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«Ich habe selbst auch welche geschickt, für meine Schwestern und mich«, sagte ich zweifelnd.»Auf dem Kärtchen steht Susan, Miranda und Derek. Die hätte ich gern.«

Der Bestattungsunternehmer und der Angestellte hatten wegen meiner Krücken Mitleid mit mir und halfen, den richtigen Strauß zu suchen. Ich stieß dabei nicht gleich auf die Karte, nach der ich fahndete, sondern auf eine andere, die mir den Atem nahm.

Ich werde täglich um vier Uhr zwanzig an Dich denken.

Gruß, C.

Die dazugehörigen Blumen waren samtig-rote Rosen, die zusammen mit Farnkraut in einer dunkelgrünen Schale steckten. Zwölf süß duftende Rosen. >Dozen Roses<, schoß mir durch den Kopf. Grundgütiger Himmel!

«Ich hab sie«, rief der Bestatter und nahm einen großen, sehr aufwendigen Strauß rosa und bronzefarbener Chrysanthemen auf.»Das sind Ihre.«

«Großartig. Also, wir werden auch diese Rosen hier dazunehmen und auch diese Blumen gleich daneben, die seine Mitarbeiter geschickt haben. Geht das?«

Offensichtlich ging es. Annette und June hatten sich nach quälenden Besprechungen und Telefonaten für rein weiße Blüten entschieden, und ich hatte ihnen versprechen müssen, sie mir anzuschauen und ihnen zu bestätigen, daß sie hübsch waren. Wir hatten beschlossen, daß alle Mitar-beiter in London bleiben und das Geschäft in Gang halten sollten, weil so viel zu tun war — obwohl ich geglaubt hatte, von Junes niedergeschlagenem Gesichtsausdruck ablesen zu können, daß sie die Reise hierher gern gemacht hätte.

Ich fragte den Angestellten, wo die anderen Blumen alle hergekommen seien, und er sagte, zumeist von Geschäften und Firmen, und er werde die Karten nachher alle einsammeln und mir dann geben.

Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, daß ich Greville vielleicht besser mit nach London hätte nehmen sollen, damit ihm Freunde und Kollegen das letzte Geleit hätten geben können, verspürte dann aber während der nun folgenden, sehr stillen halben Stunde kein Bedauern mehr darüber, es nicht getan zu haben. Der Geistliche, den das Beerdigungsinstitut engagiert hatte, fragte mich, ob ich die vollständige Liturgie wünsche, sei ich doch, wie es scheine, der einzige anwesende Leidtragende, und ich sagte, ja, die ganze, das sei wohl angemessen.

Seine Stimme war ein bißchen monoton. Halb hörte ich ihm zu, halb beobachtete ich, wie die Sonnenstrahlen durch eines der hohen seitlichen Fenster auf den Sarg fielen, und dachte dabei zumeist nicht an Greville, wie er im Leben gewesen war, sondern daran, welche Bedeutung er im Verlauf der vergangenen Woche für das meine gewonnen hatte.

Sein Leben hatte sich um meine Schultern gelegt wie ein Umhang. Am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hatte ich soviel von seinem Geschäft gelernt, daß ich es nie wieder vergessen würde. Menschen, die ihm vertraut hatten, hatten dieses Vertrauen auf mich übertragen, so nicht zuletzt auch sein Freund Elliot Trelawney, der mich zum Ersatz-Greville ernannt hatte, mit dem er sich auf ein Bier treffen konnte. Clarissa Williams hatte ihre Blumen in dem Wissen geschickt, daß ich sie sehen würde, wollte also, daß ich mich ihrer entsann — als ob ich das nicht auch so getan hätte. Nicholas Loder war darauf aus, mich für seinen Stall und seine Ziele einzuspannen. Pro-spero Jenks würde schon bald sehr entschieden die Diamanten für sein Phantasiestück anmahnen, und der Bankkredit hing wie eine schwarze Gewitterwolke über all meinen Gedanken.

Greville, der dort kalt in seinem Sarg lag, hatte wohl nicht gewollt, daß dies alles so geschähe.

Ein Mann von Ehre, dachte ich. Ich wiederholte im Stillen sein Gebet für ihn, da es ein guter Augenblick dafür zu sein schien. Laß mich mein Geschäft ehrenhaft betreiben. Laß mich mutig handeln. Laß mich demütig werden. Ich vermochte nicht zu sagen, ob er das letztere geschafft hatte — ich wußte nur, daß ich es nie schaffen würde.

Der Geistliche brachte seine Leierei zum Abschluß. Der Angestellte nahm die drei Blumengebinde vom Sarg, legte sie auf den Boden, und dann glitt der Sarg unter surrenden und leise quietschenden Geräuschen, die in der Stille sehr laut klangen, nach vorn und aus meinem Gesichtskreis hinaus, dem Feuer entgegen.

