«Ich hab mal eine Geschichte von so etwas gelesen. Irgendwas über Geld, das in einen Sessel gestopft war, den dann jemand geerbt hat. «Ich konnte mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern — aber Greville hatte mir mehr als nur einen Sessel hinterlassen und mehr als einen Ort zum Suchen, und auch mir konnte ein Schatz entgehen, weil ich nicht die richtigen Verstecke aufzuspüren vermochte, wenn es denn überhaupt einen Schatz gab.
Inzwischen bestand das Problem darin, mir meine Gesundheit zu erhalten, während ich da herumsuchte. Und ein noch größeres Problem war es, Wege zu finden, wie ich zum Gegenangriff übergehen konnte, was natürlich voraussetzte, daß es mir zunächst einmal gelang, den Feind zu identifizieren.
Ich fragte June, ob sie irgend etwas hätte, worin ich den Hexer und die anderen Sachen mit nach Hause nehmen könne, und sie war im Nu mit einer weichen, mit Griffen versehenen Tragetasche aus Plastik wieder da, die mich flüchtig an den Beutel erinnerte, den man mir in Ipswich entrissen hatte. Aber diesmal, so dachte ich, würde ich, wenn ich meine Beute zum Auto schleppte, einen unbesiegbaren Leibwächter mitnehmen, nämlich eine langbeinige, flachbrüstige, einundzwanzigjährige Blondine, die ein wenig in meinen Bruder verliebt war.
Das Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer ab und sagte aus neu erworbener Gewohnheit:»Saxony Franklin.«
«Derek? Bist du das?«
«Ja, Milo, ich bin’s.«
«Mir gefällt dieses Pferd nicht. «Er klang aggressiv, was normal war, und gleichzeitig apologetisch, und das war nicht normal.
«Welches Pferd?«fragte ich.
«Na, >Dozen Roses< natürlich. Welches sonst?«
«Oh.«
«Was meinst du damit? Du weißt verdammt genau, daß ich es heute geholt habe. Das verdammte Vieh ist im Halbschlaf. Ich hole sofort den Tierarzt her und will Urin-und Blutuntersuchungen haben. Das verflixte Ding sieht gedopt aus.«
«Vielleicht haben sie ihm für die Fahrt ein Beruhigungsmittel gegeben?«
«Dazu haben sie kein Recht, das weißt du. Sollten sie das aber gemacht haben, dann will ich Nicholas Loders Kopf auf einem Tablett liegen sehen, und das solltest du auch wollen, wenn du vernünftig bist. Der Mann macht, verdammt noch mal, was er will. Wie auch immer, wenn der Gaul beim Viehdoktor nicht durchkommt, dann schick ich ihn auf kürzestem Wege zurück, Ostermeyers hin,
Ostermeyers her. Es ist ihnen gegenüber auch nicht fair, wenn ich in ihrem Namen Schund annehme.«
«Nun, nun«, sagte ich begütigend,»vielleicht will Nicholas Loder ja, daß du genau dies tust.«
«Wie? Was soll das heißen?«
«Vielleicht will er, daß du >Dozen Roses< auf kürzestem Weg zu ihm zurückschickst.«
«Oh.«
«Und dann war >Dozen Roses««, sagte ich,»Eigentum der Saxony Franklin Ltd. und nicht von Nicholas Loder, und wenn du meinst, daß es den Ostermeyers gegenüber nur fair wäre, den Kauf rückgängig zu machen, na schön, aber der Testamentsvollstrecker meines Bruders wird dir dann Anweisung geben, das Pferd sonstwohin zu schik-ken, nur nicht zurück zu Loder.«
Es herrschte Schweigen. Dann sagte Milo mit einem unterdrückten Lachen:»Du warst schon immer ein durchtriebener Gauner.«
«Danke.«
«Aber komm her, ja? Sieh ihn dir an. Sprich mit dem Tierarzt. Wie schnell kannst du hier sein?«
«In ein paar Stunden. Vielleicht auch erst später.«
«Nein, mach schon, Derek.«
«It’s a long way to Tipperary«, sagte ich.»Es kommt einfach nie näher.«
«Du redest irre.«
«Das sollte mich nicht wundern.«
«Also, sobald du kannst«, sagte er.»Bis dann.«
Ich legte den Hörer mit einem inneren Aufstöhnen auf die Gabel. Ich wollte nicht nach Lambourn rasen, um mich mit diesem kritischen Problem zu befassen, wie leicht es auch zu lösen sein mochte. Nein, ich wollte Ruhe, damit meine Schmerzen nachließen.
