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«Sollten wir dies tun?«sagte sie.

«Ich bin nicht Greville.«

«Nein. würde er etwas dagegen haben?«

«Ich glaube nicht. «Ich bewegte streichelnd meine Hand.

«Möchtest du, daß es weitergeht?«

«Du?«»Ja«, sagte ich.

Sie setzte sich schnell auf und legte die Arme um meinen Hals, als sei sie plötzlich von einem Zwang befreit.

«Ich möchte es«, sagte sie.»Schon den ganzen Tag. Ich habe mir was vorgemacht, habe mir gesagt, daß ich’s nicht tun sollte, und doch, ich wünsche es mir leidenschaftlich und ich weiß, daß du nicht Greville bist, ich weiß, daß es anders sein wird, aber dies ist die einzige Möglichkeit, ihn zu lieben… kannst du’s ertragen, kannst du’s verstehen, wenn es er ist, den ich liebe?«

Ich verstand es, und es machte mir nicht das geringste aus.

Ich sagte lächelnd:»Aber nenn mich bitte nicht Greville. Das wäre der wirksamste Freudenkiller des Jahrhunderts.«

Sie zog ihr Gesicht aus der Nähe meines Ohres fort und sah mir in die Augen, und auch auf ihren Lippen erschien nach kurzer Zeit ein Lächeln.

«Derek«, sagte sie absichtsvoll,»liebe mich, bitte.«

«Du mußt nicht bitten«, erwiderte ich.

Ich legte meinen Mund auf den ihren und nahm den Platz meines Bruders ein.

Ein recht erfolgreicher Gedenkgottesdienst, dachte ich. Ich lag im Dunkeln und lachte im stillen über diesen schändlichen Scherz, fragte mich, ob ich ihn Clarissa erzählen sollte oder nicht.

Die Katharsis war vorüber, ihre Tränen versiegt. Sie lag, den Kopf auf meiner Brust, in leichtem Schlaf, zufrieden, soweit ich das zu sagen vermochte, mit der Ersatzliebe. Frauen behaupteten ja immer, die Männer seien sich im Dunkeln nicht alle gleich, und ich wußte sehr wohl, wo ich sie überrascht und wo enttäuscht hatte, hatte an ihren ganz instinktiven An- und Entspannungen merken können, was ich wie Greville gemacht hatte und was nicht.

Greville war, das wußte ich nun, ein glücklicher Mann gewesen, obwohl ich nicht zu fragen wagte, ob er es gewesen war, der sie gelehrt hatte, so erlesene Freude zu bereiten. Das aber konnte sie und hatte sie getan, und das Gefühl ihrer im Augenblick des Höhepunktes federleicht auf meinen Rücken trommelnden Finger war eine echte Offenbarung gewesen. Das Wissen vergrößerte sich, dachte ich. Wenn ich das nächste Mal mit einer anderen zusammen war, wußte ich, was ich vorzuschlagen hatte.

Clarissa bewegte sich und drehte mein Handgelenk, um nach den Leuchtzeigern meiner Uhr zu schauen.

«Wach auf«, sagte ich liebevoll,»es ist Aschenputtelzeit.«

«Ohhh.«

Ich streckte die Hand aus und knipste die Nachttischlampe an. Sie lächelte mir schläfrig zu, alle Zweifel waren gewichen.

«Das war gut so«, sagte sie.

«Mm. Sehr.«

«Was macht der Knöchel?«

«Welcher Knöchel?«

Sie stützte sich auf einen Ellbogen, sich ihrer Nacktheit nicht schämend, und lachte mich an. Sie sah jünger und süßer aus, und ich erblickte, das wußte ich, was Greville erblickt, was Greville geliebt hatte.

«Morgen«, sagte sie,»wird die Hochzeit meiner Freundin wohl so gegen sechs vorbei sein. Darf ich dann wieder hierher kommen?«Sie legte mir zart einen Finger auf den Mund, um mich daran zu hindern, ihr sofort zu antworten.»Dieses Mal war für ihn«, fuhr sie fort.»Morgen ist für uns. Und dann fahre ich nach Hause.«»Für immer?«

«Ja, ich denke schon. Was ich mit Greville zusammen erlebt habe, ist unvergeßlich und unwiederholbar. Schon auf der Herfahrt im Zug habe ich beschlossen, daß ich mit Henry weiterleben und da mein Bestes tun will, ganz unabhängig davon, was sich mit dir ergeben oder auch nicht ergeben würde.«

«Es wäre mir ein leichtes, dich zu lieben«, sagte ich.

«Ja, aber tu’s nicht.«

Ich wußte, daß sie recht hatte. Ich küßte sie sanft.

