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»Unverantwortlich und abenteuerlich«, fiel ihm Perepjolkin ins Wort. »Ich hoffe, Michail Dmitrijewitsch, Sie haben genug Vernunft, sich nicht verlocken zu lassen.«

Ein unfreundlicher, unangenehmer Mensch ist dieser Perepjolkin, dachte Warja. Sie hatte in den letzten Monaten eine heftige Abneigung ihm gegenüber entwickelt, wickelt, mochte er als Sobolews Stabschef auch noch so gut sein. Er hatte ja auch allen Grund, sich ins Zeug zu legen - war er doch in weniger als einem halben Jahr vom Hauptmann zum Oberstleutnant aufgestiegen, hatte außerdem ein

Georgskreuz eingeheimst und einen Annensäbel für seine Kampfverletzung. Und alles dank Sobolew. Trotzdem guckte er wie ein Wolf, als hätte Warja ihm etwas gestohlen. Er war wohl eifersüchtig, wollte den General für sich allein haben. Wie mochte er es mit Kasansakis abnormer Veranlagung halten? Warja hatte sich einmal im Gespräch mit Sobolew eine giftige Anspielung auf dieses Thema erlaubt, da hatte dieser so lachen müssen, daß er sogar hustete.

Aber diesmal hatte der widerliche Perepjolkin absolut recht. Die »großartige Idee« von d'Hevrais kam ihr aberwitzig vor. Bei der Tafelrunde hingegen fand das übermütige Vorhaben volle Unterstützung, ein Kosakenoberst hieb dem Franzosen sogar auf den Rücken und nannte ihn »verwegenes Köpfchen«. Sobolew schmunzelte, sagte aber einstweilen nichts.

»Lassen Sie mich das machen, Michail Dmitrijewitsch«, bat der wackere General der Kavallerie Strukow. »Ich setze meine Kosaken in die Waggons, und wir fahren nach Herzenslust. Vielleicht nehmen wir noch einen Pascha gefangen. Das Recht haben wir! Der Befehl über die Einstellung der Kampfhandlungen ist noch nicht da.«

Sobolew warf einen Blick auf Warja, und sie bemerkte in seinen Augen einen besonderen Glanz.

»Nein, Strukow. Adrianopel muß Ihnen reichen.« Der General lächelte räuberisch und erhob die Stimme. »Meine Herren, hören Sie meinen Befehl!« Im Saal wurde es sofort still. »Ich verlege meine Befehlsstelle nach San Stefano! Das dritte Jägerbataillon steigt in die Waggons. Und wenn sie sich drängen müssen wie Heringe in der Tonne, daß mir alle bis auf den letzten mitfahren! Im Stabswaggon fahre ich selbst. Dann kehrt der Zug sofort nach Adrianopel zurück, um Verstärkung zu holen, und befährt diese Strecke regelmäßig. Morgen mittag habe ich dann ein ganzes Regiment bei mir. Sie haben die Aufgabe, Strukow, dort spätestens morgen abend mit der Kavallerie einzutreffen. Bis dahin genügt mir ein Bataillon. Laut Agentenmeldungen gibt es auf unserm Weg keine kampffähigen türkischen Truppen - nur die Garde des Sultans in Konstantinopel, und die muß Abd ul Hamid schützen.«

»Nicht die Türken haben wir zu fürchten, Euer Exzellenz«, sagte Perepjolkin mit knarrender Stimme. »Die Türken werden Sie kaum anrühren, dazu haben sie keine Kraft mehr. Aber der Oberbefehlshaber, der wird Ihnen nicht den Kopf tätscheln.«

»Das steht noch nicht fest, Jeremej Ionowitsch.« Der General kniff ein Auge ein. »Alle wissen, daß Sobolew ein Querkopf ist, darauf läßt sich vieles schieben. Außerdem könnte die Nachricht von der Einnahme der Konstantinopeler Vorstadt, wenn sie mitten in den Verhandlungen eintrifft, Seiner Kaiserlichen Hoheit sehr zupaß kommen. Man wird uns laut beschimpfen, im stillen aber danken. Es wäre nicht das erstemal. Und nun lassen Sie uns nicht mehr diskutieren, nachdem der Befehl ergangen ist.«

»Absolument!« D'Hevrais wiegte begeistert den Kopf. »Un tour de genie (*(franz.) Ein Geniestreich.), Michel! Meine Idee war also nicht die beste. Die Reportage wird besser, als ich dachte.«

Sobolew stand auf und bot Warja förmlich den Arm. »Wie wär's mit einem Blick auf die Lichter von Konstantinopel, Warwara Andrejewna?«

Der Zug brauste durch die Dunkelheit, Warja konnte kaum die Namen der Stationen lesen: Babaeski, Lüleburgaz, Corlu. Die Bahnhofsgebäude sahen so aus wie irgendwo im Tambowschen, nur nicht gelb, sondern weiß. Lichter, die schlanken Silhouetten der Zypressen, einmal blinkte durch das eiserne Gitterwerk einer Brücke der mondlichtbeschienene Streifen eines Flusses.

