Выбрать главу

«Welchem Rennen?«fragte ich voller Neugier. Der Name Knightwood sagte mir nichts.

«Hier«, sagte Harley und raschelte mit der Rennzeitung.»Die University of York Trophy. Lord Knightwood ist der Spitzenmann der Universität, Präsident oder Rektor, irgendwie Aushängeschild. VIP von Yorkshire. Was auch immer, Sie werden erwartet.«

Ich dankte ihm. Es gab sonst ja nicht viel zu tun, obwohl mir so ein Sponsorenessen zusätzlich zum Ausfall der Trainingsarbeit Gewichtsprobleme bescheren konnte, wenn ich nicht vorsichtig war. Ich hörte jedoch schon Milos erregte Stimme in meinem Ohr:»Was die Ostermeyers auch haben wollen, um des Himmels willen, gib’s ihnen.«

«Da ist auch noch der York Minster Cup«, sagte Harley, in seiner Zeitung lesend,»und das Civic Pride Challenge. Ihr Pferd >Dozen Roses< startet beim York Castle Champions. «

«Das Pferd meines Bruders«, sagte ich.

Harley kicherte.»Wir vergessen’s nicht.«

Simms setzte uns genau vor dem Eingang zum Club ab. Man könnte nach Chauffeuren süchtig werden, dachte ich, als ich die Krücken entgegennahm, die er mir feierlich reichte. Keine Parkprobleme. Jemand, der einen an dunklen Tagen nach Hause fuhr. Dafür natürlich keine Spontaneität, keine wirkliche Privatsphäre… Nein, danke, nicht mal längerfristig einen Brad!

Setz auf das Pferd, das du als erstes siehst, sagt man. Oder auf den ersten Jockey. Oder auf den ersten Trainer.

Der erste Trainer, den wir trafen, war Nicholas Loder. Er sah in höchstem Maße wütend aus und, so hatte ich den Eindruck, überrascht und beunruhigt, als er uns dem Daimler entsteigen und mich auf sich zukommen sah.

«Was machen Sie denn hier?«fragte er barsch.»Sie haben hier doch nichts zu suchen.«

«Sie kennen Mr. und Mrs. Ostermeyer?«fragte ich höflich und machte sie mit ihm bekannt.»Sie haben gerade >Dattelpalme< gekauft. Ich bin heute ihr Gast.«

Er funkelte mich an — anders konnte man das nicht nennen. Er hatte auf jemanden gewartet, vielleicht einen seiner Besitzer, um diesem an dem dafür vorgesehenen Schalter ein zum Eintritt berechtigendes Clubabzeichen zu besorgen, und als dies erledigt war, schritt er mit seinem Schützling ohne ein weiteres Wort zum Rennplatz davon.

«Also wirklich!«sagte Martha erbost.»Wenn sich Milo je so aufführen würde, hätten wir unsere Pferde schon aus seinem Stall geholt, bevor er noch auf Wiedersehen hätte sagen können.«

«Es ist nicht mein Pferd«, sagte ich nachdrücklich.»Noch nicht.«

«Und wenn es das ist, was werden Sie dann tun?«

«Dasselbe wie Sie, denke ich, obwohl ich das eigentlich gar nicht vorhatte.«

«Gut«, sagte Martha mit Entschiedenheit.

Ich verstand Loders Betragen oder Reaktion nicht so ganz. Wenn ihm daran gelegen war, daß ich ihm einen Gefallen tat, das heißt, ihn >Dozen Roses< und >Edelstein< für mich verkaufen ließ, damit er entweder die Provision einstreichen oder die Pferde in seinem Stall behalten konnte, hätte er doch zumindest ein wenig von den Gefühlen an den Tag legen müssen, die Milo den Ostermeyers entgegenbrachte.

Wenn >Dozen Roses< von der Kontrollkommission die Starterlaubnis erteilt worden war, warum war Loder dann so erschrocken darüber, daß ich erschienen war, um das Pferd laufen zu sehen?

Verrückt, dachte ich. Das einzige, was ich voll begriffen hatte, war die Tatsache, daß Loders Gabe der Verstellung für einen großen Trainer recht unterentwickelt war.

Harley Ostermeyer sagte, daß das Mittagessen der Universität York in dem im Tribünenbau befindlichen Speisesaal des Clubs gegeben werde, und so geleitete ich das Ehepaar dorthin, wobei mir durch den Kopf ging, was für ein Glück es doch war, daß ich für diesen Tag einen einigermaßen dezenten Anzug und nicht einfach wieder einen Pullover gewählt hatte. Ich mochte ja ein in allerletzter Minute zur Party eingeladener Gast sein, aber ich war froh, daß man mir das wenigstens nicht auch noch ansah.

