«Da, äh, haben Sie recht.«
«Na ja, deshalb kaufte er also einen Teil von diesem Sight und läßt die Steine nach meinen Vorgaben in Antwerpen schleifen, wie Sie, wie ich annehme, wissen.«
Ich nickte. Ich wußte das, aber erst, seitdem er es mir erzählt hatte.
«Aus einigen werde ich Sterne machen, die von dem Bergkristall herabscheinen…«Er brach ab, zuckte, sein eigenes Verhalten mißbilligend, mit den Schultern und sagte:»Und ich mache ein Mobile aus Brillanten an feinem Golddraht, das sich schon beim leisesten Lufthauch bewegt. Es soll an einem Fenster hängen und im Sonnenlicht funkeln. «Wieder der Selbsttadel, diesmal von einem Lächeln begleitet.»Brillanten sind einfach hinreißend im Sonnenlicht, sie kommen darin am allerbesten zur Geltung, und all die Snobs der Gesellschaft dieser Stadt schreien rum, daß es so entsetzlich ordinär ist, Liebling, diamantbesetzte Ohrringe und Armbänder bei hellem Tageslicht zu tragen. Es macht mich ganz krank, um ehrlich zu sein. Was für eine Verschwendung!«
Ich hatte noch nie über Brillanten im Sonnenlicht nachgedacht, obwohl ich dies, wie abzusehen war, in Zukunft wohl würde tun müssen. Perspektiven, die sich einmal aufgetan haben, lassen sich nicht wieder schließen, wie Greville gesagt hätte.
«Ich habe leider noch nicht alles aufgearb eitet«, sagte ich, und das war die Untertreibung des Jahrhunderts.»Sind von diesen Brillanten schon welche an Sie geliefert worden?«
Er schüttelte den Kopf.»Ich hatte es bisher auch nicht so eilig damit.«
«Und. äh. um wieviele geht es?«
«Etwa einhundert. Wie ich schon sagte, nach den geltenden Maßstäben nicht die beste Färbung, aber manchmal können sie zusammen mit Gold wärmer aussehen, gerade wenn es nicht ultrablauweiße Steine sind. Ich arbeite meistens mit Gold. Ich mag das Gefühl.«
«Wieviel«, sagte ich langsam und rechnete,»wird diese Bergkristallphantasie kosten?«
«Geschäftsgeheimnis. Aber, nun ja, Sie sind ja wohl jetzt im Geschäft. Es ist eine Auftragsarbeit, ich habe einen Vertrag über eine viertel Million, wenn sie’s mögen. Wenn nicht, bekomme ich das Stück zurück, verkaufe es anderweitig, nehm’s wieder auseinander, was weiß ich. Im schlimmsten Fall verliere ich nur die Zeit, die ich auf die Herstellung verwendet habe, aber keine Sorge, sie wer-den’s schon mögen.«
Seine Sicherheit beruhte auf Erfahrung, war absolut.
Ich sagte:»Wissen Sie zufällig den Namen der Diamantschleiferei in Antwerpen, an die Greville die Steine geschickt hat? Ich denke, das steht auch in unseren Unterlagen im Büro, aber wenn ich schon weiß, nach wem ich fahnden muß…«Ich machte eine Pause.»Ich könnte ja versuchen, die Leute ein wenig zur Eile anzutreiben, wenn Sie das wünschen.«»Das täte ich schon, aber ich weiß leider nicht genau, wen Grev dort kannte.«
Ich zuckte die Achseln.»Ich werde halt nachschauen.«
Wo aber, so fragte ich mich, sollte ich nachschauen? Nicht in dem verschollenen Adreßbüchlein, soviel war mal sicher.
«Wissen Sie den Namen von diesem Sightholder?«fragte ich.
«Auch nicht.«
«Da liegt tonnenweise Papier im Büro«, sagte ich erläuternd.
«Ich werde mich durchwühlen, so schnell ich kann.«
«Grev sagte nie etwas, wenn er nicht mußte«, sagte Jenks ganz unverhofft.»Ich redete, er hörte zu. Wir kamen gut miteinander aus. Er sah, was ich besser als jeder andere konnte.«
Traurigkeit in der Stimme — das war wohl allgemein die höchste Auszeichnung für meinen Bruder, dachte ich. Man hatte ihn gemocht. Man hatte ihm vertraut. Man würde ihn vermissen.
