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Sie konnte ihre Waffe nicht einsetzen, ohne den Mann zu gefährden, so daß sie die Bestien mit den Händen davonschleuderte.

Die Wanzen verbrannten bei der bloßen Berührung mit ihrem Körperschild, aber auch der Mann schrie gepeinigt auf, als der Stoff seiner Jacke über dem linken Arm aufflammte und die Haut darunter verkohlte.

Der Schildgenerator in Charitys Gürtel brummte protestierend. Das Gerät war für extreme, aber kurzfristige Belastungen gebaut. Sie fragte sich, wann es den Geist aufgeben würde.

Der Kampf flammte immer wieder auf, wenn Scharen der weißen Raubinsekten attackierten, um sich auf die vermeintlich sichere Beute zu stürzen. Doch die Wanzen, die im Inneren des Schirmes gefangen waren, starben eine nach der anderen unter Charitys Laserdüsen oder den Hieben der Knüppel und Eisenstangen.

Trotzdem gaben sie nicht auf. Jeder vernünftig und sachlich denkende Gegner hätte den Angriff irgendwann abgebrochen und sein Heil in der Flucht gesucht, aber dieser Gegner dachte nicht. Charity wußte, daß die Biester praktisch nur aus Freßwerkzeugen und dem dazugehörigen Verdauungsapparat bestanden, dafür aber praktisch so gut wie kein Gehirn besaßen.

Dies machte sie auf der einen Seite zwar zu mörderischen Gegnern, auf der anderen aber auch berechenbar. Die Wanzen versuchten nicht, sich zu verstecken oder ihre Beute aus einem Hinterhalt heraus anzuspringen, sondern griffen mit fast mechanischer, berechenbarer Beharrlichkeit an, so daß Charity die Kreaturen schließlich fast wie auf dem Schießstand erledigen konnte.

Als es vorbei war, drehte sie sich erschöpft einmal im Kreis und schwenkte ihre Waffe herum. Überall lagen tote oder brennende Wanzen, aber es war ein bitterer, vielleicht allzu teuer erkaufter Sieg. Nicht einer der Verteidiger war ohne schwere Verletzungen davongekommen. Mindestens zwei Männer und eine Frau waren tot. Die anderen saßen oder lagen am Boden, preßten die Hände auf ihre Wunden oder stöhnten vor Schmerz. Niemand sagte etwas, doch auf den wenigen Gesichtern, die sich Charity zuwandten, stand die nackte Angst geschrieben - nur zu verständlich angesichts der Situation, in der sie sich befanden. Aber Charity hatte das sichere Gefühl, daß ein Gutteil dieser Angst ihr galt.

Sie steckte ihre Waffe ein, schaltete den Körperschild aus, dessen Generator mittlerweile wie ein zorniger Hornissenschwarm brummte, und ging dann zu den beiden Toten hinüber.

Einer von ihnen war den Wanzen zum Opfer gefallen, während der andere keine äußeren Verletzungen aufzuweisen schien. Als Charity ihn auf den Rücken drehte, sah sie, daß sein Genick gebrochen war.

Der harte Knoten in ihrem Magen war plötzlich wieder da. Der Mann war der Druckwelle zum Opfer gefallen, die der herabstoßende Jet verursacht hatte. Sie hatte ihn umgebracht.

In ihrem Mund war plötzlich ein bitterer Geschmack. Ihre Logik versuchte vergeblich, sie davon zu überzeugen, daß sie keine andere Wahl gehabt hatte, als anzugreifen. Ihr Manöver hatte diesen Mann getötet, alle anderen jedoch gerettet. Aber das waren billige Worte, die es für Charity nicht einfacher machten. Es war zwar die reine Wahrheit, doch die Mathematik versagte, wenn man mit Menschenleben statt mit Unbekannten rechnete.

Charity sah eine Bewegung aus den Augenwinkeln und reagierte instinktiv, ohne zu nachzudenken. Sie ließ sich blitzschnell zur Seite fallen, und die Eisenstange, die auf ihren Hinterkopf gezielt hatte, zischte zwei Handbreit über sie hinweg.

Instinktiv rollte Charity sich über die Schulter ab, riß schützend die Hand vor das Gesicht und griff mit der anderen nach einem schmutzstarrenden Fuß, der nach ihr stieß. Sie packte ihn, drehte ihn mit einem kräftigen Ruck herum und kam im gleichen Moment auf die Füße, als der Mann, der sie angegriffen hatte, auf den Rücken fiel und keuchend nach Atem rang.

