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«Die Amnestie ist längst ausgehandelt. Alle Taten des Krieges werden verziehen mit Ausnahme derer einer einzigen Person.»

«Ich kann mir denken, wer das ist.»

«Dieser endlose Krieg hat mit Eurer Hoheit Gemahl angefangen. Mit einem Pfalzgrafen, der zu hoch hinauswollte. Ich sage nicht, dass Hoheit Schuld tragen, aber ich kann mir doch vorstellen, dass die Tochter des großen Jakob nicht eben versucht hat, den ehrgeizigen Gemahl zur Bescheidenheit anzuhalten.» Lamberg schob langsam seinen Stuhl zurück und richtete sich auf. «Der Krieg dauert schon so lange, dass die meisten, die heute leben, keinen Frieden gesehen haben. Dass

nur die Alten sich noch an Frieden erinnern. Ich und meine Kollegen - ja, auch der Dummkopf, der Fanfaren blasen lässt, wenn er sich zum Essen setzt - sind die Einzigen, die ihn beenden können. Jeder will Gebiete, die der andere auf keinen Fall hergeben möchte, jeder verlangt Subsidien, jeder will, dass Beistandsverträge gekündigt werden, die andere für unkündbar halten, damit stattdessen neue Verträge zustande kommen, von denen andere meinen, sie seien unannehmbar. Das hier geht über die Fähigkeiten jedes Menschen weit hinaus. Und dennoch müssen wir es schaffen. Ihr habt diesen Krieg angefangen, Madame. Ich beende ihn.»

Er zog an einem seidenen Strang über dem Tisch. Von nebenan hörte Liz den Ton einer Glocke. Jetzt ruft er einen Secretarius, dachte sie, irgendeinen grauen Zwerg, der mich hinauskomplimentiert. Ihr war schwindlig. Der Raum schien sich zu heben und zu senken, als wäre sie auf einem Schiff. Noch nie hatte jemand so mit ihr gesprochen.

Ein Lichtstrahl fesselte ihre Aufmerksamkeit. Er fiel durch einen dünnen Spalt zwischen den Gardinen, Staubkörnchen wirbelten darin, ein Spiegel an der gegenüberliegenden Wand fing ihn auf und warf ihn zur anderen Wand, wo er eine Stelle an einem Bilderrahmen aufglänzen ließ. Das Gemälde war von Rubens: eine hochgewachsene Frau, ein Mann mit einer Lanze, über ihnen ein Vogel im Himmelsblau. Eine schwebende Heiterkeit ging davon aus. Sie erinnerte sich gut an Rubens, einen traurigen Mann, dem hörbar das Atmen schwergefallen war. Sie hatte ein Bild von ihm kaufen wollen, aber es war zu

teuer für sie gewesen; nichts schien ihn zu interessieren außer Geld. Wieso nur hatte er so malen können?

«Prag ist nie für uns gewesen», sagte sie. «Prag war ein Fehler. Aber die Pfalz gebührt meinem Sohn nach dem Recht des Reichs. Dem Kaiser stand es nicht zu, uns die Kurwürde abzuerkennen. Deshalb bin ich nicht nach England zurück. Mein Bruder hat mich immer wieder eingeladen, aber Holland ist formell weiterhin Teil des Reichs, und solange ich dort lebe, besteht unser Anspruch fort.»

Eine Tür öffnete sich, und ein fülliger Mann mit freundlichem Gesicht und klugen Augen kam herein. Er nahm den Hut ab und verbeugte sich. Obwohl er jung war, hatte er kaum mehr Haare auf dem Kopf.

«Graf Wolkenstein», sagte Lamberg. «Unser Cavalier d'Ambassade. Er wird Euch eine Unterkunft besorgen. Es gibt keine Herbergszimmer mehr, jeder Winkel ist vollgestopft mit den Gesandten und ihrem Gefolge.»

«Wir wollen Böhmen nicht», sagte Liz, «aber die Kurwürde geben wir nicht auf. Mein Erstgeborener, der klug und liebenswert war und auf den alle sich hätten einigen können, ist gestorben. Das Boot ist umgekippt. Er ist ertrunken.»

«Das tut mir leid», sagte Wolkenstein mit einer Schlichtheit, die sie berührte.

«Mein zweiter Sohn, der nächste in der Thronfolge, ist weder klug noch liebenswert, aber die Kurwürde der Pfalz gebührt ihm, und wenn der Bayer sie nun mal nicht hergibt, muss eine achte geschaffen werden. Die Protestanten werden es anders

nicht dulden. Ich werde sonst zurück nach England gehen, wo das Parlament meinen Bruder absetzen und meinen Sohn zum König machen wird, und der wird vom englischen Thron herab dann Prag verlangen, und der Krieg endet nicht. Ich verhindere es. Ich ganz allein.»

«Wir brauchen uns nicht zu echauffieren», sagte Lamberg. «Ich werde Seiner Kaiserlichen Majestät Eurer Hoheit Botschaft übermitteln.»

