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Er sah das Telefon an, als sei es verseucht.

Es war ein herausnehmbarer, tragbarer Apparat, also kein fest eingebauter, und deshalb nahm er keine Gespräche auf, wenn man ihn nicht einschaltete, was ich ziemlich oft zu tun vergaß und manchmal auch mit Absicht unterließ. Ich stellte nun das Gerät eingeschaltet auf den Beifahrersitz, um ihm die Sache zu erleichtern, und erhoffte das Beste.

Das Schaufenster von Prospero Jenks wurde von jenem intensiven Licht durchflutet, das Schmuck zum Funkeln bringt, wohingegen die Buchstaben seines Namens über dem Fenster klar und schnörkellos waren, als sei dort irgendeine Form von Prachtentfaltung nur Verschwendung.

Ich schaute mit einer Neugier in das Schaufenster hinein, die ich noch vor einer Woche nie und nimmer verspürt hätte, und sah, daß es nicht mit der üblichen Ansammlung von Ringen und Armbanduhren gefüllt war, sondern mit lustigen Spielereien — da gab es kleine Modellautos und — flugzeuge, Skiläufer, Rennjachten, Fasane und Pferde, alles Gold und Emaille und glitzernde Edelsteine. Ich bemerkte auch, daß so gut wie jeder Passant stehenblieb und in das Fenster blickte.

Mich mühselig durch die schwere Glastür des Geschäfts schiebend, gelangte ich in einen Raum, der mit dickem Teppich ausgelegt war und wo vor jeder Vitrine bequeme Stühle bereitstanden. Abgesehen von dieser Plüschigkeit war es eigentlich ein ganz gewöhnlicher Laden, nicht sehr groß, ruhig in der Ausstattung, erregend allein die vielen Klunker.

Außer mir war niemand da, und ich humpelte zu einem der Verkaufstische, um mir näher anzuschauen, was dann ausgestellt war. Ringe, wie ich sehen konnte, aber nicht diese schlichten runden Kreise. Die Ringe hier waren riesig, viele von ihnen asymmetrisch, jeder für sich ein farbiger Blickfang.

«Womit kann ich dienen?«fragte eine Stimme.

Ein unscheinbarer Herr mittleren Alters in schwarzem Anzug trat aus einem Durchgang im rückwärtigen Teil des Geschäftes.

«Mein Name ist Franklin«, sagte ich.»Ich hätte gern Prospero Jenks gesprochen.«

«Einen Augenblick bitte.«

Er zog sich zurück, kehrte dann mit einem halben Lächeln wieder und forderte mich auf, ihm in die privateren Räumlichkeiten hinter dem Durchgang zu folgen, die den Blicken der Kunden durch eine Trennwand entzogen waren. Eigentlich war es nur ein einziger, sehr großer Raum, der als Büro und Werkraum diente und einen furchteinflößenden Safe und Schränkchen mit vielen kleinen Schubfächern beherbergte, wie ich sie von Saxony Franklin her kannte. An einer der Wände hing ein großes, gerahmtes Schild, auf dem stand: DREHE KUNDEN NIEMALS DEN RÜCKEN ZU. BEHALTE STETS IHRE HÄNDE IM AUGE. Ein hübsches Eingeständnis mangelnden Vertrauens, dachte ich amüsiert.

Vor einer der Werkbänke saß gebeugt, eine Juwelierslupe in ein Auge geklemmt, ein Mann in einem rosa und weiß gestreiften, kurzärmeligen Hemd auf einem Schemel und bastelte konzentriert an einem kleinen Goldobjekt herum, das in einen Schraubstock eingespannt war. Das Vorhandensein von Geduld und handwerklichem Können war deutlich zu sehen.

Der Mann nahm mit einem Seufzer die Lupe aus dem Auge, erhob sich und wandte sich mir zu, um mich vom Scheitel bis zur Sohle mit wachsender Überraschung zu mustern. Wen immer er erwartet haben mochte — ich war es nicht.

Dieser Eindruck beruhte, so dachte ich, wohl auf Gegenseitigkeit. Er war vielleicht fünfzig, sah aber auf eine an Peter Pan erinnernde Weise jünger aus. Ein jungenhaftes Gesicht mit wachen blauen Augen und einer Fülle von Furchen, die sich in seine Stirn einzugraben begannen. Ziemlich hellblondes Haar, kein Bart, kein Schnurrbart, kein persönliches Erkennungszeichen. Ich hatte jemanden erwartet, der modischer, extravaganter, eigenwilliger aussah.

