«Wahnsinnig nett von Ihnen. «Er war wieder umgänglich.»Es ist wirklich schrecklich wichtig, daß wir diesen Antrag abschmettern.«
«Ja, ich weiß.«
Vaccaro, so schoß es mir zu meinem Unbehagen durch den Kopf, als ich den Hörer auflegte, Vaccaro wurde beschuldigt, seine Kokain schmuggelnden, aber zum Aussteigen entschlossenen Piloten mit Schüssen aus fahrenden Autos ermordet zu haben.
Ich starrte in die Luft. Es gab für Vaccaro nicht einen einzigen Grund auf Erden, mich zu erschießen, einmal angenommen, daß er überhaupt von meiner Existenz wußte. Ich war nicht Greville, und ich hatte nicht die Macht, um mich seinen Plänen entgegenzustellen. Alles, was ich hatte, oder wahrscheinlich hatte, waren die Notizen über seine Verbrechen, und woher sollte er das wissen? Und woher sollte er gewußt haben, daß ich am Sonntagnachmittag in einem Auto auf der Straße zwischen Lambourn und Hungerford unterwegs sein würde? Und selbst wenn Gre-villes Aufzeichnungen geklaut worden waren — konnte nicht auch irgend jemand anderes Angaben dieser Art machen?
Ich schüttelte meine Ängste ab und ging hinunter in den Hof, um nachzusehen, ob Brad im Auto säße, was der Fall war. Er las in einer Anglerzeitschrift.
Angeln?» Ich wußte gar nicht, daß Sie angeln«, sagte ich.
«Tu ich auch nich.«
Ende der Unterhaltung.
Innerlich lachend, bat ich ihn, sich auf eine Reise zu begeben. Ich gab ihm den einfachen Schlüsselbund mit den drei Schlüsseln und bereitete ihn darauf vor, was für eine Unordnung er im Haus vorfinden würde. Ich beschrieb ihm die Vaccaro-Aufzeichnungen sehr genau, mit Umschlag und allem, und schrieb ihm Elliot Trelawneys Name und die Adresse des Gerichts auf.
«Schaffen Sie das?«fragte ich, ein klein wenig im Zweifel.
«Wollja. «Mein Tonfall schien ihn gekränkt zu haben, und er nahm den Zettel mit der Adresse unwirsch entgegen.
«Tut mir leid«, sagte ich.
Er nickte, ohne mich dabei anzusehen, ließ den Motor an, und als ich gerade den Hinterausgang des Bürogebäudes wieder erreichte, fuhr er aus dem Hof hinaus.
Oben sagte Annette, daß gerade ein Anruf aus Antwerpen gekommen sei und daß sie mir die Nummer aufgeschrieben habe, damit ich zurückrufe.
Antwerpen.
Mit Mühe dachte ich zurück und an die fernen Gespräche vom vergangenen Donnerstag. Was war es doch gleich, was ich bei Antwerpen erinnern sollte?
Van Ekeren. Jacob. Sein Neffe Hans.
Ich drang bis zu der belgischen Stadt durch und wurde mit dem Klang der sanften, zweisprachigen Stimme belohnt, die mir mitteilte, daß er inzwischen in der Lage gewesen sei, mit seinem Onkel zu sprechen.
«Sie sind sehr freundlich«, sagte ich.
«Ich bin nicht sicher, ob wir Ihnen sehr behilflich sein können. Mein Onkel meint, daß er Ihren Bruder sehr lange, aber nicht sehr gut gekannt habe. Ihr Bruder habe jedoch vor ungefähr sechs Monaten bei ihm angerufen, um sich nach einem Sightholder zu erkundigen. «Er machte eine Pause.»Es scheint, daß Ihr Bruder die Absicht hatte, Diamanten zu kaufen, und daß er dem Urteil meines Onkels vertraute.«
«Aha«, sagte ich hoffnungsvoll.»Und hat Ihr Onkel ihm jemanden empfohlen?«
«Ihr Bruder nannte drei oder vier ihm möglich erscheinende Namen. Mein Onkel sagte ihm daraufhin, das seien alles vertrauenswürdige Leute, er könne sich an sie alle wenden.«
Ich seufzte.»Erinnerte er sich vielleicht noch daran, wer sie waren?«
Hans sagte:»Er weiß noch, daß einer davon Guy Servi hier in Antwerpen war, weil wir selbst oft geschäftlich mit ihm zu tun haben. An die anderen kann er sich nicht erinnern. Er weiß auch nicht, für wen sich Ihr Bruder dann entschieden hat und ob es überhaupt zu diesem Kauf gekommen ist.«
«Hm. In jedem Falle herzlichsten Dank.«
«Mein Onkel möchte Ihnen sein tiefempfundenes Beileid aussprechen.«
«Sehr freundlich.«
Er legte mit Höflichkeit auf, nachdem er mir sorgfältig Name, Anschrift und Telefonnummer von Guy Servi diktiert hatte, also von jenem Sightholder, von dem sein Onkel noch wußte, daß Greville sich nach ihm erkundigt hatte.
