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Wie schlimm der Druck sei, wollte er wissen.»Unangenehm«, sagte ich.

«Ich kenne Sie doch, nicht wahr?«sagte er, mich eingehend betrachtend.»Sind Sie nicht einer von den Jockeys hier aus der Gegend? Einer von den Springern?«

«Mm.«

«Dann verstehen Sie genug von Verletzungen, um mir eine Beurteilung Ihres Zustandes liefern zu können.«

Ich sagte, daß meine Zehen, Finger und Lungen in Ordnung seien und daß ich einen Krampf in den Beinen habe, daß der eingeklemmte Arm schmerze und das Armaturenbrett die Verdauung eines guten Sonntagsessens behindere.

«Möchten Sie eine Spritze haben?«fragte er.

«Nicht, wenn es nicht schlimmer wird.«

Er nickte, gestattete sich ein dünnes Lächeln und wand sich wieder hinaus auf die Straße. Es wurde mir plötzlich klar, daß die Beinfreiheit hinten jetzt sehr viel geringer war als zum Zeitpunkt unseres Aufbruchs — ein Wunder, daß Martha und Harley nicht die Beine gebrochen worden waren. Drei von uns, dachte ich, hatten unglaubliches Glück gehabt.

Simms und ich saßen weiter still nebeneinander, wie es schien noch etliche Ewigkeiten lang, aber zu guter Letzt war das Extragerät zu unserer Befreiung in Form von Winden, Kränen und einem Schneidbrenner da, welchen letzteren sie, wie ich inständig hoffte, in meiner näheren Umgebung mit Behutsamkeit zum Einsatz bringen würden.

Stämmige Mechaniker kratzten sich angesichts der vielen Schwierigkeiten am Kopf. Es war nicht möglich, auf meiner Seite des Autos zu mir vorzudringen, weil die ja gegen den Bus gedrückt war. Sie entschieden, daß sie, wenn sie die tragenden Teile unter den Vordersitzen wegschnitten, um die Sitze dann nach hinten zu ziehen, das empfindliche Gleichgewicht des Motors stören würden und, statt meine feststeckenden Beine zu befreien, leicht das gesamte Vorderteil des Wagens dazu bringen könnten, auf dieselbigen herabzustürzen. Ich hatte etwas gegen diese Vorstellung und sagte das auch.

Am Ende arbeiteten sie sich in feuerfesten Anzügen durch das Innere des Wagens voran, sprühten alles mit dickem Schaum ein, bedienten sich der gut abgeschirmten, aber heißen Flamme des Schneidbrenners, der brüllend entsetzlich viele Funken wie brennende Streichhölzer um sich warf, und schnitten fast die gesamte Fahrerseite weg. Dann zogen sie, da er nichts mehr fühlen und keine Einwände mehr erheben konnte, Simms’ steif werdenden Körper mit Gewalt heraus und legten ihn auf eine Bahre. Ich stellte mir derweil die trübe Frage, ob er wohl eine Frau hatte, die noch von nichts wußte.

Simms war fort, und nun begannen die Mechaniker, Ketten festzumachen und Hebevorrichtungen zu bedienen — und ich saß da und wartete ab, ohne sie mit Fragen zu behelligen. Von Zeit zu Zeit sagten sie:»Alles klar, Kumpel?«, und ich antwortete» Ja «und war ihnen dankbar.

Nach einer Weile befestigten sie auch Ketten und eine Winde an dem Kombi, der noch immer breitseits in den Daimler verkeilt war, und zogen ihn mit größter Vorsicht Zentimeter um Zentimeter weg. Fast augenblicklich durchlief ein fürchterlicher Schauder den zertrümmerten Körper des Daimlers und dann meinen, und das Ziehen hörte sofort auf. Wieder wurde an Köpfen gekratzt, und dann erklärten sie mir, daß ihr Kran keinen ausreichend festen Stand habe, um den Daimler anheben zu können, weil die Familienkutsche da dazwischen stünde, und daß sie etwas anderes versuchen müßten. Ob bei mir alles in Ordnung sei?» Ja«, sagte ich.

Einer von ihnen ging dazu über, mich mit Derek anzureden.

«Hab Sie doch schon in Hungerford gesehen, oder nicht?«sagte er.»Und im Fernsehen?«Das sagte er auch den anderen, die daraufhin lustige Bemerkungen machten wie» Keine Angst, wir kriegen Sie schon bis zum Zwei-Uhr-dreißig-Rennen morgen hier raus, aber bestimmt. «Einer von ihnen erzählte mir ganz ernsthaft, daß es manchmal wegen der Gefahr, daß alles schiefgehe, Stunden dauere, bis Leute befreit seien. Es sei ein großes Glück, sagte er, daß es ein Daimler sei, in dem ich säße, weil der eine panzerartige Stabilität habe. Wär’s ein anderer Wagen gewesen, gehörte ich längst der Geschichte an.

