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«Das Gras stört mich nicht.«

Da standen wir also nebeneinander im Gras vor der Haupttribüne, und sie sagte:»Immer, wenn wir Zusammensein konnten, kaufte er zwölf Rosen. Es war… nun…«Sie verstummte, mußte wieder schlucken.

«Mm«, sagte ich. Ich dachte an die Asche und an den roten Rosenbaum und beschloß, ihr das ein andermal zu erzählen. Es war ja dabei auch um ihn gegangen, nicht um sie.

Nicholas Loders Zweijähriger gewann das Fliegerrennen mit überzeugendem Tempo, und ich erhaschte danach einen kurzen Blick auf den Besitzer, der überaus zufrieden dreinschaute, aber kein Lächeln zeigte. Wohl kaum eine Frohnatur, dachte ich.

Clarissa ging fort, um sich das Universitätsrennen zusammen mit ihrem Mann anzusehen, und während danach die obligaten Reden gehalten wurden, machte ich mich auf die Suche nach >Dozen Roses<, der noch im Führring herumgeführt wurde, bevor man ihn zum Aufsatteln in eine Box oder einen Stall brachte.

>Dozen Roses< sah gefügig bis dösig aus, dachte ich. Er war ein nicht eben bemerkenswerter Brauner und hatte weder etwas von dem guten Aussehen und der Präsenz von >Dattelpalme<, noch das wache Interesse eines Jagdpferdes an seiner Umgebung. Er war ein gutes Rennpferd, daran gab es gar keinen Zweifel, aber in diesem Augenblick machte er keineswegs den Eindruck eines Pferdes, das in einer halben Stunde mit kräftigem Antritt als Sieger einlaufen sollte. In jedem Falle entsprach er nicht ganz dem, was ich zu sehen erwartet hatte. War dies das muntere Füllen, das seine letzten drei Rennen so schwungvoll gewonnen hatte? War dies der junge Hengst, der hinter den Startboxen von Newmarket eine Stute zu bespringen versucht hatte?

Nein, stellte ich schockiert fest, das war er ganz und gar nicht. Ich schaute ihm etwas genauer unter den Bauch, weil das manchmal schwer zu erkennen war- aber es schien kein Irrtum möglich, daß er seines wesentlichen Werkzeugs beraubt, daß er tatsächlich kastriert worden war.

Ich war sprachlos und wußte nicht, ob ich lachen oder wütend werden sollte. Das erklärte so vieles — die Formkrise, als er mit seinen Gedanken mehr bei der Fortpflanzung als beim Rennen gewesen war, und die Rückkehr zur alten Schnelligkeit, nachdem man ihn von aller Versuchung befreit hatte. Es erklärte, warum die Stewards Loder nicht zu sich gebeten hatten, damit er ihnen die Unterschiede in der Leistung erkläre — Pferde wurden ja nach dieser Operation häufig leistungsstärker.

Ich schlug das Programmheft auf und schaute bei dem Rennen nach, bei dem >Dozen Roses< laufen sollte. Und da stand bei seinem Namen auch ganz eindeutig nicht H für Hengst oder S für Stute, sondern W für Wallach.

Nicht weit hinter mir ertönte Nicholas Loders zornbebende Stimme:»Das ist nicht Ihr Pferd. Bleiben Sie weg von ihm!«

Ich drehte mich um. Loder kam schnell auf mich zu, den Sattel von >Dozen Roses< über dem Arm und die Röte voll erblühter Wut im Gesicht. Der ungemein unfrohe Besitzer, den er aus irgendeinem Grunde noch immer im Schlepptau hatte, beobachtete den Vorgang verwirrt.

«Meines oder nicht meines, ich habe ein Recht, mir das Pferd anzusehen«, sagte ich.»Und ich habe es mir verdammt gut angesehen, und entweder ist das nicht >Dozen Roses<, oder Sie haben ihn gegen den ausdrücklichen Wunsch meines Bruders kastrieren lassen.«

Sein Mund öffnete sich und schnappte wieder zu.

