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«Kaputtes Fußgelenk.«

«Ah. Wirklich Pech. Sie machen aber doch Fortschritte, hoffe ich?«Das Mitgefühl klang in meinen Ohren mehr nach Erleichterung als nach irgend etwas anderem, und wieder vermochte ich nicht zu sagen, warum.

«Es geht voran«, sagte ich.

«Gut, gut. Auf Wiedersehen also. Das Rennen am Samstag in York wird ja im Fernsehen gezeigt, und ich nehme an, daß Sie’s sich anschauen?«

«Ich denke schon.«

«Schön. «Er legte gut gelaunt auf und überließ mich der Frage, was mir da wohl entgangen sein mochte.

Gleich darauf aber klingelte Grevilles Telefon erneut, und diesmal war es Brad, der mir mitteilte, daß er von seinem Tagesausflug zu einer obskuren Tante in Walthamstow zurück und unten in der Halle sei — genau genommen war alles, was er sagte:»Bin wieder da.«

«Großartig. Ich bin hier bald fertig.«

Die Antwort war ein Klicken — Ende des Gesprächs.

Ich hatte tatsächlich bald gehen wollen, aber dann kamen ziemlich kurz hintereinander zwei weitere Anrufe. Der erste war von einem Mann, der sich als Elliot Trelawney vorstellte und ein Kollege von Greville am Westlondoner Magistratsgericht war. Er habe, so sagte er, mit größter Betroffenheit von Grevilles Tod erfahren, und das klang durchaus aufrichtig. Eine feste Stimme, die es gewohnt war, daß man ihr Aufmerksamkeit schenkte — der Anklang sonoren Nachdrucks war da zu hören.

«Außerdem«, sagte er,»würde ich gerne mit Ihnen über ein paar Dinge sprechen, mit denen Greville und ich gerade befaßt waren. Ich möchte vor allem auch seine Aufzeichnungen dazu bekommen.«

Ich sagte verständnislos:»Was für Dinge? Was für Aufzeichnungen?«

«Ich könnte Ihnen das weitaus besser bei einem persönlichen Gespräch erläutern«, sagte er.»Dürfte ich Sie um ein Treffen bitten? Sagen wir, morgen am frühen Abend, auf einen Drink? Sie kennen doch sicher den Pub bei Grevilles Haus gerade um die Ecke? Den >Rook and Castle<? Dort. Wir haben uns häufig dort getroffen. Halb sechs, sechs, wann würde es Ihnen passen?«

«Halb sechs«, sagte ich entgegenkommend.

«Wie erkenne ich Sie?«

«An meinen Krücken.«

Das ließ ihn einen Augenblick lang in Schweigen versinken. Ich befreite ihn aus seiner Verlegenheit.

«Ich brauche sie nur vorübergehend«, sagte ich.

«Äh, ja, also gut. Bis morgen dann.«

Er legte auf, und ich fragte Annette, ob sie ihn kenne, diesen Elliot Trelawney? Sie schüttelte den Kopf. Sie könne nicht ernsthaft behaupten, daß sie irgend jemanden außerhalb des Büros kenne, mit dem Greville privat Umgang gehabt habe. Wenn man Prospero Jenks nicht mitrechne, meinte sie zweifelnd. Aber auch da gelte, daß sie ihn nie richtig kennengelernt, sondern immer nur mit ihm telefoniert habe.

«Prospero Jenks… alias Faberge?«

«Ja, genau der.«

Ich dachte nach.»Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn gleich mal anzurufen?«sagte ich.»Informieren Sie ihn über Grevilles Geschick und fragen Sie ihn, ob ich ihn mal besuchen dürfte, um mit ihm über die Zukunft zu sprechen. Sagen Sie nur, ich sei Grevilles Bruder, sonst nichts.«

Sie grinste.»Keine Pferde? Pas de Hottehüs?«

Annette taute wirklich langsam auf, dachte ich belustigt.

«Keine Pferde«, bestätigte ich.

Sie rief an, aber ergebnislos — Prospero Jenks sei erst morgen wieder zu erreichen. Sie werde es dann noch einmal versuchen, sagte sie.

Ich stemmte mich hoch und sagte, daß ich jetzt gehen, wir uns morgen wieder sehen würden. Sie nickte, hielt es wohl für ganz selbstverständlich, daß ich am morgigen Tag wieder in die Firma kommen würde. Der Treibsand gewann die Oberhand, schoß es mir durch den Kopf. Ich war immer weniger in der Lage, mich aus ihm zu befreien.

Ich ging den Flur hinunter und schaute bei Alfie vorbei, dessen Tagewerk in Form von Säulen gepackter Pakete vor der Tür stand, die nur noch darauf warteten, der Post anvertraut zu werden.