«Und mein Mann muss in die Amnestie mit einbezogen werden. Wenn alle Taten des Krieges verziehen werden, dann müssen auch seine verziehen sein.»

«Nicht in diesem Leben», sagte Lamberg.

Sie stand auf. Ärger kochte in ihr empor. Sie spürte, dass sie rot angelaufen war, aber sie schaffte es doch, die Mundwinkel hochzuziehen, ihren Stock auf den Boden zu setzen und sich zur Tür zu wenden.

«Eine große und unverhoffte Ehre. Ein Glanz in diesem armen Haus.» Lamberg nahm den Hut ab und verbeugte sich. Keinerlei Spott klang in seiner Stimme.

Sie hob die Hand zum nachlässigen Winken der Könige und ging wortlos weiter.

Wolkenstein überholte sie, erreichte die Tür und gab ein Klopfzeichen - sofort zogen die Lakaien draußen die Flügel auf. Liz trat ins Vorzimmer, Wolkenstein folgte ihr. Vor der Zofe gingen sie zum Ausgang.

«Was Eurer Königlichen Hoheit Unterkunft angeht», sagte Wolkenstein, «so könnten wir anbieten -»

«Er soll sich nicht bemühen.»

«Es ist keine Mühe, sondern eine große -»

«Glaubt Er im Ernst, ich wünsche irgendwo zu logieren, wo es von kaiserlichen Spionen wimmelt?»

«Um ehrlich zu sein: Egal, wo Königliche Hoheit unterkommen, der Ort wird voller Spione sein. Wir haben so viele davon. Wir verlieren auf den Schlachtfeldern, und viele Geheimnisse sind nicht mehr übrig. Was sollen unsere armen Spione den ganzen Tag tun?»

«Der Kaiser verliert auf den Schlachtfeldern?»

«Ich war selbst gerade dabei, unten in Bayern. Mein Finger ist noch dort!» Er hob die Hand und bewegte seinen Handschuh, um ihr zu zeigen, dass die Hülle des rechten Zeigefingers leer war. «Wir haben die halbe Armee verloren. Königliche Hoheit haben keinen schlechten Moment gewählt. Wir machen nie Zugeständnisse, solange wir stark sind.»

«Die Zeit ist günstig?»

«Die Zeit ist immer günstig, wenn man es richtig anfängt. Vergnüge dich an dir und acht' es für kein Leid, hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.»

«Wie bitte?»

«Das ist von einem deutschen Dichter. So etwas gibt es jetzt. Deutsche Dichter! Paul Fleming heißt er. Seine Werke sind zum Weinen schön, leider ist er jung gestorben, krank an der Lunge. Man wagt nicht auszudenken, was aus ihm hätte werden können. Seinetwegen schreibe ich auf Deutsch.»

Sie lächelte. «Gedichte?»

«Prosa.»

«Wirklich, auf Deutsch? Ich habe es mal mit Opitz versucht -»

«Opitz!»

«Ja, Opitz.»

Beide lachten.

«Ich weiß, es klingt nach einer Torheit», sagte Wolkenstein. «Aber ich glaube, es geht, und ich habe beschlossen, eines Tages auf Deutsch mein Leben aufzuschreiben. Deshalb bin ich hier. Einmal wird man wissen wollen, wie das war beim großen Kongress. Ich habe einen Gaukler aus Andechs nach Wien gebracht, oder eigentlich hat er mich nach Wien gebracht, ohne ihn wäre ich tot. Aber als Seine Kaiserliche Majestät ihn dann geschickt hat, um vor den Gesandten aufzutreten, habe ich die Occasion ergriffen und bin mit ihm hergekommen.»

Liz gab ihrer Zofe ein Zeichen. Die lief hinaus, um die Kutsche vorfahren zu lassen. Es war ein schönes Gefährt, schnell und einigermaßen standesgemäß, Liz hatte es mitsamt zwei starken Pferden und einem zuverlässigen Kutscher von ihren letzten Ersparnissen für zwei Wochen gemietet. Das bedeutete, dass sie drei Tage in Osnabrück bleiben konnte, danach musste sie sich auf den Heimweg machen.

Sie trat ins Freie und schlug sich die Pelzkapuze über den Kopf. War das nun eigentlich gut gelaufen? Sie wusste es nicht. So viel mehr hätte sie noch sagen, so viel anderes ins Feld führen wollen, aber das war wohl immer so. Papa hatte einmal gesagt, dass man stets nur einen kleinen Teil seiner Waffen

einsetzen könne.

Rumpelnd fuhr die Kutsche vor. Der Fahrer stieg ab. Sie blickte sich um und erkannte mit eigentümlichem Bedauern, dass der dicke Cavalier d'Ambassade ihr nicht weiter gefolgt war. Sie hätte gern noch ein wenig mit ihm gesprochen.