Es hatten sich schon etliche Gäste eingefunden, die — Gläser in der Hand — innerhalb eines von einem weißen Gitter abgegrenzten Raumes miteinander plauderten, hinter sich ein langes Büffet und Tische, an denen man zum Essen Platz nehmen konnte.

«Da sind die Knightwoods«, sagten die Ostermeyers, glucksten zufrieden, und schon sah ich mich einem großen, weißhaarigen und freundlich aussehenden Herrn vorgestellt, dessen faltiges, vielleicht siebzigjähriges Gesicht vor reinstem Wohlwollen leuchtete. Er schüttelte mir als einem Freund der Ostermeyers die Hand, mit denen er, soweit ich mitbekommen hatte, bei einem Besuch von Harleys Alma mater, der University of Pennsylvania, diniert hatte. Harley finanzierte dort eine Professur, war VIP von Pittsburgh, Pennsylvania.

Ich machte das jeweils passende Gesicht, lauschte dem Weltgeschehen und sagte, wie großartig ich es fände, daß die Stadt York ihre Industrie auf dem Turf unterstütze.

«Haben Sie meine Frau schon kennengelernt?«fragte Lord Knightwood unbestimmt.»Meine Liebe«- er berührte den Arm einer Dame, die mit dem Rücken zu uns stand —»du erinnerst dich doch an Harley und Martha Ostermeyer? Und das ist ihr Freund Derek Franklin, von dem ich dir erzählt habe.«

Sie wandte sich lächelnd den Ostermeyers zu, begrüßte sie herzlichst, reichte dann mir eine Hand, auf daß ich sie schüttele, und sagte:»Guten Tag. Wie schön, daß Sie kommen konnten.«

«Guten Tag, Lady Knightwood«, erwiderte ich höflich.

Sie schenkte mir ein ganz kleines Lächeln, hatte sich vollkommen in der Gewalt.

Clarissa Williams war Lord Knightwoods Frau.

Kapitel 10

Sie hatte gewußt, daß ich dort sein würde, das stand fest. Wenn sie hätte verhindern wollen, daß ich herausfand, wer sie war, dann wäre ihr Zeit genug geblieben, sich eine strategische Krankheit zuzuziehen.

Sie sagte liebenswürdig:»Habe ich Sie nicht im Fernsehen den Gold Cup gewinnen sehen?«, und ich dachte daran, wie schnell sie mit diesem entsetzlichen Totschläger gewesen war, und an den Aufruhr ihrer Gefühle am Dienstag, also vor vier Tagen. Sie schien nicht zu fürchten, daß ich sie verraten könnte — und in der Tat, was konnte ich denn schon sagen? Hören Sie, Lord Knightwood, mein Bruder war der Liebhaber Ihrer Frau? Genau das richtige, um dieser fröhlichen Party zu einem guten Start zu verhelfen.

Der besagte Lord machte die Ostermeyers mit einem Physikprofessor bekannt, der augenzwinkernd bemerkte, daß man ihn, da er im akademischen Lehrkörper der einzige Aficionado von Pferderennen sei, in die Pflicht genommen habe und er die Fahne der Universität hochhalten müsse, obwohl draußen auf dem Platz auch noch fünfzig Studenten wären, die bereit seien, ihr letztes Paar Socken zu verwetten.

«Derek hat ein abgeschlossenes Studium«, sagte Martha munter und machte Konversation.

Die professoralen Augäpfel rollten forschend in meine Richtung.»Welche Universität?«

«Lancaster«, sagte ich trocken, was ein Gelächter auslöste. Lancaster und York hatten ja manch ein Jahr die Kriege der Rosen gefochten, der roten und der weißen.

«Und Fach?«

«Independent Studies.«

Seine flüchtige Aufmerksamkeit erhöhte sich sprunghaft.

«Was sind denn Independent Studies?«fragte Harley, der das Interesse des Professors bemerkt hatte.

«Der Student entwirft sich seinen eigenen Studiengang, wählt selbst sein Prüfungsfach«, sagte der Professor.»Die Uni von Lancaster ist die einzige, die einen solchen freien Studiengang anbietet, und man läßt nur ungefähr acht Studenten pro Studienjahr zu. Er ist nicht gerade für die Willensschwachen und geistig Minderbemittelten gedacht.«

Die Knightwoods und die Ostermeyers hörten schweigend zu, und mich berührte das alles peinlich. Damals war ich noch jung gewesen, dachte ich.