Und wenn ich Grevilles Diamanten nicht fände, dachte ich, würde ich alles zusammenkratzen, was ich hatte, und mir den Rest pumpen, um auf alle Fälle einen Hof zu kaufen und die Zukunft in Angriff zu nehmen. Aber noch nicht jetzt, noch nicht.
>Dozen Roses< und die anderen Pferde schwenkten nach links in die weite Kurve am anderen Ende der Rennbahn ein, und der Kurvenlauf brachte es mit sich, daß nun das dichte Feld auseinanderfiel. Beim Einbiegen in die Zielgerade, tausend Meter vom Einlauf entfernt, lag >Dozen Ro-ses< an vierter Stelle und machte keine großen Fortschritte. Ganz plötzlich wollte ich, daß er das Rennen gewänne, und mich überraschte die Intensität dieser Empfindung — ich wollte, daß er für Greville siegte, dem das nichts bedeutete, und vielleicht auch für Clarissa, der sehr wohl daran lag. Sentimentaler Narr, sagte ich zu mir. Wie dem auch sei — als die Menge anfing, ihre jeweiligen Favoriten mit lautem Geschrei ins Ziel zu treiben, da schrie auch ich für den meinen, was ich, soweit ich mich erinnern konnte, noch nie getan hatte.
Was immer sich jedoch Nicholas Loder gedacht haben mochte — aus einem Sieg würde nichts werden. >Dozen Roses< kämpfte sichtbar, als er sich zweihundert Meter vor dem Ziel mit großer Geschwindigkeit auf die zweite Position vorschob, hätte aber das Rennen nie und nimmer für sich entscheiden können, wenn nicht das mit einer halben Länge führende Pferd, gleichermaßen voll ausgeritten und erschöpft, im letzten Augenblick kurz von der geraden Linie abgewichen und mit ihm zusammengestoßen wäre.
«O je«, rief Martha traurig aus, als die beiden Pferde den Zielpfosten passierten.»Zweiter. Na ja, ist auch nicht so schlecht.«
«Sie werden Protest einlegen, und er kriegt das Rennen«, sagte ich.»Und das ist besser als gar nichts, nehme ich an. Ihr Gewinn ist Ihnen sicher.«
«Meinen Sie wirklich?«
«Ja, verlassen Sie sich drauf«, sagte ich, und unmittelbar darauf verkündeten die Lautsprecher, daß das Ergebnis durch die Stewards überprüft werde.
Langsamer, als mir lieb war, stiegen wir drei zu dem Platz vor dem Raum hinab, in dem die Jockeys gewogen wurden, zu dem Platz, auf dem das Pferd, das nicht mein Pferd war, stand und als Zweiter des Rennens abgesattelt wurde. Über seinen Rücken war eine Pferdedecke gelegt worden, und von seinem schweißnassen Fell stiegen Dampfschwaden auf. Er bewegte sich ruhelos hin und her, wie das Pferde oft nach sehr großen Anstrengungen tun, und sein Stallbursche hielt ihn fest am Zügel, versuchte, ihn zu beruhigen.
«Er ist ein großes Rennen gelaufen«, sagte ich zu Martha, und sie sagte:»Wirklich, mein Lieber?«
«Er hat nicht aufgegeben. Und das ist das, was zählt.«
Von Nicholas Loder keine Spur — er war wahrscheinlich bei der Rennleitung und legte seinen Protest ein. Die Stewards würden sich die Aufnahmen der verschiedenen Zielkameras anschauen und wahrscheinlich jeden Augenblick…
«Ergebnis der Überprüfung«, sagten die Lautsprecher.»Die Einlaufreihenfolge der beiden Erstplazierten wird umgekehrt.«
Kaum gerecht, aber unumgänglich — das schnellere Pferd hatte verloren. Nicholas Loder kam aus dem Wiegeraum und sah mich mit den Ostermeyers zusammenstehen, aber bevor ich noch die ersten tröstenden Worte wie etwa» Gut gemacht «sagen konnte, hatte er mir schon einen erbosten Blick zugeworfen und war in die entgegengesetzte Richtung verschwunden. Kein Rollo in seiner Begleitung, wie ich bemerkte.
Martha, Harley und ich kehrten, der Tee-Einladung der Universität folgend, in den Speisesaal des Clubs zurück, wo sich die Knightwoods wieder als liebenswürdige Gastgeber betätigten und Clarissa bei meinem Anblick erneut Schwierigkeiten mit ihren Tränendrüsen bekam. Ich verließ die Ostermeyers, die gerade Tassen und Untertassen von einer Bedienung entgegennahmen, und bewegte mich langsam zu ihr hinüber.
«So was Albernes«, sagte sie ärgerlich und blinzelte heftig, während sie mir ein Sandwich anbot.»Aber war er nicht großartig?«
«Das war er in der Tat.«
«Ich wünschte…«Sie verstummte. Ich wünschte das auch. Es bedurfte keiner Worte. Aber Greville war ja nie zu den Rennen gegangen.
