunst.
-Zum zweitenmal will ich ihr im Divan,
Ich-ihr ein Raethsel aufzuloesen geben.
Und dieses ist: Wess Stamms und Namens ist
Der Prinz, der, um das Leben zu erhalten,
Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Lohn zu tragen;
Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
Noch ungluecksel'ger ist, als je zuvor?
-Grausame Seele! Morgen frueh im Divan
Nennt mir des Vaters Namen und des Prinzen.
Vermoegt Ihr's nicht-so lasst mein Leiden enden
Und schenkt mir diese theure Hand! Nennt Ihr
Die Namen mir, so mag mein Haupt zum Opfer fallen.
Turandot. Ich bin's zufrieden, Prinz! Auf die Bedingung
Bin ich die Eurige.
Zelima (fuer sich). Ich soll von Neuem zittern!
Adelma (seitwaerts).
Ich darf von Neuem hoffen!