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»Zwischen den Verbündeten ist eine schwarze Katze hindurchgelaufen«, konstatierte Surow. »Und das ist erst der Anfang. Mit einem Hieb in die Schnauze kommst du nicht davon, Lucan. Für solch einen Umgang mit einer Dame wird einem das Fell durchlöchert.«

D'Hevrais sagte nichts, er zog den weißen Handschuh aus und schleuderte ihn dem Oberst ins Gesicht.

Mit einer ruckenden Kopfbewegung richtete Lucan sich auf, rieb sich den Backenknochen. Er sah den einen, dann den anderen an. Warja nahm verblüfft wahr, daß alle drei ihre Existenz vergessen zu haben schienen.

»Ich werde zum Duell gefordert?« Der Rumäne zischte die französischen Worte mühsam heraus. »Von zweien auf einmal? Oder doch einzeln?«

»Sie können wählen, wer Ihnen besser zusagt«, bemerkte d'Hevrais unfreundlich. »Und wenn Sie mit dem Ersten Glück haben, bekommen Sie es mit dem Zweiten zu tun.«

»Nein, so geht das nicht«, rief Surow entrüstet. »Ich habe das vom durchlöcherten Fell gesagt. Mit mir muß er sich schießen.«

»Schießen?« Lucan lachte höhnisch. »Nein, Herr Falschspieler, die Wahl der Waffen habe ich. Ich weiß sehr wohl, daß Sie und der Herr Schreiberling vorzügliche Schützen sind. Aber hier ist Rumänien, hier schlagen wir uns auf unsere walachische Art.«

Er schrie den Zuschauern kurz etwas zu, mehrere rumänische Offiziere zogen bereitwillig ihre Säbel aus der Scheide und reichten sie mit dem Griff voran her.

»Ich wähle den Herrn Journalisten.« Der Oberst ließ die Finger knacken und legte die Hand auf seinen Säbelgriff. Er wurde zusehends nüchtern und fröhlich. »Nehmen Sie eine dieser Klingen und folgen Sie mir auf den Hof. Ich werde zuerst Sie durchbohren und dann diesem Herrn Raufbold die Ohren abschneiden.«

Ein beifälliges Murmeln ging durch die Menge, jemand rief sogar »bravo!«.

D'Hevrais zuckte die Achseln und nahm den Säbel, der ihm am nächsten war.

Da stieß MacLaughlin die Gaffer auseinander.

»Halten Sie ein! Charles, gebrauchen Sie Ihren Verstand! Das ist doch barbarisch! Er bringt Sie um! Sich mit dem Säbel schlagen, das ist ein Sport auf dem Balkan, den beherrschen Sie nicht!«

»Man hat mir das Fechten mit Degen beigebracht, aber das ist ja fast das gleiche«, antwortete der Franzose unbekümmert und wog die Klinge in der Hand.

»Aber meine Herren, nicht doch!« Warja hatte ihre Stimme wiedergefunden. »Alles meinetwegen. Der Oberst hat ein wenig getrunken, aber er wollte mich nicht beleidigen, das weiß ich. So hören Sie doch auf, das ist ja töricht! In was für eine Lage bringen Sie mich?« Ihre Stimme zitterte kläglich, doch ihr Flehen blieb ungehört.

Ohne einen Blick auf die Dame zu werfen, um deren Ehre es doch eigentlich bei der ganzen Geschichte ging, strebte die Männerschar unter lebhaftem Geplauder durch den Korridor zu einem kleinen Innenhof. Bei Warja blieb nur MacLaughlin.

»Zu dumm«, sagte er verärgert. »Degen? Ich habe gesehen, wie Rumänen mit dem Säbel umgehen. Sie stellen sich nicht in die dritte Position und sagen nicht >gardez<. Sie hacken einen in Scheiben wie eine Blutwurst. Ach, was für ein Schreibkünstler geht da zugrunde, noch dazu so idiotisch!

Dieser französische Hochmut! Lucan, diesem Puter, wird es auch kein Glück bringen. Sie werden ihn einsperren, da kann er sitzen, bis anläßlich des Sieges eine Amnestie erlassen wird. Bei uns in Britannien ... «

»Mein Gott, mein Gott, was mach ich bloß«, murmelte Warja, ohne zuzuhören. »Ich allein bin an allem schuld.«

»Koketterie ist eine große Sünde, gnädige Frau«, pflichtete ihr der Ire überraschend bei. »Schon während des Trojanischen Krieges ...«

Vom Hof drang ein Geheul aus vielen Männerkehlen.

