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Die Lakaien flüsterten und machten einander Zeichen. Liz

wusste, dass sie die Überraschung nutzen musste. In keinem dieser Köpfe durfte sich der Gedanke formen, dass es möglich war, sie abzuweisen.

Sie war lange nicht als Monarchin aufgetreten. Wer in einem kleinen Haus lebte und nur mehr von Kaufleuten besucht wurde, die geliehenes Geld zurückwollten, hatte nicht oft dazu Gelegenheit. Aber sie war die Großnichte der jungfräulichen Elisabeth, die Enkelin der Maria von Schottland, die Tochter von Jakob, dem Herrscher beider Königreiche, und sie war als Kind schon darin ausgebildet worden, wie eine Königin zu stehen, zu gehen und dreinzublicken. Auch dies war ein Handwerk, und wer es gelernt hatte, vergaß es nicht.

Das Wichtigste: nicht nachfragen und nicht zögern. Keine Geste der Ungeduld, keine Regung, die nach Zweifel aussah. Sowohl ihre Eltern als auch ihr armer Friedrich, der nun schon so lange tot war, dass sie Porträts ansehen musste, um sich an sein Gesicht zu erinnern, hatten so gerade gestanden, als könnte kein Rheuma, keine Schwäche und keine Sorge sie je berühren.

Nachdem sie also eine kleine Weile gerade gestanden hatte, umgeben von Getuschel und Staunen, tat sie einen und dann noch einen Schritt auf die zwei goldbeschlagenen Türflügel zu. Solch eine Tür gab es sonst nicht in der westfälischen Provinz, jemand musste sie von weit her gebracht haben, ebenso wie die Gemälde an den Wänden und die Teppiche auf dem Boden und die Gardinen aus Damast und die seidenen Tapeten und die vielarmigen Kerzenleuchter und die zwei Luster,

kristallschwer an der Decke, an denen, obgleich es heller Tag war, jede einzelne Kerze brannte. Kein Herzog und kein Fürst, ja nicht einmal Papa hätte ein Bürgerhaus in einer kleinen Stadt in solch einen Palast verwandelt. So etwas taten nur der König von Frankreich und der Kaiser.

Ohne innezuhalten, ging sie auf die Tür zu. Jetzt durfte sie nicht zögern. Der kürzeste Anflug von Unsicherheit würde ausreichen, um die zwei Lakaien, die links und rechts von der Tür standen, daran zu erinnern, dass es durchaus auch denkbar war, ihr nicht aufzumachen. Wenn das geschehen sollte, war ihr Vormarsch abgewehrt. Dann würde sie sich auf einen der Plüschstühle setzen müssen, und irgendwer würde auftauchen und ihr sagen, dass der Botschafter leider keine Zeit habe, dass aber sein Secretarius sie in zwei Stunden würde sehen können, und sie würde protestieren, und der Lakai würde kühl sagen, es tue ihm leid, und sie würde laut werden, und der Lakai würde es unbeeindruckt wiederholen, und sie würde noch lauter werden, und mehr Lakaien würden zusammenlaufen, und so wäre sie mit einem Mal keine Königin mehr, sondern eine klagende alte Dame im Vorzimmer.

Deshalb musste es gelingen. Einen zweiten Versuch würde es nicht geben. Man musste sich bewegen, als wäre die Tür nicht da, man durfte davon nicht langsamer werden; man musste so gehen, dass man, falls keiner aufmachte, mit voller Wucht dagegen prallte, und da die Quadt ihr in zwei Schritten Abstand folgte, würde die Zofe dann gegen ihren Rücken prallen, und die Blamage wäre unerträglich - genau deshalb

würden sie öffnen; das war der ganze Trick.

Er gelang. Mit verwirrten Mienen griffen die Lakaien nach den Klinken und wuchteten die Türflügel auf. Liz trat ins Empfangszimmer. Sie wandte sich um und wies die Quadt mit einem Handzeichen an, ihr nicht weiter zu folgen. Das war ungewöhnlich. Eine Königin machte keine Besuche ohne Begleitung. Aber dies war auch keine normale Situation. Verblüfft blieb die Zofe stehen, und die Lakaien schlossen vor ihr die Tür.

