Ich nickte.»Dann werde ich mich ab sofort nach einem Finanzexperten umsehen, der sich um den Cash-flow und die Kundenkonten kümmert und versucht, uns über Wasser zu halten. Da uns in dieser Hinsicht ein Kampf bevorsteht, können wir diese Maßnahme nicht umgehen.«
Sie blickten beide schockiert und ungläubig drein. Cashflow — das schien noch nie ein Problem gewesen zu sein.
«Greville hat Diamanten gekauft«, sagte ich bedauernd,»und bislang haben wir erst ein Viertel von ihnen in unserem Besitz. Ich kann nicht herausbekommen, was mit dem Rest geschehen ist. Sie kosten das Unternehmen insgesamt eins Komma fünf Millionen Dollar, und wir schulden der Bank noch immer etwa drei Viertel dieser Summe, wenn das Viertel der Steine verkauft ist, die wir haben.«
Ihre Münder öffneten sich in einmütigem Unglück.
«Bis die anderen Diamanten wieder auftauchen, müssen wir Kreditzinsen zahlen und die Bank überzeugen, daß wir irgendwie aus dem Loch schon wieder herauskommen werden. Und deshalb brauchen wir so etwas wie einen Finanzchef, dessen Gehalt wir von dem abzweigen werden, was Greville als Gehalt für sich selbst beansprucht hat.«
Sie fingen an, die Mechanik zu verstehen, und nickten.
«Ferner brauchen wir«, fuhr ich fort,»einen Gemmolo-gen, der ein gutes Gespür für Steine hat und weiß, was die Kunden mögen und haben wollen. Es hat keinen Zweck, auf einen neuen Greville zu hoffen, sondern wir werden den Posten eines Einkaufsleiters schaffen, und das wird«-ich sah sie an —»June sein.«
Sie wurde tiefrot.»Aber das kann ich nicht… ich weiß nicht genug.«
«Sie werden auf Lehrgänge gehen«, sagte ich.»Auf Messen. Sie werden reisen. Sie werden für den Einkauf zuständig sein.«
Ich sah, wie sich ihr neue Horizonte eröffneten, sah ein Funkeln in ihren Augen erscheinen.
«Sie ist doch noch zu jung«, warf Annette ein.
«Wir werden sehen«, sagte ich und fügte, zu June gewandt, hinzu:»Sie wissen, was sich verkauft. Sie und der Finanzchef werden sehr eng zusammenarbeiten, damit wir den bestmöglichen Gewinn erzielen. Sie werden auch weiterhin die Computerarbeit machen und Lily oder Tina in seine Bedienung einweisen, damit sich jemand darum kümmern kann, wenn Sie nicht da sind.«
«Tina«, sagte sie,»die ist schneller.«
«Also Tina.«
«Und was ist mit Ihnen?«fragte sie.
«Ich werde der verantwortliche Geschäftsführer sein. Ich werde so oft kommen, wie es mir möglich ist, mindestens zweimal pro Woche für ein paar Stunden. Alle werden mir berichten, und dann werden wir zusammen entscheiden, was jeweils zu machen ist, wobei allerdings im Falle von Meinungsverschiedenheiten meine Stimme entscheidet. Richtig oder falsch, die Verantwortung trage ich, nicht Sie.«
Annette, noch immer besorgt, sagte:»Sie werden doch aber bestimmt Mr. Franklins Gehalt brauchen.«
Ich schüttelte den Kopf.»Ich verdiene mit dem Reiten von Pferden genug. Bis wir hier wieder flüssig sind, müssen wir jeden Pfennig sparen.«
«Es ist ein Abenteuer!«sagte June ganz hingerissen.
Ich dachte, es könnte wohl eher eine sehr lange Durststrecke werden und alles sich am Ende sogar als nicht machbar herausstellen, aber solche Zweifel hielten angesichts der Tatsache, daß Greville hier überall zugegen war, nicht dem Willen stand, wenigstens den Versuch zu wagen.
«Also«, sagte ich, steckte eine Hand in die Tasche und zog ein Mullknäuel daraus hervor,»hier haben wir fünf
Rohdiamanten, die zusammen etwa 75000 Dollar wert sind.«
Sie waren sprachlos.
«Wie verkaufen wir sie?«fragte ich.
Nach einer Weile sagte Annette:»Interessieren Sie einen Diamantschleifer dafür.«
«Wissen Sie, wie man das macht?«
Nach einem weiteren Zögern nickte sie mit dem Kopf.
