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Das Heulen der Alarmsirenen war so laut, daß es jedes andere Geräusch zu verschlucken schien. Überall waren rennende Menschen, flackernde Lichter, Flammen. Charity stürmte aus dem Gebäude und hob gleichzeitig den Blick in den Himmel.

Dutzende riesiger Scheinwerfer waren aufgeflammt und tauchten die Unterseiten der tiefhängenden Rauchwolken in gleißendes Licht. Von dem fremden Schiff war noch nichts zu sehen, aber genau in diesem Moment starteten auf der anderen Seite des Geländes ein gutes Dutzend Moroni-Jets, dicht gefolgt von drei pfeilförmigen Vipern.

Skudder und Hartmann kamen mit weit ausgreifenden Schritten auf sie zugerannt. Skudder rief irgend etwas, doch Charity sah nur, wie seine Lippen sich bewegten. Das Brüllen der Alarmsirenen und der tobende Lärm verschluckten seine Worte vollkommen. Charity sah, wie er das Handgelenk an die Lippen hob und irgend etwas in sein Armbandfunkgerät brüllte.

Einen Augenblick später verstummte eine der Alarmsirenen, dann eine zweite. Es wurde nicht sehr viel leiser, aber zumindest konnten sie sich jetzt schreiend verständigen.

»Wo ist er?« rief Charity.

Skudder deutete heftig gestikulierend zum Himmel. »Er wird genau hier landen!« schrie er zurück. »Er wird langsamer, aber er kommt!«

Charity starrte weiter gebannt nach oben. Die Vipern zogen leuchtende Abgasstreifen durch den Himmel, und die Jets bildeten einen unregelmäßigen Kreis tanzender Punkte. In der Mitte dieser tobenden Formation war ein weiterer, flimmernder Funke erschienen, der rasch an Leuchtkraft und Größe zunahm.

»Wir funken sie auf sämtlichen Frequenzen an«, sagte Skudder, »aber bisher haben sie nicht geantwortet.«

»Wenigstens wissen wir gleich, wer sie sind«, sagte Harris. »Ich bin nur gespannt, was sie wollen: Verhandeln, oder uns ein Ultimatum überbringen.«

Charity schwieg dazu. Spekulationen halfen ihnen nicht weiter.

Harris hatte nur in einem Punkt recht: Wenigstens würden sie gleich wissen, mit wem sie es zu tun hatten.

Der glühende Punkt wurde rasch größer und nahm die rochenförmigen, massigen Konturen an. Die Jets umkreisten ihn wie Geier einen verwundeten Adler, der sterbend dem Erdboden entgegentrudelte. Von überallher rannten Männer auf den Platz.

Die meisten waren bewaffnet. Hunderte von Gewehren richteten sich auf den landenden Stingray, und Charity sah aus den Augenwinkeln, wie die Tore eines Gebäude auf der anderen Seite aufglitten und zwei Mark-IV-Panzer auf rasselnden Ketten herausrollten. Die schweren Laserkanonen in den Türmen dieser Ungetüme folgten jeder Bewegung des fremden Schiffes mit computergesteuerter Präzision.

Charity konnte die Anspannung, die sich auf dem Platz ausbreitete, körperlich spüren. Das Rochenschiff verlor weiter an Geschwindigkeit und Höhe und schwebte schließlich sanft wie ein fallendes Blatt zu Boden. Die letzten Alarmsirenen stellten ihr Geheul ein, und plötzlich wurde es fast unheimlich still.

Die Luft schien von elektrischer Spannung zu knistern. Charity betete, daß niemand die Nerven verlor oder der Pilot des Stingray keinen Fehler beging. Ein winziger Funke, und alles würde explodieren wie das berühmte Pulverfaß.

Skudders Gedanken schienen in ähnlichen Bahnen zu verlaufen, denn er hob mit einer nervösen Bewegung das Armbandfunkgerät, schaltete auf die allgemeine Frequenz und sagte: »Ruhig bleiben. Niemand feuert, bevor sie es nicht tun.«

»Rechnest du wirklich damit?« fragte Charity, ohne den landenden Stingray auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

»Daß sie schießen?« Skudder schüttelte den Kopf. »Nein. Aber vielleicht haben sie ja eine andere Überraschung für uns mitgebracht. So etwas in der Größenordnung von fünf bis zehn Megatonnen.«

Charity fuhr sich nervös mit dem Handrücken über das Kinn.