Der Raum schien riesig. Vielleicht lag es an den geschickt gruppierten Spiegeln, vielleicht war es ein Kunststück der Wiener Hofmagier. Der Raum schien so groß, dass man nicht recht begriff, wie das Haus ihn fassen konnte. Wie ein Saal in einem Palast erstreckte er sich, und eine Flut von Teppichen trennte Liz von einem fernen Schreibtisch. Weit hinten gaben geöffnete Damastvorhänge den Blick auf eine Zimmerflucht frei, noch mehr Teppiche, noch mehr goldene Kerzenhalter, noch mehr Luster und Gemälde.

Hinter dem Schreibtisch erhob sich ein kleingewachsener Herr mit grauem Bart, der so unauffällig aussah, dass Liz einen Moment brauchte, um ihn zu bemerken. Er nahm seinen Hut ab und machte eine höfische Verbeugung.

«Willkommen», sagte er. «Darf ich hoffen, Madame, die Reise war keine beschwerliche?»

«Ich bin Elisabeth, Königin -»

«Verzeihen die Unterbrechung, es ist nur, um Hoheit Mühe zu ersparen. Erklärungen nicht vonnöten, ich bin im Bilde.»

Es kostete sie eine Weile, bis sie verstand, was er gesagt hatte. Sie holte Luft, um ihn zu fragen, woher er wusste, wer sie war, aber wieder war er schneller.

«Weil es meine Profession ist, Madame, Dinge zu wissen. Und meine Aufgabe, sie zu verstehen.»

Sie runzelte die Stirn. Ihr wurde heiß, was zum Teil an dem dicken Pelzmantel lag und zum Teil daran, dass sie es nicht gewohnt war, unterbrochen zu werden. Er stand nun vornübergebeugt, eine Hand auf dem Tisch, die andere auf dem Rücken, als hätte ihn ein Hexenschuss ereilt. Schnell ging sie auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch zu. Aber wie in einem Traum war der Raum so groß und der Tisch so weit weg, dass es dauern würde, bis sie ihn erreichte.

Dass er sie mit Hoheit angesprochen hatte, bedeutete, dass er zwar ihre Stellung als Mitglied der englischen Königsfamilie würdigte, sie aber nicht als Königin von Böhmen anerkannte, denn sonst hätte er sie mit Majestät anreden müssen; ja nicht einmal als Kurfürstin erkannte er sie an, denn dann hätte er Kurfürstliche Durchlaucht zu ihr gesagt, was zwar daheim in England nur wenig, aber hier im Reich mehr wert war als selbst die Hoheit eines Königskindes. Und gerade weil dieser Mann sein Geschäft verstand, kam es darauf an, dass sie sich hinsetzte, bevor er sie dazu aufforderte, denn während er natürlich einer Prinzessin einen Stuhl anzubieten hatte, so stand ihm dies bei einer Königin nicht zu. Monarchen setzten sich unaufgefordert, und alle anderen standen, bis der Monarch ihnen das Sitzen gestattete.

«Wollen Eure Hoheit -»

Aber da der Stuhl noch weit war, unterbrach sie ihn. «Ist Er der, von dem ich vermute, dass Er er ist?»

Das brachte ihn für einen Moment zum Schweigen. Zum einen, weil er nicht erwartet hatte, dass ihr Deutsch so gut war. Sie hatte ihre Zeit genützt, sie war in den Jahren nicht müßig gewesen, sie hatte Stunden bei einem liebenswürdigen jungen Deutschen genommen, der ihr gut gefallen hatte und in den sie sich fast hätte verlieben können - oft hatte sie von ihm geträumt und einmal sogar einen Brief an ihn aufgesetzt, aber so etwas war nicht möglich, sie durfte sich keinen Skandal leisten. Zum anderen schwieg er, weil sie ihn gekränkt hatte. Ein kaiserlicher Botschafter musste Exzellenz genannt werden - von jedem, außer von einem König. Er hatte ihr gegenüber also auf einer Anrede zu bestehen, die sie ihm auf keinen Fall gewähren konnte. Für dieses Problem gab es nur eine einzige Lösung: Eine wie sie und einer wie er durften sich niemals begegnen.

Als er zu sprechen anhob, schlug sie einen Haken, ging auf einen Schemel zu und setzte sich; sie war ihm zuvorgekommen. Sie genoss diesen kleinen Sieg, lehnte den Gehstock an die Wand und verschränkte die Finger im Schoß. Dann sah sie seinen Blick.

Ihr wurde eiskalt. Wie hatte sie nur so einen Fehler machen können? Es musste daran liegen, dass sie seit Jahren aus der Übung war. Natürlich konnte sie weder stehen bleiben noch sich von ihm zum Sitzen auffordern lassen, aber ein Stuhl ohne