Ich stand auf und sagte:»Ich danke Ihnen, Mr. Jenks.«
«Nennen Sie mich Pross«, sagte er leichthin.»Alle tun das.«
«Ich heiße Derek.«
«Gut«, sagte er lächelnd.»Ich werde auch weiterhin Geschäfte mit Ihrer Firma machen, durchaus, aber ich werde mir einen anderen Reisenden vom Schlage Grevs suchen müssen, mit einem Auge wie dem seinen… Er hat mich beliefert, seit ich mich selbständig gemacht habe, er hat mir Kredit gegeben, wenn die Banken ihn mir verweigerten, er hat an mein Können geglaubt. Irgendwann in meiner Anfangszeit brachte er mir mal zwei Turmaline, säulige Aggregate, die über fünf Zentimeter lang waren und halb rosa, halb grün, von unten nach oben ging eins ins andere über. Durchsichtig, wenn das Licht durch sie hindurchschien, und in der Farbe wechselnd, während man hineinsah. Es wäre eine Sünde gewesen, sie für Schmuck zurechtzuschleifen. Ich faßte sie in Gold und Platin, damit man sie ins Sonnenlicht hängen und sich darin drehen lassen konnte. «Er lächelte sein mißbilligendes Lächeln.»Ich mag es, wenn Edelsteine Leben haben. Ich brauchte Grev diese Turmaline nie zu bezahlen. Das Stück machte mich bekannt, es wurde in den Zeitschriften besprochen und gewann Preise, und er meinte nur, die Geschäfte, die wir miteinander machen würden, wären sein Lohn. «Er schnalzte mit der Zunge.
«Ich rede und rede.«
«Ich höre gern zu«, sagte ich. Ich sah durch den Raum zu seiner Werkbank hinüber und fragte:»Wo haben Sie das alles gelernt? Wie fängt man so etwas an?«
«Ich habe in den Metallverarbeitungskursen auf unserer Gesamtschule angefangen«, antwortete er offen.»Dort faßte ich kleine Glassplitter in vergoldeten Draht und schenkte diese Stücke meiner Mama. Dann wollte deren Freundin auch so was.
Und als ich schließlich von der Schule abging, zeigte ich ein paar meiner Sachen einem Schmuckhersteller und fragte ihn, ob er einen Job für mich habe. Sie produzierten dort Modeschmuck, und bald machte ich die Entwürfe für sie und von da an ging es halt immer weiter.«
Kapitel 8
Ich benutzte Prosperos Telefon, um Brad anzurufen, aber obwohl ich das Klingelzeichen im Auto hören konnte, hob er nicht ab. Leise fluchend bat ich Pross, mir ein weiteres Telefonat zu gestatten, und rief Annette an.
«Bitte wählen Sie die Nummer so lange, bis Sie Brad dran haben«, sagte ich und nannte sie ihr.»Wenn er sich meldet, dann sagen Sie ihm, daß ich zum Aufbruch bereit stehe.«
«Kommen Sie hierher zurück?«fragte sie.
Ich sah auf meine Uhr. Es lohnte sich nicht, noch in die Firma zu fahren, mußte ich doch um halb sechs in Kensington sein. Also sagte ich ihr, daß ich nicht mehr kommen werde.
«Nun ja, da sind ein oder zwei Dinge.«
«Ich kann dieses Telefon aber wirklich nicht ewig besetzt halten«, sagte ich.»Ich fahre zum Haus meines Bruders und rufe Sie von dort aus wieder an. Sehen Sie erst mal zu, daß Sie Brad erwischen.«
Ich dankte Pross nochmals dafür, daß ich hatte telefonieren dürfen.»Aber bitte sehr«, sagte er undeutlich. Er saß wieder vor seinem Schraubstock, dachte nach und werkelte herum, stellte eines seiner Wunder her.
Im Laden waren Kunden, die von dem schwarzgekleideten Verkäufer bedient wurden. Er sah nur kurz zu mir auf, als ich den Raum durchquerte, und wandte seine Auf-
merksamkeit sofort wieder den Händen der Kundschaft zu. Ein Geschäft, das kein Vertrauen kannte — noch schlimmer als der Rennsport. Immerhin war es unmöglich, ein Rennpferd in seiner Tasche verschwinden zu lassen, wenn der Trainer mal gerade nicht hinschaute.
Ich stand auf dem Bürgersteig und fragte mich voller Pessimismus, wie lange Brad wohl brauchen würde, bis er den Telefonhörer abnahm, aber zu meiner großen Überraschung war er schon nach ein paar Minuten da. Als ich die Wagentür öffnete, schnurrte das Telefon.
«Warum gehen Sie denn nicht ran?«fragte ich und schob mich auf den Sitz.
«Hab vergessen, welcher Knopf.«
«Aber Sie sind doch hergekommen«, sagte ich.
«Wollja.«
Ich hob selbst den Hörer ab und sprach mit Annette.»Brad hat sich offensichtlich ausgerechnet, daß ich ihn erwarte, wenn das Telefon klingelt, und es deshalb nicht für nötig befunden, an den Apparat zu gehen.«
Brad nickte wortlos.
«Dann machen wir uns jetzt also nach Kensington auf. «Ich machte eine Pause und sagte dann:»Annette, was ist ein Sight und was ein Sightholder?«