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Fast unmittelbar darauf — das war der zeitliche» Ziehharmonika-Effekt«, der sich der Tatsache verdankte, daß das Gerät sprachgesteuert war, also durch die menschliche Stimme eingeschaltet wurde — sagte eine andere Stimme:»Ich bin jetzt in seinem Büro und kann sie nicht finden. Er versteckt aber auch alles, ist ein Sicherheitsfanatiker, wie Sie ja wissen. «Klick.»Ich kann nicht fragen. Er würde es mir nie sagen, ich glaube, er vertraut mir nicht. «Klick.»Die verkniffene Annette niest nicht mal, ohne daß er es ihr aufträgt. Die würde mir auch nichts sagen. «Klick.»Ich versuch’s mal. Ich muß jetzt weg, denn er mag gar nicht, wenn ich dieses Telefon benutze, und er muß jeden Augenblick vom Mittagessen zurückkommen. «Klick.

Ende des Bandes.

Teufel auch, dachte ich. Ich spulte das Band ein Stück zurück und hörte es mir noch einmal an. Ich kannte die Stimme, und Greville mußte sie auch gekannt haben. Er hatte den Recorder eingeschaltet gelassen, wahrscheinlich aus Versehen, und war dann zurückgekommen, hatte das Band abgespielt und sich — wie ich annahm, voller Traurigkeit — den Verrat anhören müssen. Das führte zu ungezählten neuen Fragen, und ich ging langsam zu Bett, nach Antworten tastend.

Ich lag lange wach. Als ich endlich einschlief, träumte ich den üblichen surrealistischen Wirrwarr, der keine Hilfe bot, aber gegen Morgen, wiederum wach und mit meinen Gedanken bei Greville, fiel mir ein, daß es ein Codewort gab, welches ich noch nicht ausprobiert hatte, weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß er es je benutzt haben würde.

Der Hexer lag auf der anderen Seite des Zimmers neben dem Sessel. Von Neugier getrieben, machte ich das Licht an, rollte mich aus dem Bett und hüpfte hinüber, um ihn mir zu holen. Zum Bett zurückgekehrt, schaltete ich ihn ein, drückte die Tasten, fand SECRET OFF und tippte in den zur Verfügung gestellten Raum das Wort, das Greville auf der letzten Seite seines Rennkalenders unter den Nummern seines Reisepasses und der Sozialversicherung notiert hatte: DEREK, alles in Großbuchstaben.

Ich tippte DEREK und drückte die ENTER-Taste — und da ließ mich der Hexer resigniert in seine Geheimdateien ein.

Kapitel 15

Ich fing an, alles auszudrucken, was in den Geheimdateien gespeichert war, da die Betriebsanleitung dies als die beste Methode nahelegte, um sich die darin enthaltenen Informationen in schöner Vollständigkeit liefern zu lassen, vor allem mit Blick auf die Datei KOSTENERFASSUNG.

Jede» Kategorie «mußte gesondert ausgedruckt werden, und der Miniaturprinter tickerte — nicht eben sehr schnell — Zeile um Zeile auf den Papierstreifen. Fasziniert beobachtete ich seine stete, ganz geschäftsmäßige Produktion, wobei ich hoffte, daß die kleine Papierrolle bis zum Schluß reichen würde, war sie doch die einzige, die ich hatte.

Die Memo-Datei, die ich zuerst drannahm, erbrachte nur eine knappe Notiz:»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.«

Dann folgte eine lange Liste von Tagen und Daten, die mit absolut gar nichts in Verbindung zu stehen schienen. Montag, 30. Januar; Mittwoch, 8. März… Verwirrt sah ich zu, wie die Reihe immer länger wurde, und es fiel mir nur auf, daß es sich bei den Tagen zumeist um Montag, Dienstag oder Mittwoch handelte, fünf oder sechs Wochen auseinander, manchmal weniger, manchmal mehr. Die Liste endete fünf Wochen vor seinem Tod, und sie fing… und sie fing vier Jahre davor an, dachte ich verblüfft. Vor vier Jahren, als er Clarissa kennengelernt hatte.

Der Gedanke an Greville erfüllte mich mit einer unerträglichen Traurigkeit. Er hatte sich da in eine Frau ver-

liebt, die ihr Zuhause um seinetwillen nicht aufgeben wollte, die er nicht hatte kompromittieren wollen — und er hatte, da war ich mir fast sicher, jeden Tag festgehalten, den sie zusammen hatten verbringen können, und ihn versteckt, wie er so vieles versteckt hatte. Eine ganze Menge Rosen, dachte ich.