Adieu, mein Freund, sagte ich unhörbar. Adieu — nur daß du mir jetzt um vieles näher bist als jemals zuvor.

Ich trat in die kalte, frische Luft hinaus und dankte allen und bezahlte alles und veranlaßte, daß die Blumen ins St. Catherine’s Hospital gebracht würden, was kein Problem zu sein schien. Der Angestellte übergab mir die abgelösten Kärtchen und fragte mich, was ich mit der Asche meines Bruders zu tun gedächte, und ich verspürte den Drang, albern zu lachen, was wohl, wie ich seinem todernsten Gesicht ansah, höchst unziemlich gewesen wäre. Die Sache mit der Asche war mir schon immer als etwas erschienen, was einen nur in Verlegenheit bringen konnte.

Er wartete geduldig auf meine Entscheidung.»Wo Sie hier so schöne, große Rosenbäume haben«, sagte ich schließlich,»wäre es, denke ich, sehr schön, wenn Sie noch einen pflanzen und die Asche dazugeben würden.«

Ich bezahlte den Rosenbaum, dankte ihm nochmals und wartete eine Weile darauf, daß Brad zurückkehre, was er auch tat — mit einem selbstgefälligen Gesicht und ein deutlich erkennbares Lächeln zur Schau stellend.

«Ich hab’s gefunden«, sagte er.

«Was?«Ich war in Gedanken noch immer bei Greville.

«Den fahrbaren Untersatz Ihres Bruders.«

«Nicht möglich!«

Er nickte, in höchstem Maße mit sich zufrieden.

«Wo?«

Das wollte er nicht verraten. Er wartete, bis ich im Auto saß, fuhr dann im Triumph ins Stadtzentrum und hielt knapp dreihundert Meter von der Stelle entfernt, wo das Baugerüst zusammengebrochen war. Dann deutete er mit der ihm eigenen Sparsamkeit auf den Vorplatz eines Gebrauchtwarenhändlers, wo unter Schnüren mit flatternden Fähnchen lange Reihen von Angeboten standen, die Preise in großen weißen Zahlen auf ihre Windschutzscheiben gemalt.

«Eins davon?«fragte ich ungläubig.

Brad gluckste — es gab kein anderes Wort für das Entzücken in seiner Kehle.»Hinten aufm Hof.«

Er fuhr auf den Vorplatz, dann hinter den Autos entlang und um eine Ecke — und wir befanden uns vor den weit geöffneten Toren einer Werkstatt, die Reparaturen, Ölwechsel, TÜV-Abnahme sowie Damen und Herren bot. Brad hielt den Autosucher aus dem offenen Wagenfenster, drückte auf die rote Taste, und irgendwo in den schattigen

Tiefen der Werkstatt blendete ein Paar Scheinwerfer auf und wieder ab. Gleichzeitig ertönte ein durchdringendes Pfeifen.

Ein böse dreinblickender Mechaniker in einem ölverschmierten Arbeitsanzug kam herausgerannt. Er erklärte mir, daß er der hier zuständige Meister sei, den Rover 3500 nur zu gern von hinten sähe, ich ihm die Gebühren für eine Woche parken, die Kosten für die Reinigung der Zündkerzen des V.8-Motors und dazu noch einen Aufschlag für die Unannehmlichkeiten, die er gehabt habe, schuldig sei.

«Was für Unannehmlichkeiten?«

«Den Platz für eine Woche gebraucht, wo es doch nur für eine Stunde sein sollte, und diese Pfeife da hat mir heute schon dreimal das Trommelfell zerrissen.«

«Dreimal?«fragte ich überrascht.

«Einmal heute morgen und zweimal heute nachmittag. Dieser Herr da ist vorhin schon mal vorbeigekommen, wissen Sie. Er sagte nur, daß er mir den neuen Besitzer von dem Rover herholen wollte.«

Brad warf mir einen strahlenden Blick zu. Der Autosucher hatte bereits heute früh sein Bestes für uns getan, wie es schien, nur hatten unsere Augen und Ohren dies nicht bemerkt, weil das Auto zu weit außerhalb unseres Gesichtskreises gestanden hatte.

Ich bat den Meister, mir eine Rechnung auszustellen, und stieg aus meinem Wagen aus, um zu Grevilles hinüberzuhumpeln. Die Türen des Rover ließen sich öffnen, aber der Kofferraum war verschlossen.

«Hier«, sagte der Meister und kam mit der Rechnung und dem Zündschlüssel herbei.»Der Kofferraum geht nicht auf. Irgend so ’ne Art von Schnickschnack-Schloß. Spezialanfertigung. Verdammt lästig.«