«Wir können die Herkunft belegen«, sagte ich.»Kopien der Unterlagen zu dem ursprünglichen Kauf sind auf dem Wege hierher, Guy Servi in Antwerpen schickt sie uns. Sie könnten morgen hier sein. Sight-Nummer und so weiter. Wir tun diese Steine in den Tresorraum, bis wir die Papiere haben, und dann legen Sie los.«
Sie nickte, aber ängstlich.
«Kopf hoch«, sagte ich.»Die Bücher weisen ganz klar aus, daß Saxony Franklin ein höchst erfolgreiches Unternehmen ist, das Gewinn macht, normale Verhältnisse vorausgesetzt. Im Augenblick müssen wir halt Kosten sparen, wo immer wir können, das ist alles.«
«Wir könnten Jasons Lohn einsparen«, sagte Annette plötzlich.
«Die Hälfte der Zeit trägt Tina die schweren Pakete ja sowieso schon, und ich kann die Staubsaugerei übernehmen.«
«Großartig«, sagte ich voller Dankbarkeit.»Wenn Sie sich so einsetzen wollen, dann schaffen wir’s.«
Das Telefon klingelte, und Annette ging kurz dran.
«Ein Bote hat unten am Empfang ein Paket für Sie abgegeben«, sagte sie.
«Ich hol’s«, sagte June und war schon aus der Tür, kehrte mit der ihr eigenen Schnelligkeit mit einem braunen, gepolsterten Umschlag wieder zurück, der nicht sehr groß und mit sauberer Handschrift einfach an Derek Franklin adressiert war, und legte ihn voller Schwung vor mich hin.
«Passen Sie bloß auf, daß es keine Bombe ist«, sagte sie scherzend, als ich den Umschlag aufnahm, und mir ging mit ziemlichem Entsetzen durch den Kopf, daß dies eine Möglichkeit war, an die ich noch nie gedacht hatte.
«Ich hab das nicht ernst gemeint«, sagte sie neckend, als sie mich zögern sah.»Soll ich ihn aufmachen?«
«Und statt meiner die Hände weggepustet kriegen?«
«Natürlich ist das keine Bombe«, sagte Annette mit Unbehagen.
June sagte:»Ich hole mal die große Schere aus der Pak-kerei. «Sie war ein paar Sekunden fort.»Alfie meint«, sagte sie, als sie zurückkehrte,»wir sollten ihn in einen Eimer mit Wasser tun.«
Sie reichte mir die übergroße Schere, die Alfie für das Zurechtschneiden von Pappe benutzte, und gegen ihre Überzeugung wichen sie und Annette bis zur anderen Seite des Büros zurück, als ich den Jiffy aufschlitzte.
Es gab keine Explosion. Die vollkommene Antiklimax. Ich schüttelte den Inhalt heraus, bei dem es sich um zwei Gegenstände und einen Briefumschlag handelte.
Einer der Gegenstände war der MikrokassettenRecorder, den ich bei meinem überstürzten Aufbruch auf Prospero Jenks Werkbank liegengelassen hatte.
Der andere war eine längliche Brieftasche aus schwarzem Leder, fast von der Größe des Hexers, mit den Goldinitialen G. S. F. in einer Ecke und einem schlichten braunen Gummiband drumherum, das sie zusammenhielt.
«Das ist ja die von Mr. Franklin«, sagte Annette verblüfft, und June, die ebenfalls wieder herbeigekommen war, um sich alles anzusehen, nickte bestätigend.
Ich zog das Gummiband ab und legte die Brieftasche offen auf den Schreibtisch. Darin lag lose eine Visitenkarte mit Prospero Jenks Namen und den Anschriften seiner Geschäfte auf der Vorderseite und dem einen Wort» Verzeihung!«auf der Rückseite.
«Wo hat er Mr. Franklins Brieftasche bloß her?«fragte Annette verwirrt und sah auf die Karte.
«Er hat sie gefunden«, sagte ich.
«Dann hat er sich aber mit dem Zurückschicken Zeit gelassen«, sagte June spitz.
«Hm, ja.«
Die Brieftasche enthielt ein Scheckheft der Firma Saxony Franklin, vier Kreditkarten, ein paar Visitenkarten und ein kleines Bündel Banknoten — weniger, wie ich vermutete, als es bei seinem Aufbruch gewesen waren.
Da die kleine Aufregung nun vorüber war, gingen Annette und June hinaus, um die anderen über die gegenwärtige und zukünftige Lage der Nation zu unterrichten, und ich war allein, als ich den Briefumschlag öffnete.
Kapitel 18
Pross schickte mir einen Brief und einen bestätigten Barscheck, will sagen unmittelbar zugängliche Geldmittel.