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D'Hevrais' Gesicht verschwand hinter dem üppigen Bart, und MacLaughlin, der mit Perepjolkin Schach spielte (der Hauptmann trug keine Binde mehr und blickte mit beiden Augen konzentriert aufs Brett), bemerkte mürrisch: »Der Hauptmann hätte Sie nicht als Spion benutzen dürfen. Ich bin mir nicht sicher, lieber Charles, ob Ihr Ausflug vom Standpunkt des journalistischen Ethos untadelig ist. Der Korrespondent eines neutralen Staates hat nicht das Recht, in einem Konflikt Partei zu ergreifen und schon gar nicht die Rolle des Spions zu übernehmen, denn ...«

Aber alle, auch Warja, fielen einmütig über den langweiligen Kelten her, so daß er notgedrungen verstummte.

»Oho, hier geht's ja lustig zu!« tönte plötzlich eine schallende, selbstsichere Stimme.

Warja drehte sich um und erblickte am Eingang einen stattlichen Husarenoffizier mit schwarzem Haar, einem verwegenen Schnauzbart, übermütigen Augen, die ein wenig hervorstanden, und einem nagelneuen Georgskreuz am Uniformrock. Die allgemeine Aufmerksamkeit machte den Ankömmling keineswegs verlegen, im Gegenteil, der Husar nahm sie als etwas Selbstverständliches.

»Rittmeister Graf Surow vom Grodnoer Husarenregiment«, stellte er sich vor und salutierte vor Sobolew. »Erinnern Sie sich, Euer Exzellenz? Wir sind zusammen gegen Kokand gezogen, ich war im Stab von Konstantin Petrowitsch.«

»Gewiß, erinnere mich.« Der General nickte. »Wurden Sie nicht vor Gericht gestellt wegen Kartenspiel während des Feldzugs und Duell mit einem Intendanten?«

»Gott war gnädig, der Kelch ging vorüber«, antwortete der Husar leichthin. »Man hat mir gesagt, daß mein alter Freund hier ist, Erasmus Fandorin. Das stimmt hoffentlich?«

Warja warf einen raschen Blick auf den in der hintersten Ecke sitzenden Erast Fandorin. Der stand auf, seufzte leidend und sagte verzagt: »Ippolit? Wie kommst du denn hierher?«

»Da ist er, so wahr ich hier stehe!« Der Husar stürzte zu Fandorin und rüttelte ihn dermaßen an den Schultern, daß dessen Kopf vor und zurück flog. »Ich hab gehört, die Türken hätten dich in Serbien auf einen Pfahl gespießt! Du siehst aber schlecht aus, mein Lieber, bist nicht wiederzuerkennen. Färbst du dir jetzt die Schläfen, um imposanter zu wirken?«

Der Titularrat hatte wirklich einen interessanten Bekanntenkreis: der Pascha von Widin, der Chef der Gendarmerie und jetzt noch dieser bildschöne Mensch mit den Raufboldallüren. Warja trat wie zufällig näher, um kein Wort zu verpassen.

»Das Schicksal hat uns beiden mitgespielt.« Surow hörte auf zu rütteln und klopfte Fandorin statt dessen auf den Rücken. »Von meinen Abenteuern erzähle ich dir gesondert, tete-a-tete, das ist nichts für Damenohren.« Er warf einen neckischen Seitenblick auf Warja. »Das Finale ist das Übliche: kein

Pfennig Geld, mutterseelenallein und mit gebrochenem Herzen.« (Wieder ein Blick zu Warja hin.)

»Wer hätte das g-gedacht«, kommentierte Fandorin und wich zurück.

»Du stotterst? Kontusion? Lappalie, das geht vorüber. Mich hat bei Kokand eine Druckwelle gegen eine Moschee geschleudert, da hab ich vier Wochen mit den Zähnen geklappert, und glaub mir, ich hab das Glas nicht an den Mund gebracht. Aber das hat sich wieder gelegt.«

»Und wo k-kommst du jetzt her?«

»Das, lieber Erasmus, ist eine lange Geschichte.« Der Husar ließ den Blick über die Klubbesucher gleiten, die ihn neugierig ansahen, und sagte: »Treten Sie ruhig näher, meine Herren, ich erzähle Erasmus nur meine Scheherazade.«

»Odyssee«, korrigerte Fandorin halblaut und retirierte hinter den Rücken von Oberst Lucan.