«Ich bin ziemlich oft in London«, sagte sie.»Darf ich Sie anrufen, wenn ich wieder dort bin?«
«Ja, wenn Sie möchten. «Ich schrieb meine Privatnummer auf meine Rennkarte und gab sie ihr.»Ich wohne in Berkshire«, sagte ich,»nicht in Grevilles Haus.«
Sie sah mich verwirrt an.
«Ich bin nicht Greville«, sagte ich.
«Mein lieber Junge«, sagte ihr Mann dröhnend und blieb neben uns stehen,»bin hocherfreut, daß Ihr Pferd noch gewonnen hat. Obwohl es natürlich im eigentlichen Sinne gar nicht Ihr Pferd ist, wie?«
«Nein, Sir.«
Ein durchaus gescheiter Bursche, dachte ich und sah ihm in seine bei aller Jovialität intelligenten Augen. Nicht leicht an der Nase herumzuführen. Ich fragte mich flüchtig, ob er geahnt hatte, daß seine Frau einen Liebhaber hatte, selbst wenn ihm nicht bekannt gewesen war, um wen es sich handelte. Ich dachte, daß er mich, wenn er gewußt hätte, wer es gewesen war, wohl kaum zum Lunch gebeten hätte.
Er kicherte.»Der Professor sagt, Sie hätten ihm gute Tips gegeben und drei Sieger genannt.«
«Ein Wunder.«
«Er ist sehr beeindruckt. «Er blickte mich gnädig an.»Schauen Sie mal bei uns rein, mein Bester. «Das war die
Form von unbestimmter Einladung, die nicht dazu gedacht war, daß man ihr Folge leistete, sondern die in gewisser Weise nur die Bekräftigung milder Anerkennung darstellte.
«Ich danke Ihnen«, sagte ich, und er nickte, wohl wissend, daß er verstanden worden war.
Martha Ostermeyer kam herbei, um schwärmerisch zu äußern, wie wunderbar dieser ganze Tag gewesen sei, und danach fing — wie das immer so ist — die Party der Universität an, sich langsam aufzulösen.
Ich schüttelte Clarissa die mir zum Abschied gereichte Hand und auch die ihres Mannes, der neben ihr stand. Sie sahen gut aus zusammen, waren bei oberflächlicher Betrachtung ein ideales Paar.
«Wir sehen uns wieder«, sagte sie zu mir, und ich fragte mich, ob nur ich ihre unterdrückte Verzweiflung zu hören vermochte.
«Ja«, sagte ich fest.»Bestimmt.«
«Mein lieber Junge«, sagte ihr Mann.»Jederzeit.«
Harley, Martha und ich verließen den Rennplatz und stiegen in den Daimler. Simms folgte der Gewohnheit Brads und verstaute meine Krücken.
Martha meinte vorwurfsvolclass="underline" »Ihr Knöchel ist gebrochen, nicht verstaucht. Einer der Gäste hat es uns erzählt. Ich sagte, Sie hätten uns am Mittwoch was vorgaloppiert, und er wollte uns das einfach nicht glauben.«
«Das Gelenk ist so gut wie verheilt«, entgegnete ich schwach.
«Aber Sie werden >Dattelpalme< bei diesem Rennen am kommenden Samstag nicht reiten können, nicht wahr?«
«Nein, wohl nicht.«
Sie seufzte.»Sie sind sehr unartig. Jetzt müssen wir abwarten, bis Sie soweit sind.«
Ich schenkte ihr ein schnelles Lächeln größter Dankbarkeit. Es gab nicht viele Besitzer, die auch nur im Traum daran gedacht hätten, sich zu gedulden. Kein Trainer würde das tun — sie konnten sich das allerdings auch gar nicht leisten. Milo setzte im Augenblick einen meiner Erzrivalen in den Sattel der Pferde, die sonst ich ritt, und ich konnte nur hoffen, daß ich sie alle zurückbekommen würde, wenn ich wieder fit war. Das Hauptproblem bei Verletzungen war nicht so sehr die Verletzung selbst, sondern die Gefahr, daß man seine Pferde an andere Jockeys verlor. Und das manchmal auf Dauer, nämlich dann, wenn diese anderen siegreich waren.
«Und nun«, sagte Martha, als wir uns südwärts in Richtung London in Bewegung setzten,»habe ich noch eine wirklich wundervolle Idee gehabt, und Harley ist ganz meiner Meinung.«
Ich blickte mich zu Harley um, der hinter Simms saß. Er nickte nachsichtig. Diesmal war er frei von Befürchtungen.
«Wir wollen«, sagte sie glücklich,»auch >Dozen Roses< erwerben und zu Milo geben, damit er einen Steepler aus ihm macht. Das heißt«, fügte sie lachend hinzu,»wenn der Testamentsvollstrecker Ihres Bruders ihn uns verkauft.«