Sie dachten darüber nach.
«Also, Sie könnten eine Menge Schwierigkeiten kriegen, wenn sich Ihre Beschuldigungen als unbegründet erweisen«, sagte Phil.
«Das hat mir Nicholas Loder auch schon gesagt.«
«Hat er das? Dann würde ich es mir zweimal überlegen. Es würde Ihnen in der Rennwelt allgemein sehr schaden, denke ich mir.«
«Kindermund tut Weisheit kund«, sagte ich, und er konterte:»Ja, Opa.«
«Ich habe dieses Röhrenstück von dem Bratenbegießer jedenfalls behalten«, sagte ich achselzuckend,»aber ich schätze, ich werde genau das damit tun, was ich beim Rennen auch damit getan habe, nämlich gar nichts.«
«Wenn die Tests von >Dozen Roses< in York und hier negative Ergebnisse zeigen, dann wäre das wahrscheinlich auch das beste«, sagte Phil, und Milo stimmte dem trotz seiner zuvor an den Tag gelegten Streitlust zu.
Bewegung im dunkler werdenden Hof verhieß einen erfolgreichen Abschluß des Urin-Unternehmens, und Phil ging hinaus, um den Spezialbeutel von dem Halter abzunehmen und den patentierten Verschluß zuzumachen. Er schrieb den Namen des Pferdes, Ort, Datum und Zeit auf ein Etikett, setzte seine Unterschrift unter die Angaben und klebte es auf den Plastikbeutel.
«Schön«, sagte er,»dann fahre ich jetzt. Macht’s alle gut.«
Er verfrachtete sich, seine Ausrüstung und die Urinprobe in sein Auto und knirschte mit sparsamstem Energieeinsatz davon. Ich folgte bald darauf, Brad am Steuer, beschloß aber, auch heute nicht nach Hause zu fahren.
«Sie haben das Durcheinander in London ja gesehen«, sagte ich.
«Das hat alles der angerichtet, der mich auch k.o. geschlagen hat. Ich möchte eigentlich lieber nicht zu Hause sein, wenn er auch in Hungerford erscheint. Lassen Sie uns statt dessen besser nach Newbury fahren und dort >The Chequers< ausprobieren.«
Brad verlangsamte die Geschwindigkeit und sperrte den Mund auf.
«Gestern vor einer Woche«, sagte ich,»haben Sie mich vor einem Kerl mit einem Messer gerettet. Gestern hat jemand auf das Auto geschossen, in dem ich saß, und den Chauffeur getötet. Das könnte ja ein anderer als der übliche Verrückte gewesen sein. Deshalb habe ich gestern in Swindon geschlafen und möchte heute in Newbury übernachten.«
«Wollja«, sagte er, hatte verstanden.
«Wenn Sie mich lieber nicht mehr fahren möchten, würde ich Ihnen das nicht übelnehmen.«
Nach einer Pause gab er mit beherzter Entschlossenheit ein Statement ab:»Sie brauchen mich.«
«Ja«, sagte ich,»bis ich wieder richtig laufen kann, ist das der Fall.«
«Dann fahr ich Sie auch.«
«Danke«, sagte ich, und das kam von Herzen, was er wohl hatte hören können, denn er nickte sich selbst zweimal emphatisch zu und schien sogar richtig froh zu sein.
Da >The Chequers< ein Zimmer frei hatte, nahm ich es für eine Nacht. Brad fuhr in meinem Wagen nach Hause, und ich verbrachte dann den größten Teil des Abends in einem Sessel oben in meinem Zimmer und versuchte, den Umgang mit dem Hexer zu lernen.
Computer gehörten nicht ganz so zu meinem natürlichen Lebensraum wie für Greville, und ich hatte auch nicht das gleiche Verlangen nach ihnen wie er. Die Bedienungsanleitung des Hexers schien als selbstverständlich vorauszusetzen, daß alle ihre Leser computerbewandert waren, weshalb es länger dauerte, als nötig gewesen wäre, bis ich zu ersten Erfolgen kam.
Ganz klar war, daß Greville sehr häufig Gebrauch von diesem Apparat gemacht hatte. Es gab drei verschiedene Telefon- und Adressenverzeichnisse, die Weltzeituhr, einen Terminkalender, eine Erinnerung an Geburtstage, einen normalen Kalender, bei dem das jeweilige Datum aufleuchtete, und die Möglichkeit, verschiedenste Kurzinformationen zu speichern. Ich schloß den Drucker an und erhielt nach einigen Fehlstarts lange Listen mit allem, was unter den jeweiligen Stichworten eingegeben worden war. Ich las sie mit zunehmender Frustration durch.