»Was ist passiert? Etwa schon Schluß?« Warja griff sich ans Herz. »So schnell! Gehen Sie nachsehen, James, ich flehe Sie an!«

MacLaughlin schwieg und lauschte. Sein gutmütiges Gesicht zeigte Unruhe. Er hatte sichtlich keine Lust, in den Hof zu gehen.

»Was zaudern Sie«, drängte Warja. »Vielleicht braucht er ärztliche Hilfe. Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht!«

Sie stürzte in den Korridor, doch da kam ihr sporenklirrend Surow entgegen.

»Welch ein Jammer, Warwara Andrejewna!« rief er schon von weitem. »Welch unwiederbringlicher Verlust!«

Sie lehnte sich verzweifelt mit der Schulter an die Wand, ihr Kinn zitterte.

»Wie konnten wir Russen nur die Tradition des Säbelduells verlorengehen lassen!« fuhr Surow fort zu klagen. »Ein schönes, effektvolles Schauspiel! Nicht piffpaff und fertig! Statt dessen ein Ballett, ein Poem!«

»Reden Sie keinen Unsinn, Surow!« rief Warja schluchzend. »Reden Sie vernünftig - was ist geschehen?«

»Oh, das hätten Sie sehen sollen.« Der Rittmeister sah sie und MacLaughlin erregt an. »Es hat nur zehn Sekunden gedauert. Also. Ein kleiner, schattiger Hof. Steinplatten, Laternenschein. Wir Zuschauer auf der Galerie, unten im Hof nur die beiden: d'Hevrais und Lucan. Der Oberst voltigiert - fuchtelt mit dem Säbel, zeichnet Achten in die Luft, wirft ein Eichenblatt hoch und hackt es in der Mitte durch. Das Publikum klatscht begeistert. Der Franzose steht einfach da, wartet, bis unser Pfau mit seiner Schau fertig ist. Dann macht Lucan einen Sprung vorwärts und zeichnet mit der Klinge eine Art Violinschlüssel in die Atmosphäre, und d'Hevrais, ohne sich von der Stelle zu rühren, beugt nur den Oberkörper zurück, um dem Schlag auszuweichen, dann stößt er blitzartig, ich konnte gar nicht so schnell gucken, dem Rumänen die Schneide in die Kehle. Es gluckert, der Oberst fällt hin, zuckt mit den Beinen, und aus, Ruhestand ohne Pension. Ende des Duells.«

»Haben Sie nachgesehen? Ist er tot?« fragte der Ire schnell.

»Toter geht's gar nicht«, versicherte Surow. »Ein Ladoga-See von Blut. Warwara Andrejewna, Sie sind ja ganz verstört! Bleich sehen Sie aus! Stützen Sie sich auf mich!« Mit Vergnügen legte er ihr die Hand um die Taille, was in dieser Situation ganz angebracht war.

»Und d'Hevrais?« lispelte sie.

Surow griff wie versehentlich etwas höher und meldete sorglos: »Was soll sein? Er ist zur Kommandantur, um sich selbst anzuzeigen. Dort werden sie ihm nicht den Kopf streicheln. Er hat ja keinen Offiziersschüler erlegt, sondern einen Oberst. Bestenfalls werden sie ihn nach Frankreich zurückschicken. Ich mach mal hier den Knopf auf, dann bekommen Sie besser Luft.«

Warja sah und hörte nichts. Ich bin blamiert, dachte sie. Den Ruf der anständigen Frau bin ich für immer los.

Aus das Spiel mit dem Feuer, aus das Spionieren. Ich bin eine leichtsinnige dumme Gans, und die Männer sind Tiere. Ihretwegen war ein Mensch getötet worden. Und sie würde d'Hevrais nie wiedersehen. Und das Schlimmste - der Faden, der zum feindlichen Spinnengewebe führte, war gerissen.

Was würde Fandorin sagen?

ACHTES KAPITEL

in welchem Warja des Todesengels ansichtig wird

»Regierungsbote« (Sankt Petersburg) vom 30. Juli (11. August) 1877

»Ungeachtet quälender Anfälle von Katarrh und blutiger Diarrhöe hat der Imperator in den letzten Tagen Spitäler besucht, die überfüllt sind mit Typhuskranken und Verwundeten. Seine Kaiserliche Majestät bekunden eine solche Herzlichkeit für die Leidenden, daß einem bei diesen Szenen unwillkürlich warm ums Herz wird. Die jungen Soldaten stürzen sich wie Kinder auf die Geschenke und zeigen eine ganz naive Freude.

Der Autor dieser Zeilen hat mehr als einmal gesehen, wie die schönen blauen Augen des Imperators von Tränen feucht wurden. Es ist unmöglich, diese Szenen ohne ein besonderes Gefühl der andächtigen Rührung zu beobachten.«