Ich rief das Auto an und hörte den Summer, aber Brad, wo immer er war, nahm nicht ab. Deshalb bereitete ich meinen Aufbruch vor und ging, um den Tresorraum abzuschließen. Im Versand streckte Alfie sein Kreuz, hatte die Arbeitslast dieses Tages bewältigt. Lily stand untätig herum und warf mir verstohlen einen gehemmten Blick zu. Jason kniff in der Tür zu den Lagerräumen Tina in den Po, was diese aber kalt zu lassen schien. Feierabend lag in der Luft, ein Schwebezustand war erreicht, das gemeinschaftliche Tun trieb seiner Beendigung entgegen. Wie das letzte Rennen des Oktoberprogramms.
Ich sagte guten Abend, holte die Plastiktasche und ging hinunter in den Hof, wo Brad auf mich wartete.
«Haben Sie die Papiere finden können, und waren sie okay?«fragte ich und setzte mich neben ihn, nachdem ich die Krücken auf dem Rücksitz verstaut hatte.
«Wollja«, sagte er.
«Und abgegeben?«
«Wollja.«
«Danke. Großartig. Seit wann sind Sie wieder zurück?«
Er zuckte die Achseln, und ich ließ es dabei bewenden. Es war ja nicht so wichtig.
«Lambourn«, sagte ich, als wir aus dem Hof hinausfuhren.
«Aber erst zum Haus meines Bruders, um da noch was abzuholen. In Ordnung?«
Er nickte und fuhr routiniert die Strecke bis zu Grevilles Haus, drosselte aber, kurz bevor wir es erreichten, die Geschwindigkeit und zeigte auf Grevilles Wagen, der immer noch dort geparkt stand.
«Sehn Sie?«sagte er.»Is aufgebrochen worden.«
Er fand eine Parklücke, und wir gingen zurück, um uns die Sache anzusehen. Der so sicher verriegelte Kofferraum war aufgestemmt worden und wollte sich nun nicht mehr schließen lassen.
«Gut, daß wir die Sachen rausgenommen haben«, sagte ich.
«Ich nehme an, daß sie noch in meinem Auto sind?«
Er schüttelte den Kopf.»Bei uns im Haus. Unter der Treppe. Unsre Mama sagte, ich sollte es dahin tun, wo Ihr Auto doch die ganze Nacht draußen stehn täte. Unsichre Gegend, unsre da.«
«Sehr aufmerksam«, sagte ich.
Er nickte.»Ganz schön clever, unsre Mama.«
Er begleitete mich zurück zu Grevilles Vorgarten, hielt mir die Pforte auf.»Ham hier ganze Arbeit geleistet«, sagte er und zog den Bund mit den drei Schlüsseln hervor.»Soll ich?«
Er wartete meine Zustimmung nicht ab, sondern stieg die Stufen hinauf und schloß mir auf. Tageslicht, das hieß kein Flutlicht, kein Hund.
Brad wartete im Hausflur, während ich in das kleine Wohnzimmer ging, um die Minikassetten zu holen. Alles sah so hoffnungslos dort aus — dieses ganze fürchterliche Durcheinander, das die Zeit nicht besser gemacht hatte. Ich steckte die federleichten Bänder in die Tasche und ging wieder hinaus, wobei ich mir klar darüber war, daß das Aufräumen auf meiner Prioritätenliste doch ziemlich weit unten stand. Vielleicht, wenn das Fußgelenk überhaupt nicht mehr schmerzte. Wenn die Versicherungsleute sich das alles angesehen hatten, sofern sie das überhaupt wollten.
Ich hatte einen Zettel mitgebracht, den ich nun auf die unterste Stufe der Treppe legte, wo ihn jeder, der ins Haus kam, sehen würde.
Liebe Mrs. P., es tut mir leid, aber ich habe schlechte Nachrichten für Sie. Machen Sie bitte nicht sauber, sondern rufen Sie statt dessen Saxony Franklin Ltd. an.
Ich hatte die Nummer für den Fall dazugeschrieben, daß sie sie nicht im Kopf hatte, und ich hatte Annette bedeutet, sie solle mit Anrufern sehr behutsam umgehen. Mehr konnte ich nicht tun, um den Schock zu mildern.
Brad schloß die Haustür wieder ab, und dann starteten wir in Richtung Lambourn. Er hatte für die ganze Reise genug geredet, und so fuhren wir in gewohntem Schweigen dahin, entspannt, wenn nicht gar kameradschaftlich.
Milo lief im Hof umher, verschwendete sinnlos Energie. Er riß auf meiner Seite die Wagentür auf und warf Brad einen finsteren Blick zu, was aber wohl, wie ich annahm, mehr seinen allgemeinen Gemütszustand widerspiegelte als Ausdruck irgendeiner spezielleren Animosität war.