Sie beschlossen, die Annäherung von der Rückseite her doch noch einmal zu überdenken. Sie würden die Sitze angesichts ihrer zurückgeschobenen Stellung nicht aus ihrer Halterung lösen können — sie säßen, so sagten sie, nicht mehr auf ihren Gleitschienen, sondern hätten sich in das Bodenblech gebohrt. Sie könnten auch die Lehnen nicht mehr verstellen, da der Mechanismus klemme und kaputt sei. Sie wollten jedoch die Rücklehne von Simms’ Sitz wegschneiden, um auf diese Weise mehr Platz zum Arbeiten zu bekommen. Dann würden sie die Polsterung und die Federung unter meinem Hintern wegziehen und sehen, ob sie auch meine Rücklehne loswerden könnten, um mich nach hinten herauszuziehen und nicht seitlich am Steuerrad vorbei, das sie nicht gerne entfernen würden, weil daran eine der Haupthalteketten hinge. Ob ich das verstünde? Ja, so ungefähr.

Mehr oder weniger folgten sie dann diesem Plan, wenngleich sie die Lehne meines Sitzes zuerst und vor der Sitzfläche ausbauen mußten, weil der Ausbau der ersten Feder schon eine absenkende Wirkung hatte, so daß ich noch fester gegen das Armaturenbrett gepreßt wurde, was das Atmen sehr erschwerte. Sie zerrten nun die Polsterung in meinem Rücken heraus, um mir Erleichterung zu verschaffen, und sägten dann die Lehne mit einer Bügelsäge ziemlich weit unten ab. Und schließlich stützte mich einer an der Schulter ab, während ein anderer händeweise Federung und andere Innereien des Sitzes herausriß, so daß der starke Druck auf meinen Unterleib, den Arm und die Beine nachließ und dann ganz weg war und ich statt dessen nur noch das beseligende Kribbeln eingeschlafener Gliedmaßen verspürte.

Aber das große Auto sträubte sich noch immer dagegen, mich loszulassen. Meine obere Hälfte war frei, weshalb die beiden Männer anfingen, mich nach hinten zu ziehen, aber ich stöhnte auf und verspannte mich, so daß sie sofort wieder aufhörten.

«Was ist los?«fragte der eine besorgt.

«Ach, nichts. Ziehen Sie weiter.«

In Wirklichkeit verursachte mir die Zieherei erhebliche Schmerzen im linken Knöchel — aber ich hatte lange genug dort gesessen. Das war wenigstens ein alter, vertrauter Schmerz, nichts bedrohlich Neues. Wieder beruhigt, schoben meine Retter ihre Arme unter meinen Achseln durch, wandten nun ein bißchen Gewalt an und zogen mich am Ende aus der erdrückenden Umarmung des Autos wie ein behostes Kalb aus dem Leib einer Kuh.

Erleichterung war ein unangemessenes Wort. Sie gönnten mir eine kurze Pause auf dem Rücksitz, saßen zu beiden Seiten neben mir, und wir atmeten alle drei schwer.

«Danke«, sagte ich nur.

«Nicht der Rede wert.«

Ich nehme an, daß sie die Tiefe meiner Dankbarkeit ermessen konnten — so wie ich die Überlegtheit und Vorsicht, mit der sie ans Werk gegangen waren. Danke. Nicht der Rede wert. Das reichte völlig aus.

Einer nach dem anderen zwängten wir uns hinaus auf die Straße, und ich war ganz erstaunt, daß nach der langen Zeit immer noch eine kleine Menschenmenge wartend herumstand — Polizisten, Feuerwehrleute, Mechaniker, Sanitäter und ein paar Zivilisten, viele mit Kameras ausgestattet. Ein bißchen Applaus und ein paar Hochrufe wurden hörbar, als ich mich befreit aufrichtete, und ich lächelte und machte eine Bewegung mit dem Kopf, die sowohl Verlegenheit als auch Dank zum Ausdruck brachte.

Man bot mir eine Bahre an, aber ich sagte, daß ich viel lieber meine Krücken wiederhätte, die noch im Kofferraum sein könnten, was allgemeine Bestürzung auslöste. Dann aber holte sie jemand unbeschädigt aus dem Auto heraus — sie waren so ungefähr die einzigen Gegenstände in diesem Trümmerhaufen, die heil geblieben waren. Ich stand noch eine Weile auf sie gestützt da und besah mir einfach die ineinander verkeilten Wracks — den Bus und den Kombi und vor allem den Daimler mit seinem aufgebogenen Dach, seiner wegrasierten Kühlerhaube, seinem herausgerissenen, schräg stehenden Motor, seinem schwarz funkelnden Anstrich — das alles jetzt nur noch Schrott, die ursprüngliche Form zerfetzt und zerdrückt wie ein Blechspielzeug, auf das jemand getreten ist. Mir kam es ganz unglaublich vor, daß ich da gesessen hatte, wo ich gesessen hatte, und noch am Leben war. Ich dachte, daß ich wohl den Dusel eines ganzen Lebens aufgebraucht hatte.