Ein zweiter Mann attackierte sie. Charity blockte zwei, drei ungeschickte Hiebe ab, verlor endgültig die Geduld und streckte den Angreifer mit einem punktgenauen, perfekten Kinnhaken zu Boden. Noch in der Bewegung wirbelte sie herum und wandte sich einem dritten Angreifer zu, der sich von hinten auf sie stürzen wollte.

Der Bursche gab sein Vorhaben im letzten Moment auf. Wahrscheinlich hatte ihn die Leichtigkeit, mit der Charity seine beiden Vorgänger besiegt hatte, schockiert.

»Was... was soll denn das?« fragte Charity stockend. »Seid ihr verrückt geworden? Nur für den Fall, daß es eurer Aufmerksamkeit entgangen ist: Ich stehe auf eurer Seite!«

Weder der Mann noch einer der anderen antworteten. Charity war nicht einmal sicher, ob sie ihre Worte überhaupt verstanden hatten. Die Angst auf den Gesichtern war jedenfalls immer noch unverkennbar.

»Versteht ihr mich?« fragte sie.

Keine Antwort.

Die beiden Männer, die sie niedergeschlagen hatte, richteten sich stöhnend auf und krochen hastig von ihr weg. Eine junge Frau mit strähnigem blondem Haar begann leise zu weinen, und auch die anderen versuchten, sich ein Stück von ihr weg zu bewegen.

»Verdammt noch mal, was geht hier eigentlich vor?« fragte Charity. »Ich verlange ja nicht, daß ihr mir die Füße küßt, aber wieso versucht ihr mich umzubringen?«

»Tu uns nichts«, stöhnte einer der Männer; es war der, den sie niedergeschlagen hatte. »Wir... wir sind nicht dein Feind. Laß uns gehen.«

»Na ja, wenigstens in einem Punkt scheinen wir derselben Meinung zu sein«, sagte Charity kopfschüttelnd. Sie verstand immer weniger, was hier eigentlich vor sich ging. Diese Menschen hatten eindeutig Angst vor ihr. Aber warum?

Sie wandte sich der weinenden jungen Frau zu.

»Du«, sagte sie. »Wie ist dein Name?«

»Melissa«, wimmerte die junge Frau.

»Melissa«, sagte Charity. »Jetzt sieh mich bitte an, Melissa, und -«

»Melissa«, stammelte die junge Frau. »Sie... sie haben Melissa. Sie haben sie verschleppt.«

Charity stockte. »Verschleppt? Was... was meinst du damit?«

»Die Ungeheuer.« Die blonde Frau deutete zitternd auf eine der toten Wanzen. »Sie haben sie verschleppt.«

»Die Wanzen?« Charity erschrak. Sie hatte davon gehört, daß die Raubwanzen manchmal auch lebende Opfer fingen und verschleppten, vermutlich, um sie später zu fressen. Bislang aber hatte sie diese Geschichte für ein bloßes Gerücht gehalten.

»Sie haben Melissa weggebracht«, stammelte die Frau. »Ich wollte ihr helfen, aber es waren zu viele.«

Sie hatte nicht die Kraft, Charity anzuschauen. Tränen liefen über ihr Gesicht und vermischten sich mit dem Blut, das aus einer Schnittwunde an ihrer Wange quoll.

»Wer ist Melissa?« fragte Charity betont.

»Ihre Tochter«, sagte eine andere Frau. »Die Ungeheuer haben sie geschnappt, als wir nach oben kamen.«

Sie schien noch mehr sagen zu wollen, doch der Mann neben ihr versetzte ihr einen derben Stoß, der die Frau verstummen ließ.

»Also gut«, sagte Charity. Sie verstand immer noch nicht, was hier eigentlich los war, aber jetzt war auch nicht der Moment, darüber nachzudenken. Sie wandte sich wieder an die junge Frau vor ihr. »Wann ist das passiert?«

»Gerade«, antwortete sie. »Als wir... nach oben mußten.«

Also vermutlich kurz vor dem Moment, als die Gruppe auf dem Monitor ihres Bewegungsscanners aufgetaucht war. Obwohl es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, waren seither erst wenige Minuten vergangen. »Dann ist sie vielleicht noch am Leben«, sagte Charity. »Kannst du mir zeigen, wo das passiert ist?«

Die Frau starrte sie an. Sie sagte nichts.

»Hör mir zu«, sagte Charity eindringlich. »Deine Tochter ist vielleicht noch am Leben. Wenn du mir zeigst, wo es passiert ist, können wir sie möglicherweise retten. Aber es kommt auf jede Sekunde an!«