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Annette und June hielten den Atem an. Das Teil, das abgefallen war, sah wie ein Stück Furnier aus, das mit Metallklammern versehen war, die es an Ort und Stelle festgehalten hatten. Darunter war auch Holz, aber diesmal mit einem Schlüsselloch darin. Annette und June sahen gespannt zu, wie ich Grevilles Schlüsselbund aus der Tasche zog und alle Schlüssel durchprobierte, die so aussahen, als hätten sie die richtige Größe. Einer davon ließ sich ganz leicht und fast ohne klickendes Geräusch im Schloß herumdrehen. Jetzt zog ich den im Schlüsselloch steckenden Schlüssel auf mich zu, und wie geölt glitt eine breite, flache Lade heraus.

Wir blickten alle auf ihren Inhalt hinab. Reisepaß. Kleine, flache, schwarze Geräte, vier oder fünf davon.

Keine Diamanten.

June war begeistert.»Da ist ja der Hexer«, sagte sie.

Kapitel 14

Welches davon ist der Hexer?«fragte ich.

«Dies da.«

Sie zeigte auf ein schwarzes Rechteck, ein bißchen kleiner als ein Taschenbuch, und als ich es aufnahm und umdrehte, stand da tatsächlich HEXER in Goldbuchstaben drauf. Ich reichte das Gerät June, die es wie ein Buch öffnete und dann flach auf den Tisch legte. Die eine Hälfte war voller Tasten und sah aus wie ein Taschenrechner der vielseitigeren Art. Auf der anderen Seite war oben ein kleiner Bildschirm und darunter befanden sich Sensortasten mit Aufschriften wie» Kostenerfassung«,»Zeitbedarf«,»Berichte «und» Verweise«.

«Dieses Ding macht alles«, sagte June.»Es ist Tagebuch, Telefonverzeichnis, Notizblock, Terminkalender, Buchhalter… auch Weltuhr.«

«Und gibt’s auch einen Wecker, der auf vier Uhr zwanzig eingestellt ist?«

Sie schaltete das Gerät ein, drückte drei Tasten und zeigte mir den Bildschirm. Wecken — täglich — 16.20 — EIN, verkündete dieser.

«Na prima.«

Für Annette schien die Aufregung vorbei zu sein. Es gäbe Dinge, um die sie sich kümmern müsse, sagte sie und ging hinaus. June erklärte sich bereit, alle Spielsachen wieder wegzuräumen und alle Türen wieder zu schließen,

und während sie dies tat, untersuchte ich den Inhalt des einzigen Schubfachs, das wir offenließen, noch etwas genauer.

Angesichts des Reisepasses zog ich die Stirn kraus. Ich hatte ja angenommen, daß Greville nach Harwich unterwegs gewesen war, um dort die Fähre zu nehmen. Die Koningin Beatrix fuhr jeden Abend…

Wenn man es einmal andersherum betrachtete, dann mußte die Koningin Beatrix also am Tage von Holland nach Harwich fahren. Wenn er seinen Paß nicht mitgenommen hatte, dann hatte er vielleicht gar nicht mit der Fähre hinüberfahren, sondern jemanden von der Fähre abholen wollen.

Wen abholen?

Ich sah mir sein Foto an, das wie alle Paßfotos nicht sehr gut war, immerhin aber doch gut genug, um ihn sehr deutlich spürbar in seinem Büro anwesend sein zu lassen — in seinem Büro, wo ich auf seinem Stuhl saß.

June blickte mir über die Schulter und sagte leise:»Oh. «Und dann:»Ich vermisse ihn sehr, wissen Sie.«

«Ja.«

Ich legte traurig den Paß in das Schubfach zurück und nahm einen flachen, schwarzen Gegenstand heraus, der kaum größer als der Hexer war und aus dem seitlich eine Papierlocke herausschaute.

«Das ist ein Drucker«, sagte June.

«Ein Drucker? So klein?«

«Der druckt aus, was im Hexer gespeichert ist.«

Sie stöpselte das kurze Anschlußkabel des Druckers in eine seitlich am Hexer befindliche Buchse und drückte flink ein paar Tasten. Mit einem Surren trat das kleine Maschinchen in Aktion und fing an, das halbe Telefonbuch auf den Papierstreifen zu drucken — jedenfalls gewann ich diesen Eindruck.

