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Brad brachte mich dann um halb sechs in schneller Fahrt zum >Rook and Castlec, deutete auf das Telefon, um mir zu verstehen zu geben, daß ich ihn anrufen solle, wenn ich soweit sei, und ich konnte der Andeutung eines Lächelns entnehmen, daß er dies alles durchaus als einen zufriedenstellenden Zeitvertreib ansah.

Das >Rook and Castle< war innen ebenso altmodisch wie außen, eine Oase friedlichen Trinkgenusses ohne Musikbox. Es gab eine Menge dunkles Holz und Lampen-schirmchen a la Tiffany und kleine Tische mit Bierdek-keln. Eine Klientel, die im wesentlichen aus Büroangestellten bestand, begann langsam den Raum zu füllen, und ich blieb zunächst an der Tür stehen, einmal, um mich an die relative Dunkelheit zu gewöhnen, und dann auch, um jedem, der sich dafür interessierte, einen unverstellten Blick auf meine Krücken zu gewähren.

Aus der Tatsache, daß das Maß eines solchen Interesses gleich Null war, schloß ich, daß Elliot Trelawney noch nicht da war. Ich ging deshalb zum Tresen, bestellte mir ein Perrier und schluckte ein Distalgesic, da es Zeit dafür war. Der morgendliche Galopp hatte dem Knöchelbereich nicht eben gut getan, was mich aber keineswegs mit Reue erfüllte.

Ein gewichtiger Mann von ungefähr fünfzig trat ein, als sei er mit der Umgebung bestens vertraut, sah sich suchend um, nahm meine Krücken wahr und kam ohne zu zögern zum Tresen.

«Mr. Franklin?«

Ich schüttelte seine mir entgegengestreckte Hand.

«Was trinken Sie?«sagte er lebhaft und blickte auf mein Glas hinab.

«Perrier. Auch das nur vorübergehend.«

Er lächelte, zeigte weiße Zähne.»Es macht Ihnen doch nichts, wenn ich einen doppelten Glenlivet nehme? Greville und ich haben hier so manch einen zusammen getrunken. Ich werde ihn schrecklich vermissen. Erzählen Sie mir, wie es geschehen ist.«

Ich erzählte es ihm. Er hörte aufmerksam zu, sagte am Ende aber nur:»Sieht sehr unbequem aus, wie Sie da an dem Hocker lehnen. Wollen wir uns nicht an einen Tisch setzen?«Und ohne weitere Umschweife nahm er mein

Glas und seines, das ihm der Wirt gerade eingeschenkt hatte, und trug beide hinüber zu zwei hölzernen Lehnstühlen, die unter einer vielfarbigen Lampe an der Wand standen.

«So ist’s besser«, sagte er, nahm einen Schluck und betrachtete mich über den Rand seines Glases hinweg.»Sie sind also der Bruder, von dem er gesprochen hat. Sie sind Derek.«

«Ich bin Derek, ja. Im übrigen sein einziger Bruder. Ich wußte nicht, daß er über mich gesprochen hat.«

«O ja, hin und wieder mal.«

Elliot Trelawney war groß, fast kahl, trug eine halbmondförmige Brille und hatte ein dickliches, gleichwohl aber gesund aussehendes Gesicht. Er hatte dünne Lippen, aber Lachfältchen um die Augen, und ich hätte ganz spontan gesagt, daß er ein Realist mit Sinn für Humor war.

«Er war stolz auf Sie«, sagte er.

«Stolz?«Ich war überrascht.

Er lächelte.»Wir spielten oft am Samstagmorgen Golf zusammen, und es kam immer wieder vor, daß er vor den Zwei-Uhr-Rennen in Sandown oder sonstwo durch sein wollte, weil Sie da am Start waren und das Rennen in der Glotze gezeigt wurde. Er sah Sie gern reiten. Und er sah Sie auch gern gewinnen.«

«Das hat er mir nie gesagt«, sagte ich voller Bedauern.

«Nein? Ich habe ein paarmal mit ihm zusammen solche Fernsehübertragungen angeschaut, und wenn Sie gewonnen hatten, sagte er nur: >Das wäre also geschafft, gut.<«

«Und wenn ich verlor?«

«Wenn Sie verloren?«Er lächelte wieder.»Dann gar nichts. Einmal stürzten Sie ganz übel, und da meinte er, daß er alles in allem doch froh sein werde, wenn Sie sich eines Tages zur Ruhe setzten, da die Rennreiterei so gefährlich sei. Eine Ironie, nicht wahr?«

«Ja.«

«Mein Gott, er wird mir fehlen. «Seine Stimme war tief.»Wir waren seit zwanzig Jahren befreundet.«

Ich beneidete ihn. Mich verlangte so unerträglich stark nach dem, was zu bekommen nun zu spät war, und je öfter ich Menschen zuhörte, die sich Grevilles erinnerten, desto schlimmer wurde es.