Der Terminkalender, den ich als nächstes in Augenschein nahm, enthielt Verabredungen, die sich nirgendwo sonst verzeichnet gefunden hatten, so auch die Lieferung der Diamanten an seine Londoner Privatadresse. Für seinen Todestag waren zwei Termine vorgemerkt — der erste Eintrag lautete:»Ipswich, Orwell Hotel, P. 15.30«, der zweite:»Ankunft Koningin Beatrix 18.30, Harwich«. Für den darauf folgenden Montag hatte er notiert:»Treffen mit C Kings’s Cross 12.10, Lunch bei Luigi«.

Treffen mit C King’s Cross… Er war nicht erschienen, und sie hatte bei ihm zu Hause angerufen und eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Und irgendwann am Nachmittag dann hatte sie auch in der Firma angerufen, um sich nach ihm zu erkundigen. Arme Clarissa. Am Montagabend hatte sie die zweite, in höchstem Maße beunruhigende Botschaft hinterlassen — und dann am Dienstag erfahren, daß er tot war.

Der Drucker schnurrte und förderte einen weiteren Eintrag zutage, nämlich für den Samstag danach:»C und Dozen Roses beide in York! Kann ich hin? Nicht klug. Aufzeichnung TV

Der Drucker hörte auf, wie Grevilles Leben aufgehört hatte — abrupt. Keine Termine mehr.

Nun druckte ich die Telefon- und Adressenverzeichnisse aus — PRIVAT, FIRMA, AUSLANDSGESCHÄFT. Die Datei PRIVAT enthielt nur Knightwood, die FIRMA überschriebe-ne war völlig leer, aber bei AUSLANDSGESCHÄFT erschienen, wie ich mit immer größer werdenden Augen sah, fünf Namen und Adressen in Antwerpen. Eine der Anschriften war die von Jacob van Ekeren, eine die von Guy Servi, die anderen waren mir bislang noch unbekannt. Der Jubel ließ das Luftholen fast schmerzen — ich konnte nicht glauben, daß Greville diese Adressen nur so und ohne jeden Zweck gespeichert hatte.

Jetzt druckte ich noch die Datei KOSTENERFASSUNG aus, diese als letzte, da sie wahrscheinlich die komplizierteste war und am wenigsten vielversprechend erschien. Aber schon der erste Eintrag, der zum Vorschein kam, elektrisierte mich.

Antwerpen sagt 5 der ersten

Partie von rohen sind Zr.

Möchte es nicht glauben.

Unendlich traurig.

Prioritätsstufe 1.

Treffen vereinbaren. Ipswich?

Unentschlossen. Verdammt!

Ich wünschte mir, er wäre expliziter gewesen, genauer, aber er hatte keine Veranlassung dazu gesehen. Es war schon erstaunlich, daß er überhaupt so viel geschrieben hatte. Seine Betroffenheit mußte sehr groß gewesen sein, sonst hätte er sie wohl nicht im Hexer festgehalten. Keine der folgenden Eintragungen enthielt weitere Hinweise. Da waren nur kurz Zahlungen an einen Kurierdienst namens» Euro-Securo «vermerkt, dessen Telefonnummer ebenfalls angegeben war. Mitten in dieser Liste war das Papier alle. Ich holte den Rest der Informationen auf den Bildschirm und ließ sie dort durchlaufen, aber es war nichts Beunruhigendes mehr dabei.

Ich schaltete beide Minigeräte ab und las den langen, gerollten Ausdruck noch einmal von Anfang an durch, glättete ihn dann und faltete ihn so zusammen, daß er in die Brusttasche meines Hemdes paßte. Daraufhin zog ich mich an, packte meine Sachen, frühstückte, wartete auf Brad und fuhr hoffnungsvoll mit ihm nach London.

Die Telefonate mit Antwerpen mußten wegen der vorbeugenden Überprüfungen von den Büroräumen der Firma Saxony Franklin aus geführt werden. Mir wäre ein bißchen mehr Zurückgezogenheit, als sie Grevilles Büro bot, durchaus lieb gewesen, aber da war nichts zu machen. Immerhin war eines der ersten Dinge, nach denen ich Annette an diesem Morgen fragte, ob mein Bruder auch über eines dieser Geräte verfügt hatte, die einem anzeigten, ob jemand das Telefongespräch, das man gerade führte, an einem der anderen Apparate mithört. Alle Telefone der Firma waren miteinander verbunden.