«Wieviele davon schicken Sie so pro Tag raus?«fragte ich und deutete auf sie.

Er sah kurz von seiner Arbeit auf, die darin bestand, ein weiteres Päckchen mit Klebeband zu schließen.»Im Normalfall etwa zwanzig, fünfundzwanzig, aber von August bis Weihnachten mehr. «Er schnitt das Band geschickt ab und brachte mit schnellen Bewegungen einen Adressenaufkleber an.»Heute bis jetzt achtundzwanzig.«

«Wetten Sie eigentlich, Alfie?«fragte ich.»Und lesen Sie die Rennzeitschriften?«

Er sah mich halb abwehrend und halb herausfordernd an, wobei beide Reaktionen gänzlich unnötig waren.»Ich wußte ja, daß Sie der sind«, sagte er.»Die andern haben alle gemeint, daß das nicht sein könnte.«

«Kennen Sie auch >Dozen Roses<?«

In seinem Gesicht zeigte sich ein Anflug von Verschlagenheit.»Hat wieder angefangen zu gewinnen, was? Hab ihn beim ersten Mal verpaßt, aber ja, seither hab ich ein kleines Sümmchen gewonnen.«

«Er läuft am Samstag in York, geht aber als Favorit an den Start.«

«Wird er aber auch gewinnen? Werden sie’s wollen? Ich würde da nicht mein letztes Hemd drauf setzen.«

«Nicholas Loder meint, er wird.«

Er wußte, wer Nicholas Loder war, brauchte nicht zu fragen. Voller Sarkasmus stellte er das gerade gepackte Paket auf eine stabile Waage und schrieb das Ergebnis mit einem dicken schwarzen Stift auf den Karton. Er mußte schon weit über sechzig sein, dachte ich — diese tiefen Linien, die von seiner Nase zu den Mundwinkeln hinabführten, und diese blasse, schlaffe Haut überall, die ihre Elastizität weitgehend eingebüßt hatte! Seine Hände, auf denen sich die Adern des Alters dunkelblau abzeichneten, waren allerdings noch beweglich und kräftig, und er bückte sich mit großer Geschmeidigkeit, um die nächste schwere Schachtel hochzuheben. Ein zäher alter Bursche, dachte ich, der weit besser wußte, was draußen auf der Straße los war, als der so sehr von sich eingenommene Jason.

«Mr. Franklins Pferde haben eine sehr schwankende Form«, sagte er spitz.»Als Jockey wird Ihnen das ja nicht entgangen sein.«

Bevor ich mir noch schlüssig darüber werden konnte, ob er mich da absichtlich beleidigen wollte oder nicht, kam Annette über den Flur gelaufen, laut meinen Namen rufend.

«Derek… ah, da sind Sie ja. Zum Glück noch nicht weg, denn da ist ein Anruf für Sie. «Sie machte gleich wieder kehrt und lief in Grevilles Büro zurück. Mit Interesse vermerkend, daß sie das» Mister «weggelassen hatte, folgte ich ihr. Was gestern noch undenkbar gewesen war, war heute ganz selbstverständlich, jedenfalls seit ich als Jockey etabliert war. Und dagegen war ja auch nichts einzuwenden — solange es nicht zu weit führte.

Ich nahm den Hörer auf, der neben dem Apparat auf der schwarzen Tischplatte lag, und sagte:»Hallo, Derek Franklin hier.«

Eine vertraut klingende Stimme sagte:»Gott sei Dank. Ich hab den ganzen Tag versucht, dich in Hungerford zu erreichen. Dann erinnerte ich mich an die Sache mit deinem Bruder…«Er sprach sehr laut, von Dringlichkeit getrieben.

Milo Shandy, der Trainer, für den ich nun schon seit drei Jahren ritt — ein unverbesserlicher Optimist im Angesicht einer Welt voller Korruption, Habgier und Lügen.

«Ich bin in einer Krise«, bellte er,»könntest du mal herkommen? Kannst du alles dransetzen, gleich morgen früh rauszukommen?«

«Aber, äh, wozu denn?«

«Du kennst doch die Ostermeyers? Sie sind von Pittsburgh rübergekommen, weil sie irgendwas in London zu tun haben. Sie riefen mich an, und ich erzählte ihnen, daß >Dattelpalme< zum Verkauf steht. Du weißt ja, daß ich ihn hierbehalten kann, wenn sie ihn kaufen, ich ihn sonst aber zur Auktion geben muß. Und sie wollen, daß du hier bist, wenn sie ihn sich bei der Arbeit in den Downs ansehen, haben aber nur morgen ganz früh Zeit und halten dich halt für den großen King, also komm um Himmels willen bitte her.«