«Sind Sie auch Friedensrichter?«fragte ich.

Er nickte.»Wir arbeiteten sehr oft zusammen. Greville hat mich mit dieser Tätigkeit vertraut gemacht, aber ich bin bei weitem nicht so begabt wie er. Er schien die Wahrheit ganz instinktiv erkennen zu können. Er sagte immer, das Gute sei sichtbar, weshalb man im Falle seines Fehlens nach Antworten suche.«

«Mit was für Fällen… was für Fälle verhandelten Sie?«

«Alles mögliche. «Er lächelte wieder kurz.»Einbruch, Rumtreiberei. Besitz von Drogen. Schwarzseherei. Sexuelle Nötigung… also Prostitution, Vergewaltigung, Unzucht mit Minderjährigen, Zuhälterei. Greville schien immer und mit unfehlbarer Sicherheit zu wissen, ob diese Leutchen logen.«

«Erzählen Sie weiter«, sagte ich, als er schwieg.»Was noch?«

«Nun ja, es gibt eine Menge Diplomaten da in WestLondon, in all diesen Botschaften. Sie würden staunen, wenn Sie wüßten, mit was die so alles durchkommen, wenn sie auf ihre Immunität verweisen. Greville war diese diplomatische Immunität zutiefst zuwider, aber wir müssen sie nun mal gewähren. Dann haben wir einen Haufen von kleinen Geschäftsleuten, die einfach >vergessen<, für ihre Firmenwagen die entsprechenden Steuern zu entrichten, und Autodiebe zu Hunderten. Andere Verkehrsdelikte, zu schnelles Fahren und so weiter, werden gesondert behandelt, ebenso häusliche Geschichten und Straftaten Jugendlicher. Gelegentlich haben wir auch die vorläufigen Vernehmungen bei Mordfällen durchzuführen, die wir dann natürlich an die höheren Instanzen, also den Crown Court, abgeben müssen.«

«Deprimiert Sie das alles manchmal?«fragte ich.

Er nahm einen Schluck und sah mich nachdenklich an.»Es macht einen schon traurig«, sagte er schließlich.»Wir bekommen genauso viel Unzulänglichkeit und Dummheit zu sehen wie echte Schurkerei. Manches bringt einen auch zum Lachen. Ich würde nicht sagen, daß es deprimierend ist, aber man lernt doch die Schattenseite der Welt kennen, sozusagen. Man sieht den Schmutz und die Täuschungen, man lernt, mit den Augen der Übeltäter zu sehen und versteht allmählich ihre eigentümliche Weltsicht. Die Desillusionierung wird nur sporadisch spürbar, da wir ja nicht täglich zu Gericht sitzen. Im Falle von Greville und mir war das zweimal im Monat der Fall, dazu kam noch ein bißchen Ausschußarbeit. Und das bringt mich auch zu dem, was ich so gern von Ihnen hätte, nämlich die Notizen, die sich Greville im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag von so einem neuartigen Spielclub gemacht hat. Er erwähnte einmal, daß er von höchst beunruhigenden Vorwürfen gegen einen der Organisatoren dieses Clubs erfahren habe und bei der nächsten Ausschußsitzung zu einer Verweigerung der Konzession raten werde, auch wenn es ein Projekt sei, das wir schon mal positiv beurteilt hätten.«

«Es tut mir leid«, sagte ich,»aber ich habe bisher noch keine Aufzeichnungen dieser Art gefunden.«

«Verflixt… Wo könnte er sie hingetan haben?«

«Ich weiß es nicht. Aber ich werde danach suchen. «Es schadete ja nichts, auch nach Aufzeichnungen Ausschau zu halten, während ich nach C suchte.

Elliot Trelawney griff in eine Innentasche seines Jacketts und zog zwei flache schwarze Gegenstände hervor — ein Notizbüchlein und ein kleines Kästchen, das ein wenig wie ein Zigarettenetui aussah.

«Diese Sachen haben Greville gehört«, sagte er.»Ich habe sie Ihnen mitgebracht. «Er legte sie auf den kleinen Tisch zwischen uns und schob sie mir mit vorsichtigen Fingern zu.»Den hat er mir geliehen«, sagte er, auf das Kästchen zeigend,»und das Notizbuch hat er in der vergangenen Woche nach einer Ausschußsitzung auf dem Tisch liegenlassen.«