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Sie waren schockiert, und sie waren hilfsbereit, letzteres in beeindruckendem Maße. Der Banker sagte, es sei unumgänglich, daß ich ihn am folgenden Tag aufsuche, aber als Aktiengesellschaft könne die Firma den Geschäftsbetrieb ohne weiteres fortsetzen. Ich könne sie ohne Schwierigkeiten übernehmen. Alles, was er brauche, sei eine Bestätigung der Anwälte meines Bruders, daß sein Testament meiner diesbezüglichen Aussage entspreche.

«Vielen Dank«, sagte ich leicht überrascht, und er erklärte mit Wärme, daß er mir gern zu Diensten sei. Grevilles Geschäft, dachte ich mit einem Lächeln, mußte erstaunlich gesund sein.

Auch für die Versicherungsgesellschaft schien der Tod meines Bruders kaum ein Problem zu sein. Die Versicherung einer AG lief, wie es schien, stetig weiter, war es doch diese, die da versichert war, und nicht mein Bruder. Ich sagte, daß ich gern die Erstattung der Reparaturkosten für das eingeschlagene Fenster beantragen würde. Gar keine Sache! Sie würden mir ein entsprechendes Formular zuschicken.

Danach rief ich das Beerdigungsinstitut in Ipswich an, das damit beauftragt worden war, Grevilles Leichnam aus dem Krankenhaus abzuholen, und teilte mit, daß er eingeäschert werden solle. Sie sagten, sie hätten» da noch eine Lücke «am Freitag um zwei Uhr, ob das genehm sei?

«Ja«, sagte ich seufzend,»ich werde da sein.«

Sie nannten mir mit gedämpft-unterwürfiger Stimme die Anschrift des Krematoriums, und ich fragte mich, wie das wohl sein mußte, immer nur mit Hinterbliebenen zu tun zu haben. Um wieviel schöner war es doch, den Lebenden glitzernde Klunker zu verkaufen oder bei der Steeplechase mit dreißig Meilen pro Stunde auf Pferden dahinzujagen und zu gewinnen, zu verlieren oder sich die Knochen zu brechen.

Ich erledigte noch einen Anruf, telefonierte diesmal mit meinem Orthopäden und rannte wie gewöhnlich gegen die Mauer seiner Vorzimmerdame. Er sei nicht in seiner Privatpraxis, sondern in der Klinik.

Ich sagte:»Würden Sie so gut sein und ihn bitten, mir irgendwo ein Rezept zu hinterlegen, denn ich bin auf meinen Knöchel gefallen und habe ihn mir verdreht, und mein Distalgesic wird knapp.«

«Warten Sie mal«, sagte sie, und ich wartete, bis sie sich wieder meldete.»Ich habe eben mit ihm gesprochen«, sagte sie.»Er wird später wieder hier sein. Er fragt, ob Sie um fünf herkommen könnten.«

Ich sagte voller Dankbarkeit, daß sich das einrichten ließe, und rechnete mir aus, daß ich wohl bald nach halb drei los müßte, um mit Sicherheit zu dem genannten Zeitpunkt bei ihm zu sein. Ich teilte das Annette mit und fragte sie, was geschähe, wenn das Geschäft abgeschlossen würde.

«Mr. Franklin kommt gewöhnlich als erster und geht als letzter. «Sie brach verwirrt ab, sagte dann:»Ich meine.«

«Ich weiß«, sagte ich.»Ist schon gut. Ich denke auch noch im Präsens an ihn. Fahren Sie doch bitte fort.«

«Nun, die doppelten Eingangstüren werden von innen verriegelt. Die Tür zwischen dem Vorraum und den Büros hat, wie Sie ja wissen, ein elektronisches Schloß. Das gilt auch für die Tür zwischen Flur und Lagerräumen. Und für die rückwärtige Tür, durch die wir alle aus- und eingehen. Mr. Franklin wechselt. wechselte. die Kombination zumindest wöchentlich. Und es gibt natürlich auch noch ein elektronisches Schloß an der Tür zwischen dem Vorraum und dem Ausstellungsraum und an der, die vom Flur in den Ausstellungsraum führt…«Sie machte eine Pause.»Das scheint eine Menge zu sein, aber diese elektronischen Schlösser sind eigentlich ziemlich simpel. Sie brauchen sich nur drei Zahlen zu merken. Vergangenen Freitag lauteten sie fünf, drei, zwei. Die Schlösser sind leicht zu handhaben. Mr. Franklin ließ sie einbauen, damit wir hier nicht so viele Schlüssel herumliegen hätten. Er und ich haben jedoch jeweils einen Schlüssel, mit dem sich die elektronischen Schlösser auch manuell öffnen lassen, falls dies mal erforderlich sein sollte.«

«Ihnen sind also die Zahlen wieder eingefallen?«fragte ich.