«Morgen für uns«, stimmte ich ihr zu.»Und dann adieu.«

Am Morgen begab ich mich in die Firma, und Annette berichtete verärgert, daß Jason nicht zur Arbeit erschienen sei und auch nicht angerufen habe, um Bescheid zu geben, daß er krankheitshalber nicht kommen könne.

Jason war weise gewesen, dachte ich. Ich hätte ihn bei der allerkleinsten Provokation mitsamt seiner Unverschämtheit, seinen orangeroten Haaren und allem anderen in den Fahrstuhlschacht geworfen.

«Er wird nicht wiederkommen«, sagte ich.»Weshalb wir einen Ersatz brauchen.«

Sie war erstaunt.»Aber Sie können ihn doch nicht einfach wegen Nichterscheinens feuern. Sie können ihn, aus welchem Grund auch immer, nicht ohne Zahlung einer Entschädigung feuern.«

«Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte ich, aber sie war nicht imstande, sich an diesen Rat zu halten.

June kam in Grevilles Büro gefegt, fuchtelte mit einem Revolverblatt in der Luft herum und sah mich mit großen, ungläubigen Augen an.

«Wußten Sie schon, daß Sie in der Zeitung stehen? >Mit

Glück noch am Leben< heißt es hier. Sie haben ja gar nichts davon erzählt.«

«Zeigen Sie mal her«, sagte ich, und sie legte das Daily Sensation genannte Blatt aufgeschlagen auf die schwarze Tischplatte.

Da war ein Bild von dem Unfall, auf dem man mehr oder minder deutlich meinen Kopf im Daimler sehen, mich aber nicht erkennen konnte. Die Überschrift lautete» Fahrer erschossen, Jockey lebt«, und der Text darunter nannte als glücklich Davongekommene Mr. und Mrs. Ostermeyer aus Pittsburgh, USA, und den Ex-Steeplechase-Jockey Derek Franklin. Die Polizei interessiere sich, so hieß es weiter, für einen grauen Volvo, der mit hoher Geschwindigkeit von der Unfallstelle weggefahren sei, und habe zudem zwei Kugeln aus der Karosserie des Daimler geborgen. Auf diesen Leckerbissen folgten ein aufgewärmter Bericht über das Massaker von Hungerford und die Frage:»Ist es die Mordtat eines gedankenlosen Nachahmers?«Schließlich war da noch ein Bild von Simms, auf dem er glücklich aussah:»Er hinterläßt Frau und zwei Töchter. Verwandte standen ihnen gestern abend bei.«

Armer Simms. Arme Familie. Arme Opfer von Hungerford.

«Das ist schon am Sonntag passiert«, rief June aus,»und Sie kommen am Montag und gestern her, als ob nichts gewesen wäre! Kein Wunder, daß Sie geschafft aussahen.«

«June!«Annette mißbilligte diesen Ausdruck.

«Na ja, tat er doch auch. Tut er immer noch. «Sie unterzog mich einer kritischen, mütterlich-schwesterlichen Prüfung.»Er hätte umgebracht werden können, und was hätten dann wir hier alle gemacht?«

Die Mißbilligung auf Annettes Gesicht war, so mutmaßte ich, ein Maßstab dafür, wie weitgehend ich inzwischen das Ruder des Unternehmens übernommen hatte. Ich hatte auch nicht mehr den Eindruck, durch Treibsand zu waten, und fing — von den Notwendigkeiten gedrängt — an, ein Gefühl für den Rhythmus des Geschäfts zu bekommen.

Am heutigen Tage waren aber auch die Rennen in Cheltenham. Ich blätterte die Seiten der Zeitung durch und fand die Pferde und ihre Reiter. Dort gehörte mein Name hin — und nicht auf die Schecks von Saxony Franklin. June blickte mir über die Schulter und begriff zumindest ein wenig, wie sehr ich mich hier im Exil fühlte.

«Wenn Sie in Ihre Welt zurückkehren«, sagte sie ernst, den schon angesprochenen Gedanken neu formulierend,»was sollen denn dann wir anderen hier machen?«

«Es bleibt uns vorerst ein Monat«, sagte ich.»Ich werde diese Zeit noch brauchen, bis ich wieder fit bin. «Ich machte eine Pause.

«Ich habe auch über dieses Problem nachgedacht und, äh, kann Ihnen beiden eigentlich auch sagen, zu welchem Entschluß ich gelangt bin.«

Beide sahen mich ängstlich an, und ich lächelte, um sie zu beruhigen.

«Was wir machen werden, ist folgendes«, sagte ich.»Annette bekommt einen neuen Titel und wird Büroleiterin. Sie wird ganz allgemein die Geschäfte hier führen und die Schlüssel in ihrer Obhut haben.«

Sie sah nicht erfreut aus. Sie wiederholte das Wort» Büroleiterin«, als wolle sie probieren, ob es ihr passe.