Ich wählte sogleich diese Nummer und mußte erneut den ganzen Hokuspokus über mich ergehen lassen, das heißt mich von Stimme zu Stimme weiterreichen lassen, bis ich jemanden hatte, der sowohl über die erforderlichen sprachlichen Fähigkeiten als auch über die gewünschten Informationen verfügte.
Mr. Greville Saxony Franklin, inzwischen verstorben, sei mein Bruder? Sie würden in den Unterlagen nachschauen und zurückrufen.
Ich wartete ohne viel Geduld, während sie all die Sicherheitsüberprüfungen vornahmen, die sie für notwendig erachteten, und nach einer langen Stunde meldeten sie sich schließlich wieder.
Worum es denn gehe, wollten sie wissen.
«Mein Problem ist, daß unser Büro durchwühlt worden ist und eine Menge Unterlagen verschwunden sind. Ich habe hier nach Grevilles Tod die Verantwortung übernommen und versuche nun, Ordnung in seine Angelegenheiten zu bringen. Könnten Sie mir bitte sagen, ob es Ihr Haus gewesen ist, das Diamanten für ihn gekauft hat?«
«Ja«, sagte die Stimme in sachlichem Ton,»das haben wir getan.«
Wahnsinn, dachte ich. Ich beruhigte meine Atmung und versuchte, nicht übereifrig zu klingen.
«Könnten Sie mich, äh, über die Einzelheiten ins Bild setzen?«fragte ich.
«Gewiß doch. Wir haben bei dem im Juli abgehaltenen Sight der CSO in London eine Sightbox mit Diamanten der Färbung H und einem Durchschnittsgewicht von drei Komma zwei Karat gekauft und davon einhundert Steine im Gesamtgewicht von 320 Karat an Ihren Bruder geliefert.«
«Er hat sie doch… äh… im voraus bezahlt, nicht wahr?«
«Natürlich. Die Summe von eins Komma fünf Millionen US-Dollar in bar. Deswegen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
«Danke«, sagte ich, Ironie unterdrückend.»Äh, als Sie die Steine lieferten, haben Sie da irgend so etwas wie einen, äh, Lieferschein mitgeschickt?«
Es schien, als finde mein Gesprächspartner das plebejische Wort» Lieferschein «einigermaßen schockierend.
«Wir haben die Diamanten durch Boten zugestellt«, sagte er streng.»Unser Mann brachte sie zur Privatadresse Ihres Bruders in London. Wie es bei uns üblich ist, überprüfte Ihr Bruder die Sendung in Anwesenheit des Boten, wog die Steine nach und unterschrieb, mit dem Ergebnis zufrieden, eine Empfangsbestätigung. Irgendeinen anderen, hm, äh, Lieferschein gab es nicht.«
«Leider kann ich die Durchschrift nicht finden.«
«Ich versichere Ihnen, Sir.«
«Ich zweifle nicht an Ihren Worten«, sagte ich schnell.»Es ist ja nur so, daß die Steuerfritzen die dumme Angewohnheit haben, Belege zu verlangen.«
«Ah. «Seine Gekränktheit flaute wieder ab.»Ja, natürlich.«
Ich dachte ein Weilchen nach und fragte dann:»Als Sie ihm die Steine lieferten, waren sie da roh oder geschliffen?«
«Natürlich roh. Er wollte sie erst im Laufe der Zeit und ganz nach Bedarf schleifen und polieren lassen, glaube ich. Es war so einfacher für ihn, aber auch für uns, die Rohdiamanten alle auf einmal zu kaufen.«
«Sie wissen nicht zufällig, wer sie für ihn schleifen sollte?«
«Soviel mir bekannt ist, sollten sie für einen speziellen Kunden geschliffen werden, und zwar nach dessen besonderen Vorgaben. Aber wer das machen sollte, nein, das hat er nicht gesagt.«
Ich seufzte.»Immerhin, erst einmal vielen Dank.«
«Wir schicken Ihnen gern Fotokopien von den diese Transaktion betreffenden Unterlagen zu, sollte Ihnen das von Nutzen sein.«
«Ja, bitte«, sagte ich.»Das wäre eine große Hilfe.«
«Wir geben sie noch heute nachmittag zur Post.«
Ich legte mit langsamer Hand den Hörer auf. Jetzt mochte ich ja zwar wissen, woher die Diamanten stammten, war aber in der Frage, wohin sie geraten waren, noch kein Stück weitergekommen. Ich fing an zu hoffen, daß sie bei irgendeinem Schleifer ruhten, der mir zu gegebener Zeit höflichst mitteilen würde, daß sie zum Versand bereitlägen. Eigentlich kein unmöglicher Traum. Aber wenn Greville sie an einen Diamantschleifer geschickt hatte — warum gab es dann keinen Beleg dafür?