Der Waggon war bequem, hatte Plüschbänke und einen großen Tisch aus Mahagoni. Die Soldaten der Eskorte und Sobolews Schimmelstute Gulnora waren im Abteil für das Gefolge untergebracht. Von dort tönte immer wieder ein Wiehern - die Stute konnte sich nach der anstrengenden Prozedur

des Verladens nicht beruhigen. Im Salon saßen der General, Warja, d'Hevrais und ein paar Offiziere, auch Mitja Gridnew, der friedlich in einer Ecke schlief. Die Offiziere umdrängten rauchend Perepjolkin, der die Fahrt des Zugs auf der Karte verfolgte, der Korrespondent schrieb etwas in sein Notizbuch, Warja und Sobolew standen am Fenster und führten eine nicht ganz einfache Unterhaltung.

»Ich dachte, es wäre Liebe«, beichtete der General halblaut und blickte scheinbar in die Schwärze draußen, doch Warja wußte, daß er in Wirklichkeit ihr Spiegelbild im Fenster betrachtete. »Aber ich will Sie nicht belügen. Ich habe nie über die Liebe nachgedacht. Meine größte Leidenschaft ist der Ehrgeiz, alles andere kommt danach. So ist das bei mir. Aber Ehrgeiz ist keine Sünde, wenn er auf ein hohes Ziel gerichtet ist. Ich glaube an meinen Stern und mein Schicksal, Warwara Andrejewna. Ich habe einen hellen Stern und ein besonderes Schicksal. Das spüre ich mit dem Herzen. Schon als ich noch Offiziersschüler war ...«

»Sie wollten von Ihrer Frau erzählen«, erinnerte ihn Warja an das, was sie interessierte.

»Ach ja. Ich habe aus Ehrgeiz geheiratet, das gebe ich zu. Es war ein Fehler. Aus Ehrgeiz kann man sich einer Kugel aussetzen, doch auf keinen Fall heiraten. Wie ist es dazu gekommen? Ich war aus Turkestan zurück. Erste Strahlen des Ruhms, trotzdem Emporkömmling, ein Parvenu, nicht von Adel. Mein Großvater hatte sich von den untersten Rängen hochgedient. Und da war die Fürstin Titowa, stammt von Rurik ab. Aus der Garnison direkt in die höchste Gesellschaft. Wie sollte ich der Verlockung widerstehen?«

Sobolew sprach abgerissen, bitter und wohl aufrichtig. Warja schätzte Aufrichtigkeit. Und natürlich konnte sie sich denken, worauf das hinauslief. Sie hätte rechtzeitig bremsen, das Gespräch in andere Bahnen lenken können, aber das brachte sie nicht fertig. Welche Frau hätte das schon fertiggebracht?

»Sehr bald wurde mir klar, daß ich in der höchsten Gesellschaft nichts verloren hatte. Das Klima war nichts für mich. So lebten wir - ich auf Feldzügen, sie in der Hauptstadt. Wenn der Krieg zu Ende ist, lasse ich mich scheiden. Ich kann es mir leisten, ich habe mich verdient gemacht. Niemand wird mich verurteilen, immerhin bin ich ein Held.« Sobolew lächelte verschmitzt. »Was sagen Sie jetzt, Warja?«

»Wozu?« fragte sie mit Unschuldsmiene. Die verfluchte kokette Natur jubilierte nur so. Das Geständnis brachte nichts als Komplikationen, und doch war es ein Fest.

»Soll ich mich scheiden lassen oder nicht?«

»Das müssen Sie selbst wissen.« (Gleich, jetzt gleich sagt er die bewußten Worte!)

Sobolew seufzte schwer - und stürzte sich kopfüber ins Wasser.

»Ich habe längst ein Auge auf Sie geworfen. Sie sind klug, aufrichtig, haben Mut und Charakter. Eine solche Gefährtin brauche ich. Mit Ihnen wäre ich noch stärker. Sie würden es auch nicht bereuen, das schwöre ich. Also, Warwara Andrejewna, Sie können davon ausgehen, daß ich Ihnen einen offiziellen ...«