Keine der Adressen und Telefonnummern schien irgend etwas mit Antwerpen oder Diamanten zu tun zu haben, obwohl die Datei» Auslandsgeschäfte «die Namen vieler Händler überall auf der Welt enthielt. Keiner der gespeicherten Termine, die sechs Wochen oder noch weiter zurückreichten, schien relevant zu sein, und für jenen Freitag, an dem er nach Ipswich gefahren war, war überhaupt kein Eintrag zu finden. Es gab auch keinen Hinweis auf die Koningin Beatrix.
Ich dachte an die Frage, die ich June gestellt hatte, als sie bis zu dem Begriff» Perle «vorgestoßen war: Vielleicht war ja alles da drin, aber in einem Geheimfach versteckt?
Die Bedienungsanleitung des Hexers, zweihundert Seiten stark, gab natürlich auch diesbezügliche Hinweise und sagte einem, wie man Sachen wegschließen konnte. Eingaben, die als» geheim «gekennzeichnet waren, konnten nur dann zurückgeholt werden, wenn man das Codewort hatte, bei dem es sich um beliebige Zahlen- und Buchstabenkombinationen bis zu insgesamt sieben Stellen handeln konnte. Vergaß man sein Codewort, so verabschiedete man sich von dem, was man darunter gespeichert hatte — man würde es nie wieder zu sehen bekommen. Es konnte ungesehen gelöscht, aber weder ausgedruckt noch auf den Bildschirm geholt werden.
Es lasse sich durchaus feststellen, ob Geheimdateien vorhanden seien, sagte das Büchlein — dann erscheine nämlich das kleine s in der unteren rechten Ecke des Bildschirms. Ich konsultierte diesen und fand dort natürlich das kleine s.
Wie denn auch nicht, dachte ich. Es hätte Greville ganz und gar nicht ähnlich gesehen, wenn er die Möglichkeit der Geheimhaltung zwar gehabt, sie aber nicht genutzt hätte.
Jede Zahlen- und Buchstabenkombination, bis zu insgesamt sieben Stellen…
Das Büchlein schlug 1 2 3 4 vor, aber als ich die Grundschritte zur Eröffnung von Geheimdateien begriffen hatte und 1 2 3 4 bei SECRET OFF eingab, war alles, was mir zuteil wurde, die schnelle und trockene Antwort:»Codewort inkorrekt«.
«Mist«, dachte ich müde und geschlagen. Warum konnte er einem nicht auch mal was leichtmachen?
Ich versuchte es mit jeder Zahlen- und Buchstabenkombination, von der ich glaubte, daß er sie benutzt haben könnte, aber auch das brachte nicht den gewünschten Erfolg. CLARISSA war zu lang, 12ROSES hätte passen sollen, tat’s aber nicht. Um zu stimmen, mußte das Codewort in genau der Form eingegeben werden, in der es festgelegt worden war, mußte also auch in entweder großen oder kleinen Buchstaben eingetippt werden. Das alles brauchte seine Zeit. Am Ende war ich soweit, daß ich den verdammten Hexer am liebsten an die Wand geschmissen hätte, und starrte voller Haß auf das dauernd wiederkehrende» Codewort inkorrekt«.
Schließlich legte ich das Ding beiseite und spielte statt dessen die Mikrokassetten ab. Auf den Bändern waren eine Reihe geschäftlicher Pläuschchen festgehalten, und ich fragte mich vergeblich, warum sich Greville die Mühe gemacht hatte, das alles mit nach Hause zu nehmen und sorgsam zu verstecken. Ich schlief ein, bevor ich noch das Ende der vierten Seite erreicht hatte.
Nach einer Weile wachte ich wieder auf, ganz steif und eine Sekunde lang unsicher, wo ich war. Ich rieb mir das Gesicht, sah auf die Uhr, dachte an all die konstruktiven Gedanken, die ich mir eigentlich hätte machen sollen und mir nicht gemacht hatte, und spulte das zweite Miniband noch einmal zurück, um mir anzuhören, was mir soeben entgangen war.
Grevilles Stimme. Greville, der mit Annette über Geschäftliches sprach.
Das Interessanteste, ja, das einzig Interessante an diesen Bändern, dachte ich, war Grevilles Stimme. Die einzige Möglichkeit, ihn je wieder hören zu können.
«… gehe jetzt zum Mittagessen«, hörte ich ihn sagen.»Ich bin um halb drei wieder da.«
Annettes Stimme sagte:»Ja, Mr. Franklin.«
Dann war ein Klicken zu hören.