«Grevs Bruder?«sagte er.»Was für eine Überraschung. Also, da hatte ich doch gedacht, Sie hätten sein Alter, seine Größe. «Er kniff die Augen zusammen.»Er hat nie erwähnt, daß er einen Bruder hat. Woher weiß ich, daß alles mit rechten Dingen zugeht?«

«Seine Assistentin, Annette Adams, hat diesen Termin mit Ihnen vereinbart.«

«Ja, das ist richtig. Gut. Erzählte mir auch, daß Grev tot ist, lang lebe der König. Sagte, sein Bruder übernähme nun das Geschäft, das Leben ginge halt weiter. Aber ich sage Ihnen, wenn Sie nicht über das gleiche Wissen wie Grev verfügen, dann wird’s schwierig für mich.«

«Ich bin hergekommen, um mit Ihnen darüber zu reden.«

«Sieht alles nicht nach frohen Botschaften aus«, sagte er und sah mich mit klugen Augen an.»Wollen Sie sich setzen?«Er wies auf einen Bürostuhl und nahm selbst wieder auf seinem Schemel Platz. Seine Stimme klang nach allem anderen als nach geschliffenem Glas. Eher nach dem Osten Londons, für den Westen gereinigt — die Art, die ohne alle Privilegien aus dem Nichts daherkam und auf Grund bloßer, unleugbarer Begabung ganz nach oben gelangte. Er hatte das selbstsichere Betragen, das auf lang anhaltendem Erfolg basiert — ein kreativer Geist, der zugleich Geschäftsmann war, ein origineller Künstler ohne Allüren.

«Ich bin erst noch dabei, das Geschäft zu erlernen«, sagte ich vorsichtig.»Ich werde tun, was ich kann.«

«Grev war ein Genie«, erwiderte er impulsiv.»Keiner war so gut wie er, was Steine angeht. Er brachte eigentümliche und einmalige Stücke aus aller Welt an, und ich fertigte Schmuckstücke daraus…«Er schwieg und breitete die Arme aus.»Sie finden sie in Palästen«, fuhr er dann fort,»und in Museen und in den Villen von Palm Beach. Nun ja, das ist mein Geschäft. Ich verkaufe an die, die das Geld haben. Ich habe zwar auch meinen Stolz, aber der steckt in den Schmuckstücken. Sie sind gut, ich bin teuer, das bringt’s.«

«Stellen Sie alles selbst her, was Sie verkaufen?«fragte ich.

Er lachte.»Nein, nicht ich persönlich, das würde ich nie schaffen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich entwerfe das alles zwar, aber ich habe eine Werkstatt, die die Sachen dann anfertigt. Ich mache nur die besonderen Stücke selbst, die einmaligen. Zwischendurch entwerfe ich auch Schmuck für den Massenmarkt. Grev sagte mal, er hätte einiges an schönem Spinell da, haben Sie den noch?«

«Hm«, sagte ich.»Rot?«

«Rot«, bestätigte er.»Drei, vier oder fünf Karat. Ich nehme alles, was Sie haben.«

«Wir schicken es Ihnen morgen.«

«Durch Boten«, sagte er.»Nicht mit der Post.«

«In Ordnung.«

«Und einen Klumpen Bergkristall so groß wie der Eiger. Grev hat mir ein Foto davon gezeigt. Ich habe den Auftrag zu einem Phantasie stück erhalten… Schicken Sie mir auch den Kristall.«

«In Ordnung«, sagte ich wieder und verbarg meine Zweifel. Ich hatte nirgends einen Klumpen Bergkristall gesehen. Aber Annette würde wohl Bescheid wissen, dachte ich.

Beiläufig sagte er:»Was ist mit den Diamanten?«

Sehr beherrscht atmete ich aus und wieder ein.

«Wieso, was soll mit ihnen sein?«fragte ich.

«Grev wollte mir welche besorgen. Er hatte sie sogar schon erstanden, jedenfalls hat er mir das gesagt. Er wollte einen Posten zum Schleifen schicken. Sind sie schon zurückgekommen?«

«Noch nicht«, sagte ich und hoffte, daß ich nicht krächzte.

«Sprechen Sie von den Diamanten, die er vor ein paar Monaten bei der CSO gekauft hat?«

«Gewiß doch. Er hat auf meine Veranlassung hin bei einem Sightholder Anteile an einem Sight gekauft. Ich führe noch immer diese großen, klotzigen Ringe und Ketten, mit denen ich mir mal einen Namen gemacht habe, besetze inzwischen aber einige mit größeren Brillanten, denn das bringt höheren Profit pro Stück, und der Markt gibt’ s her. Ich wollte, daß Grev sie mir besorgt, weil ich ihm vertraute. Vertrauen ist in dieser Branche wie Goldstaub, obwohl Diamanten ja eigentlich gar nicht sein Fach waren. Aber Sie würden zwei- bis dreikarätige Steine auch nicht von jedem kaufen, selbst wenn es nicht um solche der Klasse D oder E, das heißt makellose, ginge, nicht wahr?«