Skudders Worte waren nicht so weit hergeholt, wie sie es gern gehabt hätte.

Die Fremden hatten ja bereits demonstriert, daß sie keine Probleme mit Selbstmordmissionen hatten. Aber für solche Bedenken war es eindeutig zu spät.

Der Stingray schwebte einen Meter über dem Boden. Aus den Unterseiten der Flügel faltete sich ein komplizierter Landemechanismus; die Triebwerke erloschen, kaum daß er den Boden berührt hatte, und eine Sekunde darauf öffnete sich eine asymmetrisch geformte Tür auf der Charity und Skudder zugewandten Seite. Dahinter brannte kein Licht, doch Charity glaubte trotzdem, unbestimmte, schemenhafte Bewegungen in der Dunkelheit wahrzunehmen.

Ein leises Summen erklang, und aus dem Schiffsrumpf wuchs eine schräge, schuppig gegliederte Rampe heraus, die nach wenigen Augenblicken den Boden berührte.

Die schattenhafte Bewegung hinter der Tür wurde deutlicher.

Charitys Herz begann zu hämmern. Selbst sie ertappte sich dabei, wie sie ihre Hand an die Hüfte senkte, dorthin, wo sie normalerweise ihre Waffe trug.

Wie um die Dramatik des Augenblickes noch einmal zu steigern, zögerte die schattenhaft erkennbare Gestalt noch einmal sekundenlang, ehe sie das Schiff verließ und auf die Rampe hinaustrat.

Charitys stockte der Atem. Neben sich hörte sie Hartmann scharf die Luft einsaugen, und Skudder stieß einen kleinen, überraschten Laut aus.

Es war kein schwarzer Riese. Statt eines Zweieinhalb-Meter- Giganten in einem schwarzen Kampfanzug blickte Charity in das Gesicht einer vielleicht dreißigjährigen, schlanken Frau mit kurzgeschnittenem Haar.

»Net!« flüsterte Hartmann erschüttert.

Hinter Net erschienen zwei kleinere Umrisse mit kindlichen Proportionen, und noch bevor Hartmann den Namen seiner Frau ein zweites Mal schreien und losstürmen konnte, traten hinter den Zwillingen auch Melissa und ihre Mutter auf die Rampe.

Alle sahen sehr erschrocken und zutiefst verwirrt aus, waren aber unverletzt.

Den Abschluß bildete eine sechste Gestalt, die kaum größer als Melissa war.

Und ihr Anblick versetzte Charity wirklich einen Schock.

Es war ein Mann. Er war allerdings kaum größer als ein zehnjähriges Kind und trug eine alberne, kunterbunt bestickte Toga, die seine Gestalt vom Hals bis hinunter zu den nackten Füßen verbarg. Sein Kopf war übergroß und kahl und schien auf dem viel zu kurzen Hals ununterbrochen hin und her zu wackeln, und sein Gesicht war dermaßen grotesk, daß Charity unter allen anderen vorstellbaren Umständen vor Lachen laut herausgeplatzt wäre. Jetzt aber nicht.

Sie starrte den Zwerg einfach nur an und zweifelte an ihrem Verstand. Der Gnom erwiderte ihren Blick eine Sekunde lang, dann verzog er seine kaum sichtbaren, blutleeren Lippen zu einem Grinsen, das sein Gesicht buchstäblich von einem Ohr zum anderen spaltete.

»Hallo, Cherryschätzchen!« krähte Gurk.

ENDE des 11. Teils

Ein brandneuer Roman aus Wolfgang Hohlbeins actionbetonter SF-Reihe.

Der dritte Mond

Charity und ihre Freunde finden keine Ruhe. Erneut greifen die »schwarzen Riesen« an. Ihr Interesse gilt vor allem dem rätselhaften Gurk und dem gestohlenen Rochenschiff. Auch diesmal können die Fremden abgewehrt werden. Doch Gurk hat das Mißtrauen des Hohen Rates von Skytown geweckt. Und auch Charity hat ein eigenartiges Gefühclass="underline" Wieso kommen ihr die Fremden so vertraut vor? Bei einer Untersuchung des fremden Rochen- schiffes entdeckt sie roten Sand - Sand vom Mars. Als man Teleskope auf den Planeten richtet, macht man dort eine mehr als phantastische Entdeckung ...

Für Charity und ihre Freunde beginnt ein neues Abenteuer