«Was ist los, Nick?«sagte der Besitzer.»Wer ist das?«

Loder unterließ es, uns miteinander bekannt zu machen. Statt dessen sagte er heftig:»Sie können da gar nichts machen. Ich habe Handlungsvollmacht. Ich bin der registrierte Agent, der für dieses Pferd verantwortlich ist, und was ich entscheide, das geht Sie gar nichts an.«

«Mein Bruder war dagegen, daß seine Pferde kastriert würden, das wissen Sie sehr wohl. Sie haben seine Anweisung nicht befolgt, weil sie sicher waren, daß er es nie rausfinden würde, erschien er doch niemals zu den Rennen.«

Er starrte mich an. Ihm war völlig klar, daß er, wenn ich eine formelle Beschwerde einreichte, in arge Schwierigkeiten kommen würde, und ich dachte mir, daß er bestimmt fürchtete, ich könnte und würde als Testamentsvollstrecker meines Bruders mit hoher Wahrscheinlichkeit eben dies tun. Aber selbst wenn ich es nur anderen weitererzählte, würde ihm das schon schaden — das war genau die Art von Leckerbissen, auf die sich die Sportpresse gern stürzte, und die Besitzer all der königlichen Füllen in seinem Stall würden es mit der Angst zu tun bekommen, daß ihrem Eigentum ohne ihr Wissen und Einverständnis etwas ähnliches widerfahren könnte.

Das alles war ihm, so dachte ich, in dem Augenblick klar geworden, in dem ich ihm bei unserem Telefongespräch mitgeteilt hatte, daß ich derjenige sei, der >Dozen Roses< erben werde. Er wußte sogleich, daß ich, sollte ich das Pferd je zu Gesicht bekommen, auf der Stelle durchschauen würde, was da gespielt worden war. Kein Wunder, daß ihm seine tieferen Stimmresonanzen abhanden gekommen waren.

«Greville war ein Narr«, sagte er wütend.»Das Pferd war seit dem Eingriff sehr viel erfolgreicher.«

«Das ist zwar zutreffend«, sagte ich,»aber darum geht’s hier nicht.«

«Wieviel wollen Sie also?«fragte er grob.

Jetzt war ich damit an der Reihe, dachte ich, wie ein Fisch zu glotzen. Ich sagte schwach:»Es ist keine Frage des Geldes.«

«Alles ist eine Frage des Geldes«, erklärte er.»Nennen Sie mir Ihren Preis und verschwinden Sie.«

Ich blickte den dabei stehenden Besitzer an, der eher phlegmatisch denn gefesselt dreinschaute, sich aber vielleicht irgendwann einmal an diese Unterredung erinnern und sie wiedergeben konnte, und sagte nur:»Wir reden später darüber, in Ordnung?«, und bewegte mich langsam und ganz ohne Aggressionen von ihnen fort.

Hinter mir sagte der Besitzer:»Was hatte das denn eigentlich alles zu bedeuten, Nick?«, und Loder antwortete:»Nichts, Rollo. Mach dir keine Gedanken«, und als ich mich ein paar Sekunden später umdrehte, sah ich sie beide zu den Boxen schreiten, gefolgt von >Dozen Roses< an der Hand des Stallburschen.

Trotz oder vielleicht gerade wegen Nicholas Loders besorgter Erzürntheit gewann für mich schließlich das Belustigende an der Sache die Oberhand. Ich selbst hätte das

Pferd sicher noch ein paar Monate eher als der Trainer kastrieren lassen, der es zweifelsohne aus nicht mehr erträglicher Frustration getan hatte — Greville war halt in diesem Punkt aus unangebrachtem Mitgefühl, aber auch, weil er nicht genug von Pferden verstand, ausgesprochen starrköpfig gewesen. Ich überlegte mir, daß ich noch an diesem Abend — ganz egal, wie das Rennen ausgehen würde — telefonisch meinen Frieden mit Loder machen würde, da mir, was diese so unsichere Angelegenheit anbetraf, durchaus nicht an einem Streit gelegen war. Wo doch schon von den Wurzeln des Krieges die Rede gewesen war, dachte ich gequält, kam man um die Feststellung nicht umhin, daß schon weit nichtigere Anlässe als die Kastration eines Vollblüters zu blutigen Auseinandersetzungen geführt hatten.

In York war es so, daß einige der Sattelboxen offen waren, so daß man hineinschauen konnte, andere aber mit Türen versehen. Nicholas Loder schien der Zurückgezogenheit den Vorzug zu geben, denn er brachte >Dozen Ro-ses< in eine von der letzteren Art und entzog ihn somit meinem Blick.

Harley und Martha Ostermeyer, die herbeikamen, um beim Satteln der Pferde zuzuschauen, waren voller strahlender Vorfreude. Sie hatten auf den Sieger der University Trophy gesetzt und den gesamten Gewinn nun auf mein, das heißt auf meines Bruders Pferd.

«Da werden Sie nicht soviel rausholen können«, warnte ich sie.»Er ist schließlich der Favorit.«

«Das wissen wir doch, mein Lieber«, sagte Martha glücklich und sah sich um.»Wo ist er? Welches ist’s denn?«

«Er ist in der Box da drin«, sagte ich und zeigte darauf.»Er wird gerade aufgesattelt.«