«O ja. Es war nur heute morgen, mit allem… sie waren einfach weg.«

«Und der Tresorraum«, sagte ich.»Hat der auch irgendeine Elektronik?«

«Nein, aber er hat ein sehr kompliziertes Verriegelungssystem in der schweren Tür da, obwohl es von außen so einfach aussieht. Mr. Franklin schließt… schloß den Tresorraum stets ab, wenn er ging. Wenn er auf längeren Reisen unterwegs war, machte er mir den Schlüssel zugänglich.«

Ich wunderte mich kurz über diese etwas unbeholfene Ausdrucksweise, verfolgte die Sache aber nicht weiter. Ich fragte sie statt dessen nach dem Ausstellungsraum, den ich noch nicht gesehen hatte, und wieder ging sie voller Stolz vor mir her auf den Flur hinaus, gab einem glänzenden Türknauf aus Messing die Sesam-öffne-dich-Zahlen ein und bat mich dann in einen Raum mit ganz normalen Fenstern, der sonst aber dank der gläsernen Vitrinen und Verkaufstische und des allgemeinen, das Unternehmen kennzeichnenden Ambientes der Wohlhabenheit ganz wie ein Geschäft aussah.

Annette schaltete starke Spotlights ein, und der Raum erwachte zum Leben. Sie begab sich zufrieden zu den Verkaufstischen und erläuterte mir, was dort ausgestellt war und jetzt im Licht leuchtete.

«Hier drin finden sich Musterstücke von allem, was wir am Lager haben, natürlich nicht in allen Größen und auch nicht von den geschliffenen Steinen im Tresorraum. Wir benutzen diesen Ausstellungsraum eigentlich nicht sehr oft, meistens nur, wenn neue Kunden kommen, aber ich bin gern hier. Ich liebe diese Steine. Sie sind so faszinierend. Mr. Franklin meint, Steine seien die einzigen Dinge, die der Mensch der Erde entnähme und schöner mache. «Sie hob ein Gesicht, das vom erlittenen Verlust umwölkt war.»Was wird ohne ihn werden?«

«Ich weiß es noch nicht«, sagte ich,»aber kurzfristig werden wir erst einmal alle Aufträge annehmen und ausführen. Und weiter Ware bei den Lieferanten kaufen, von denen Sie sie normalerweise bezogen haben. Wir halten uns vorläufig an die gegebene Routine und die üblichen Praktiken. Okay?«

Sie nickte, zumindest für den Augenblick beruhigt.

«Mit Ausnahme der Tatsache, daß Sie es jetzt sind, die als erste kommt und als letzte geht«, fügte ich hinzu.»Wenn Ihnen das recht ist.«

Wir blickten uns kurz an und verstanden uns auch ohne Worte. Dann schaltete sie die Beleuchtung im Ausstellungsraum wieder aus, fast so, als sei dies eine symbolische Handlung, und zog, nachdem wir hinausgegangen waren, die sich selbst verriegelnde Tür hinter uns zu.

Wieder in Grevilles Büro, schrieb ich ihr meine Adresse und Telefonnummer auf und sagte, daß sie mich, wenn sie sich irgendwie unsicher fühle oder mit jemandem reden wolle, den ganzen Abend zu Hause erreichen könne.

«Ich werde morgen früh wieder hierher kommen, wenn ich meinen Besuch bei der Bank gemacht habe«, sagte ich.»Werden Sie bis dahin zurechtkommen können?«

Sie nickte unsicher.»Wie reden wir Sie an? Wir können Sie doch nicht Mr. Franklin nennen, irgendwie wäre das doch nicht richtig.«

«Wie wär’s mit Derek?«

«O nein. «Sie war ganz spontan dagegen.»Hätten Sie was gegen Mr. Derek?«

«Wenn Ihnen das lieber ist. «In meinen Ohren klang es ziemlich altmodisch, aber sie war mit dieser Lösung sehr zufrieden und sagte, sie wolle die anderen entsprechend informieren.

«Ja, die anderen«, sagte ich.»Jetzt sagen Sie mir noch mal im einzelnen, wer da ist und welchen Job macht. Da sind Sie, June, Lily.«

«June ist für die Computer und die Bestandskontrolle zuständig«, sagte sie.»Lily stellt die Aufträge zusammen. Tina ist Assistentin, sie hilft Lily und erledigt einen Teil der Sekretariatsarbeit. Das gilt auch für June. Und eigentlich auch für mich. Wir alle erledigen eigentlich alles, was gerade so anfällt. Es gibt kaum streng abgegrenzte Tätigkeitsbereiche. Einzige Ausnahme ist wohl Alfie, der kaum etwas anderes macht als die Aufträge versandfertig. Das nimmt seine ganze Zeit in Anspruch.«