«Hübsch, nicht?«sagte June und drückte auf eine andere Taste, um den Drucker zu stoppen.»Wenn Mr. Franklin auf Reisen war, gab er alle seine Ausgaben hier ein, und wenn er wieder da war, druckten wir es aus, überspielten es auch manchmal vom Hexer auf den Hauptcomputer, was durch ein Interface… o nein. «Sie unterdrückte die Gefühlsaufwallung und war bemüht, ihre Stimme zu beherrschen, als sie fortfuhr:»Er gab da immer eine Menge Dinge ein, an die er nach seiner Rückkehr denken mußte. Zum Beispiel, wer ihm ungewöhnliche Steine angeboten hatte. Das berichtete er Prospero Jenks, und sehr oft mußte ich dann die Adressen anschreiben und die Steine ordern.«

Ich sah auf das kleine elektronische Wunderding hinab. So viele Informationen ruhten dort in seinem Speicher.

«Gibt es eine Bedienungsanleitung dafür?«fragte ich.

«Natürlich. Die Anleitungen für alle diese Geräte sind hier in dieser Schublade. «Sie zog eine in dem Unterschränkchen rechts außen auf.»Desgleichen die Garantiescheine und alles. «Sie blätterte einen Stapel Heftchen durch.»Da haben wir sie ja. Eine für den Hexer, eine für den Drucker.«

«Ich leihe mir die mal aus«, sagte ich.

«Sie gehören aber doch jetzt Ihnen«, sagte sie verständnislos.

«Oder nicht?«

«Ich kann mich genausowenig daran gewöhnen wie Sie.«

Ich legte die Bedienungsanleitung neben den Hexer und den Drucker auf den Schreibtisch und nahm einen dritten schwarzen Apparat aus dem geheimen Fach.

Dieser bedurfte keiner Erklärung. Es war der Mikrokas-setten-Recorder, der zu den winzigen Bändern gehörte, die ich in den ausgehöhlten Büchern gefunden hatte.

«Der ist sprachgesteuert«, sagte June, sich das Gerät anschauend.»Liegt stundenlang rum und tut nichts, dann spricht jemand, und schon nimmt es das Gesagte auf. Mr. Franklin hat es manchmal benutzt, um Briefe oder Mitteilungen zu diktieren, weil es ihm ermöglichte, was zu sagen, ein bißchen nachzudenken und dann wieder ein wenig weiterzusprechen, ohne massenweise Bänder zu verbrauchen. Ich hörte das Aufgenommene dann ab und gab es direkt in die Textverarbeitung ein.«

Sie war nach Grevilles Urteil ihr Gewicht in Perlen wert — ich würde dem nicht widersprechen.

Ich legte den Recorder zu den anderen Sachen und holte die letzten beiden Geräte aus dem Fach. Das eine war eine winzig kleine Minolta, die Greville nach Junes Aussagen sehr häufig benutzt hatte, um für Prospero Jenks ungewöhnliche Steine zu fotografieren, und bei dem letzten handelte es sich um ein graues Ding, das man in der Hand halten konnte und das über einen AN/AUS-Schalter verfügte, sonst aber keinem offenkundigen Zweck zu dienen schien.

«Das ist dazu da, Hunde zu verjagen«, sagte June mit einem Lächeln.»Mr. Franklin mochte nämlich keine Hunde, aber ich glaube, er schämte sich dafür, daß er sie nicht mochte, denn als ich ihn fragte, wozu das sei, wollte er’s mir anfangs gar nicht sagen.«

Ich hatte nicht gewußt, daß Greville keine Hunde mochte. Ich wünschte mir glühend, er wäre wieder da, und sei es auch nur, um ihn damit aufzuziehen. Das eigentlich Schlimme am Tod war, was durch ihn ungesagt blieb — und das Wissen, daß dies eine mehr oder weniger weit verbreitete, traurige Einsicht war, machte sie um nichts weniger bedrückend.

Ich legte den Hundeabschrecker in das Schubfach zurück, neben den Paß, und ebenso die Minikamera, in der kein Film war. Dann schob ich das flache Fach zu, verschloß es, paßte das Furnierstück wieder ein und drückte es in seine Halterung, wobei es leise klickte. Die weite Fläche des Schreibtisches sah nun wieder wie aus einem Stück aus, und ich fragte mich, ob Greville den Schreibtisch wohl wegen dieses Geheimfaches gekauft hatte, oder ob er das ganze Möbel eigens für sich hatte anfertigen lassen.

«Man würde nie drauf kommen, daß da dieses Fach drin ist«, sagte June.»Ich möchte mal wissen, wie viele Leute wohl schon Vermögen verloren haben, weil sie solche Verstecke, von denen sie nichts ahnten, weggegeben haben.«