»Eine Odyssee, das ist in Griechenland, bei mir war es eben eine Scheherazade.« Surow machte eine Spannungspause, dann begann er mit seiner Erzählung. »Also, meine Herren, infolge etlicher Umstände, die nur mir und Fandorin bekannt sind, saß ich in Neapel gänzlich auf dem trockenen. Ich pumpte mir vom russischen Konsul fünfhundert Rubel, mehr rückte der Geizkragen nicht heraus, und fuhr übers Meer nach Odessa. Unterwegs ritt mich der Teufel, ein Kartenspiel mit dem Kapitän und dem Steuermann anzuregen. Die Spitzbuben haben mich bis auf die letzte Kopeke ausgeplündert. Ich protestierte natürlich, fügte dem Schiffsinventar einigen Schaden zu und wurde in Konstantinopel rausgeschmissen, will sagen, an Land gesetzt, ohne Geld, ohne Gepäck und sogar ohne Hut. Und das im Winter, meine Herren. Ein türkischer Winter und doch bitterkalt. Ich begab mich zu unserer Botschaft. Dort überwand ich alle Hindernisse und drang bis zum Gesandten persönlich vor, Nikolai Pawlowitsch Gnatjew. Ein herzensguter Mensch. Geld, sagt er, kann ich nicht leihen, ich bin prinzipiell gegen jedes Leihen, aber wenn Sie wollen, Graf, nehme ich Sie als Adjutanten zu mir, ich kann tapfere Offiziere gebrauchen. In diesem Fall bekämen Sie Reisegeld und alles andere. So bin ich Adjutant geworden.«

»Bei Gnatjew persönlich?« Sobolew schüttelte den Kopf. »Der schlaue Fuchs muß an Ihnen einen Narren gefressen haben.«

Surow breitete bescheiden die Arme aus und fuhr fort: »Gleich am ersten Tag meines neuen Dienstes verursachte ich einen internationalen Konflikt und einen Austausch diplomatischer Noten. Gnatjew schickte mich mit einer Anfrage zu dem bekannten Russenhasser und Scheinheiligen, dem Scheich ul Islam - das ist der oberste türkische Pope, so was wie der Papst in Rom.«

»Der Scheich ul Islam«, präzisierte MacLaughlin, der in seinem Notizbuch mitschrieb. »Er ist eher so was wie Ihr Oberprokuror des Synods.«

»Eben, sag ich ja«, nickte Surow. »Dieser Scheich und ich, wir konnten uns von Anfang an nicht ausstehen. Ich sag ihm aufs höflichste über den Dolmetscher: >Euer Eminenz, ein dringendes Schreiben vom Generaladjutanten Gnatjew< Der Hund aber blitzt mich an und antwortet auf französisch - absichtlich, damit der Dolmetscher es nicht abmildert: >Jetzt ist die Zeit des Gebets, warte.< Er hockt sich hin, das Gesicht nach Mekka, und legt los: >O großer und allmächtiger Allah, sei Deinem treuen Sklaven gnädig und lasse ihn noch zu Lebzeiten sehen, wie in der Hölle die Giaurs schmoren, die unwürdig sind, über Deine geheiligte Erde zu gehen.< Gut, aber seit wann betet man auf französisch zu Allah? Na schön, denk ich, jetzt werd ich auch eine Neuerung in den orthodoxen Kanon einführen. Der Scheich dreht sich zu mir um und grient zufrieden - Kunststück, er hat ja einen Giaur zurechtgewiesen. >Gib mir den Brief deines Generals<, sagt er. - >Pardonnez-moi, eminence<, antworte ich. >Wir Russen haben jetzt das Mittagsgebet. Gedulden Sie sich ein Minütchen.< Ich kroch auf die Knie und bete in der Sprache Corneilles und Rocamboles: >Allgütiger Gott, erfreue Deinen sündigen Sklaven, den Chevalier Ippolit, und lasse ihn sehen, wie die muselmanischen Hunde in der Pfanne geröstet werden.< Ich hab also die ohnehin nicht einfachen russisch-türkischen Beziehungen noch mehr kompliziert. Der Scheich nahm mir den Brief nicht ab, er fluchte lautstark in seiner Sprache und setzte mich und den Dolmetscher vor die Tür. Na, Gnatjew hat mich zum Schein gerügt, war aber wohl ganz zufrieden. Er hat ja gewußt, wen er zu wem schickt und wozu.«

»Toll, wie in Turkestan«, sagte Sobolew beifällig.

»Aber nicht sehr diplomatisch«, warf Hauptmann Perepjolkin ein und musterte den hemdsärmeligen Husaren mißbilligend.

»Ich bin nicht lange Diplomat geblieben«, sagte Surow seufzend und fügte nachdenklich hinzu: »Ist wohl nicht meine Strecke.«

Fandorin ließ ein recht lautes »Hm« hören.

»Einmal bin ich auf der Galata-Brücke spazierengeritten, hab die russische Montur ausgeführt und die schönen Frauen beguckt. Die trugen zwar den Tschador, aber die Teufelinnen nahmen dafür das allerdurchsichtigste Gewebe, so daß es noch verführerischer wirkte. Plötzlich seh ich - in einer Kutsche sitzt ein göttliches Wesen, und die samtenen Riesenaugen blitzen nur so über den Schleier hinweg. Neben ihr ein fetter abessinischer Eunuch, ein Klotz von Kerl, dahinter noch eine Kutsche mit Dienerinnen. Ich steige ab und mach meine Verbeugung, würdevoll, wie es sich für einen Diplomaten gehört, da zieht sie den Handschuh aus und schickt mir mit ihrem weißen Händchen« (Surow spitzte den Mund) »eine Kußhand.«